BOGART 18 (BeOurGuestARTist)
Das Gießener Mitmachmagazin für Creative – Aktuelles und Zeitloses aus Kunst-Kultur-Comic
Das Gießener Mitmachmagazin für Creative
– Aktuelles und Zeitloses aus Kunst-Kultur-Comic
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BE OUR GUEST, , ARTIST!<br />
<strong>BOGART</strong><br />
Aktuelles und<br />
Zeitloses aus Kunst, Kultur & Comic<br />
DAS GIESSENER<br />
MITMACHMAGAZIN<br />
FÜR CREATIVE<br />
Nr. <strong>18</strong> - 2013/14 | Dez./Jan./Feb.<br />
6/7. Jahrgang | € 3,90<br />
© Reinhard Müller-Rode<br />
RAINER MÜLLER:<br />
Erhabene Strukturen<br />
in markanten Materialien<br />
ALEX HEITZ:<br />
Lebendige Bilder<br />
ganz eigener Art<br />
IM DUTZEND DRECKIGER:<br />
ComicheldInnen<br />
zwischen Gut und Böse
INHALT<br />
KUNST – KULTUR<br />
INSIDE <strong>BOGART</strong>: Rückblick · Einblick · Ausblick<br />
RAINER MÜLLER: Erhabene Strukture in markanten...<br />
SINGER/WOSILAT/WICKLEIN: "Madrina della Luce III"<br />
ALEX HEITZ: Lebendige Bilder ganz eigener Art<br />
RALF SCHWEIGER: "Mitmenschen"<br />
HMK-Poster: "Everybody 's playing Pop-Muzik"<br />
Heimische LiedermacherInnen: Immer unterwegs<br />
WERKSTATT OGONJOK: Der Pfeil der Freiheit<br />
POPCORNER: G. Martin und die Abbey Road-Studios<br />
MUSENKELLER: Beifall ist des Künstlers Lohn<br />
BUCH ZUM 50.: Til Schweiger - Der Mann, der bewegt<br />
FRANKFURTER BUCHMESSE: Klös, Göttlicher, Siller<br />
WINTER 2013/14: Gizmorians-3-Mon.-Kalendarium<br />
– COMIC<br />
FRANKFURTER BUCHMESSE: Faszination Comic<br />
SUPERCHATTER (3): Law & Order in der Plockstraße<br />
100 JAHRE COMIC: Von Altamira nach Entenhausen II<br />
Im Dutzend dreckiger: ComicheldInnen zwischen gut...<br />
Li'l Sushi goes Yokohama...: "Broken Blossom-...."<br />
Die nächste Ausgabe erscheint<br />
am 1. März 2014<br />
4<br />
6<br />
8<br />
12<br />
14<br />
16<br />
<strong>18</strong><br />
20<br />
21<br />
22<br />
23<br />
24<br />
25<br />
26<br />
27<br />
28<br />
30<br />
32<br />
mal ernsthaft<br />
mal rätselhaft<br />
mal augenzwinkernd<br />
<strong>BOGART</strong><br />
<strong>BeOurGuestARTist</strong><br />
Das Gießener Mitmachmagazin für Creative<br />
Redaktion, Gestaltung und Realisation:<br />
Reinhard Müller-Rode<br />
c/o MediaART-Werbung<br />
Lonystraße 19, 35390 Gießen<br />
Tel.: 0641.9845451, email: r.mr@gmx.de<br />
Mitarbeit:<br />
Hans-Michael Kirstein,<br />
Sascha A. Wanke, GIZMORIAN<br />
www.gi-mix.de/bogart<br />
Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Reinhard Müller-Rode<br />
© 2012 für alle Beiträge liegt beim Verlag bzw. den Autoren; alle<br />
Rechte vorbehalten. Die auf § 49 UrhG gestützte Übernahme<br />
von Artikeln in gewerbliche Pressespiegel bedarf der vorherigen<br />
schriftlichen Zustimmung des Verlags.<br />
EDITORIAL<br />
3Steps<br />
| Schlammbeisser mbe<br />
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River rT<br />
Tales s|<br />
Giessen en 2012 2(<br />
(Schlachthof/Konrad-Adenauer-Brücke)<br />
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na<br />
-Brück<br />
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Hielten einst Kanalarbeiter mit ihrem Werkzeuggestänge die Gießener Gassen von Müll, Unrat<br />
und Fäkalien fern, sorgen inzwischen die neuzeitlichen "Schlammp-Eiser" mit Farbroller und<br />
Spraydosen dafür, dass hierorts marodierende Gebäudefl ächen nicht "beschissen" aussehen.<br />
– Aus der in 80ern von New York ausgehenden Subkultur hat sich Graffi ti zur zeitgenössischen<br />
Kunst weiter entwickelt, die Werbung, Medien und Mode innovativ beeinfl usst. So setzen die<br />
lokalen Protagonisten von "3Steps" ihre langjährige freikünstlerischer Erfahrung seit 2012 auch für<br />
"klassische" Kampagnen in eigener Werbeagentur (Bleichstraße) um. Gemäß der Intention von<br />
Street-Art bleibt auch in Gießen das wertschöpferische Spiel mit Formen, Farben und Inhalten gemäß<br />
manischer Mundart für die Öffentlichkeit frei zugänglich: "Tsch' dickno Lowi" ("Für wenig Geld")...<br />
flusssgeschichten.de | 3steps.de<br />
Werbung ist Kunst. Kunst ist Werbung.<br />
"Warum ist Werbung Kunst, Herr Schirner?" – "Weil ich sie dazu<br />
erklärt habe. Die Werbung hat heute die Funktion übernommen,<br />
die früher die Kunst hatte: die Vermittlung ästhetischer Inhalte ins<br />
alltägliche Leben," äußerte der Werbe-Guru schon 1985 im FAZ-<br />
Gespräch mit S. Turner.<br />
'Werbung ist für uns heute eine Kombination aus zielgerichteter<br />
Funktionalität und dekorativer Ornamentik. Zudem unterliegt<br />
sie dem profanen Diktat der Marktwirtschaft, welches wir in<br />
ungebrochener Naivität für die Kunst negieren. Im Unterschied zu den schönen<br />
Künsten sehen wir in der Werbung kein Medium zur Verfolgung höherer Ziele und<br />
auch keinen Ausdruck tiefgründiger Ideen," beschreibt Raymund Heller eine<br />
Hierarchie, die bis heute gültig ist, deren Normen und Regeln Charles Wilp<br />
kalkuliert durchbrochen hat.<br />
Im Versuch Werbung ein positives Image<br />
zu verpassen, wurde die Ausstellung “Le<br />
Communique” von Leo Burnett an einem Uni-<br />
Campus inszeniert. Jedes ausgestellte Werk<br />
war eine Werbeanzeige, der einfach das Logo<br />
der werbenden Firma entzogen wurde. Und<br />
schon waren die bildgewaltigen und klugen<br />
Werke Kunst, die von den selben Studenten,<br />
die keine Zukunft für (sich in der) Werbung<br />
sehen, bestaunt wurden (Quelle: danielrehn.<br />
wordpress.com).<br />
Die seit 1983 selbständige Künstler und<br />
Publizisten arbeitnehmerähnlich in der Krankenund<br />
Rentenversicherung bezuschussende<br />
KSK (kuenstlersozialkasse.de) reiht bildende, "Nimm mit! - Kost' nix!": Die neue<br />
musische, darstellende, schreibende und Kunstkarten-Galerie in der KATE.<br />
werbende Tätigkeit übrigens gleichrangig ein.<br />
Mit Werbung à la ART sorgt auch das neue mediale Freikarten-Projekt<br />
goGIESSENcards als Symbiose von Könnern und Gönnern für wechselseitige<br />
Wertschätzung und -schöpfung. Die in regelmäßigen Abständen neu bespielte<br />
Wandgalerie hat sich inzwischen an vielen lokalen Szenetreffs als "Mini-Museum"<br />
öffentlichkeitswirksam etabliert. – Und <strong>BOGART</strong> hängt an diesem grandiosen<br />
Marketing-Konzept in Reinkultur mit dran...<br />
Reinhard Müller-Rode<br />
Das Mitmachmagazin für Creative<br />
Bogart 3
INSIDE<br />
EINSAMER MANN<br />
Der einsame Mann<br />
versteht nicht<br />
warum seine<br />
Apfelkörner<br />
keinen Baum<br />
in den Himmel<br />
wachsen lassen<br />
Der einsame Mann<br />
verrät nicht<br />
seine<br />
Träume<br />
weil kein Passant<br />
stehen bleibt<br />
um sie zu hören<br />
In der vorherigen Ausgabe noch mit seinem Programm-Slogan Ist das Kunst, oder kann<br />
das weg? zitiert, wenig später von PAUL in Hamburg fotografiert und seit Anfang Oktober<br />
stadtübergreifend in München plakatiert: "Blödel-Preuße" Mike Krüger. Den in "Urzeiten"<br />
vom Foto-Assi bemerkten Konzertbesuch in Begleitung der Mutter bespaßte der Comedian<br />
furztrocken "Du kamst mir gleich so bekannt vor...!"<br />
Sascha A. Wanke<br />
Mehr vom Autor zu lesen und zu hören<br />
gibt es im 60seitigen Gedichtband<br />
"Augenblicke" mit Zeichnungen<br />
von Otti Wanke (u.a. bei Amazon/5.95)<br />
und auf Audio-CD für 5.95 direkt bei<br />
autor-wanke@gmx.de.<br />
Ob bei den beliebten Themenparties im<br />
heimischen Musikkeller HAARLEM<br />
(Bilder oben und links) oder nationalen<br />
Partyevents, das Gießener Sangestalent<br />
Natalie Malik (s.a. <strong>BOGART</strong> 8) weiß hier sowohl<br />
mit Stimme als auch jetzt vor und hinter der<br />
Kamera stets, wie man sich und das Publikum<br />
bestens in Szene setzt.<br />
Über die Kultstätte in der Schanzenstraße bietet<br />
sie neben stimmungsvollen und attraktiven<br />
"Schnappschüssen" rund um den Dancefloor<br />
den Partygängern auch "EINMALIKe" Shootings<br />
in anderer Kulisse an.<br />
Info und Kontakt: einmalik fotografie<br />
Mit Weltmeistern und Weltstars fast<br />
auf Augenhöhe: Vitali Klitschko,<br />
Diego Maradonna, Scorpions<br />
Schenker und Meine.<br />
4 Bogart<br />
Das Mitmachmagazin
RUECKBLICK EINBLICK AUSBLICK<br />
Mit einem klassischen<br />
"A-A"– Effekt feierten<br />
die jetzt schon kultigen<br />
...aber bitte mit A!!! goGIESSENcards –<br />
inzwischen an zehn<br />
lokalen Szenetreffs präsent – ihre Premiere im<br />
KAFFEE WOLKENLOS (Henselstraße): Die<br />
Vornamen intendierte Sinnspruchkarte – eine<br />
konzertierte Aktion mit den KLIMBIM- und<br />
RITZI'S-Protagonisten – typisierte KW-Inhaber<br />
Haiko Schimpf mit schnödem E statt seinem<br />
prägenden A. - Ob der 1000fache Fehldruck<br />
daraus mal seinen Sammlerwert generiert, wird<br />
allseits versöhnend erwartet...<br />
a<br />
Stadttheater-<br />
Mimen (II)<br />
2 x ROSSI im einzigen Sofortbild-Kalender der Welt<br />
Mit einer Interpretation des Gebrüder Grimm Märchens Schneewittchen (Sonntag, 23. November<br />
2014) und dem Emotion-Porträt Just Jazz von seiner langjährigen Assistentin (2.11.)<br />
<br />
ist<br />
der Gießener Lifestyle-Fotograf Christoferos Mechanezidis (stolenmoments.de) in der dritten<br />
Auflage des POLADARIUM 2014 doppelt prominent vertreten. In dem<br />
Abreißkalender,<br />
wie man ihn aus<br />
Großmutters<br />
Küche kennt, erscheint<br />
auf der<br />
Vorderseite jedes<br />
Kalenderblattes<br />
das Polaroid in<br />
Originalgröße,<br />
auf der Rückseite<br />
eine kleiner Text<br />
zur Entstehung<br />
des Bildes sowie<br />
Informationen<br />
zum Fotografen<br />
und zum verwendeten<br />
Film.<br />
"Für das Snow-<br />
White-Shooting<br />
hatten wir 10 kg<br />
Äpfel am Set",<br />
Einst Geheimtipp jetzt populär:<br />
Mozarts große Choroper<br />
IDOMENEO<br />
<strong>18</strong>. Januar 2014<br />
SUNDAY 23 NOVEMBER<br />
merkte Rossi an", der dabei die SX 70 Land Camera einsetzte. – Der hochwertig lackveredelte<br />
und schwarz geleimte Jahresbegleiter mit 365 Abbildungen wird in stabiler Sammelbox<br />
vom Kunst- und Fotobuchverlag seltmann+söhne (Lüdenscheid/Berlin) mit Aufsteller und<br />
Aufhänger zum Preis von 24,90 € (excl. Versand) geliefert. Weitere Infos zu dem Projekt und<br />
gleichzeitig der Aufruf an die Szene, 2015 dabei zu sein, findet sich unter poladarium.de.<br />
»Guck mal, Anna Isdath!«<br />
Die für die Gießener Werkstatt Ogonjok<br />
schriftstellernde ANNA ISDATH (Bogart<br />
16, 17) zälhlte – wie schon bei FLUSS MIT<br />
FLAIR 2013 – zu den meist fotografierten<br />
Attraktionen der diesjährigen FRANKFURTER<br />
BUCHMESSE. Der mit 24 Brillen drapierte<br />
Herrenhut zog einmal mehr die Rezipienten<br />
an, um sie spontan vom Bildhaften zum<br />
Begrifflichen wandern zu lassen. Mit dem vorm<br />
Körper getragenen Gedicht „Vom Aha-Effekt“<br />
erweckte das androgyn anmutende Sandwich-<br />
Wesen außerdem Assoziationen über das<br />
Blicken, den Durchblick, über Mittelbarkeit<br />
oder Unmittelbarkeit des Begreifens. Die<br />
Performance „Die Brille für den ersten Blick“<br />
liegt in Buchform (11 €) beim Synergia-Verlag<br />
vor. Über Person und Projekt gibt es weitere<br />
Infos unter offensive-ogonjok.de<br />
Foto: Gisela Willner<br />
für Creative Bogart 5
Rainer MuEller:<br />
erhabene Strukturen in markanten materialien<br />
3<br />
2<br />
1<br />
Rainer Müller hat sich über sein geradezu<br />
"verschlingendes" Interesse an moderner<br />
Kunst, besonders der zeitgenössischen,<br />
zum eigenkreativen Gestalten entwickelt.<br />
In seinem Schaffen erweist er sich als ein<br />
blitzgescheit reflektierender "Schwamm", der die Konventionen, Mechanismen<br />
und Manierismen der internationalen Kunstentwicklungen nach<br />
1960 selektiv aufsaugt und mit experimenteller Trennschärfe seine individuellen<br />
Repertoiremomente kreiert.<br />
Abstraktion, Materialbilder, neue Figuration oder Pop Art: mit viel Energie<br />
und einem klar strukturierten artifiziellen Formulierungswillen gestaltet der Künstler mittelund<br />
großformatige Gemälde und reliefhafte Assemblagen.<br />
Die hier vorgestellten Artefakte zeigen pars pro toto eine meisterliche Bandbreite seines<br />
Werkkanons. Blau eingefärbtes Leinen, im Hochformat virtuos zum konotationsträchtigen<br />
Relief-Bild verformt, lädt den Betrachter<br />
emotional und geistig zur Begehung ein.<br />
Eine mysteriöse Drahtfigur, einer bestimmten<br />
"Haus-" Ikonographie<br />
verpflichtet, mag den verrasterten<br />
und vermessenen Homo<br />
sapiens der Neuzeit widerspiegeln.<br />
Eine bearbeitete<br />
Metallplatte,<br />
als<br />
Materialträger<br />
gleichsam der "Set"<br />
für Bilderzählung und<br />
technische<br />
Stofflichkeit,<br />
zeigt eine der<br />
wesentlichen Richtungen<br />
des Oeuvres.<br />
Ein leichter Appell<br />
an<br />
Gestalthaftigkeit<br />
und deutbare Gegenständlichkeit<br />
verbindet<br />
sich mit einem<br />
könnerhaft<br />
verbundenen<br />
Materialmix<br />
zu einem stimmigen<br />
Kunst-Werk!<br />
Zweifelos<br />
bewegt<br />
sich der Gestalter<br />
Rainer Müller in einem<br />
eher hermetisch<br />
angelegten<br />
Winkel<br />
zeitgenössischer<br />
Kunstmentalität; der<br />
Abstraktionsgrad des<br />
Dargestellten und die<br />
hochexperimentelle<br />
Verwendung von Arbeitsmaterialien in ihrer<br />
furiosen Konsequenz machen den kreativen<br />
"Spätentwickler" Rainer Müller sehr rasch<br />
zu einem der markantesten Kunstschaffenden<br />
der Region.<br />
Der begabte Eklektizist entwickelt sich in<br />
wenigen Jahren zum Werk-Meister mit individueller<br />
Typisierung! Hans-Michael Kirstein<br />
6 Bogart<br />
Das Mitmachmagazin
8<br />
RAINER MÜLLER (Jahrgang 59)<br />
Leiter der Martin-Luther-Schule<br />
in Buseck<br />
Das Ethos seines pädagogischen<br />
Berufes ist kongruent zu seiner<br />
Kunst. Pestalozzis Prinzip mit<br />
„Kopf, Herz und Hand“ findet<br />
sich vielschichtig in seinen<br />
Bildern wieder.<br />
Ausstellungen: 2010, 2012<br />
www.rainermueller-art.de<br />
5<br />
4<br />
1 Hinter der Leinwand, Multiple (2013) 50 x 60 cm / 2 Lokalola, Draht-Acryl (2012) 160 x 50 cm<br />
3 Splashnob, Multiple (2012) 133 x 112 cm / 4 Blau 42, Leinen-Acryl-Leim-Pigment (2012) 150 x 90 cm<br />
5 Die dicke Berta, Acryl (2013) 120 x 100 cm / 6 Hagens Männer ( Wagner Zyklus ), Acryl-Öl-Holz-Metall l auf Blech<br />
(2013) 100 x 100 cm / 7 My Chili, Multiple (2013) 200 x 20 cm / 8 Ballungsgebiete, Leinen-Leim (2011) 1)<br />
Foto/Repros: Reinhard Müller-Rode<br />
7<br />
für Creative<br />
6<br />
Bogart 7
Madrina Della Luce<br />
Markus Singer / Johannes Wosilat (Bilder) / Anna Maria Wicklein<br />
„Piagata-<br />
Von Wunden<br />
bedeckt“<br />
Im Garten der Villa Accardo wiegte der Nachtwind die<br />
Baumkronen und Mondlicht brach hindurch. Die Luft<br />
hatte die Wärme des Tages verloren und es duftete<br />
nach Hyazinthen. Männer schritten monoton durch die<br />
Dunkelheit, ihre Blicke erforschten jeden Winkel. In der<br />
Zimmerecke stand der kleine Schreibtisch der Tochter. Vida<br />
saß auf dem viel zu kleinen Stuhl und wartete, die Hände<br />
im Schoß verkrampft, bis die Uhr die rechte Zeit gab, dann<br />
stand sie auf. Ein Mann sah vom Garten aus das Licht im<br />
Kinderzimmer erlöschen, marschierte aber weiter. Lautlos<br />
öffnete Vida die Tür des Kinderzimmers und trat in den<br />
Flur. Ebenso leise wurde die Tür verschlossen. Sie setzte<br />
sich zwei Zimmer weiter zu ihrem Mädchen. Dieses atmete<br />
gleichmäßig und leise. Als das Blau weit über den Horizont<br />
gestiegen war ging Vida ins Bad und sah in den Spiegel. Die<br />
Müdigkeit, die Nacht, die Jahre: Deutlich sah sie sich selbst.<br />
Später öffnete sie die Badezimmertür und heraus trat eine<br />
Frau in eleganter Kleidung, straffe Frische im Gesicht, wache<br />
Augen. Vor dem Sofa stolperte Vida. Es verlangte viel ihrer<br />
Kraft um auf die Beine zu kommen, dann weckte sie ihr Kind.<br />
Während der morgendlichen Routine suchte die Tochter stetig<br />
den Blick der Mutter. Immer wieder stoppte Amaranta worin<br />
sie gerade begriffen war. Die Mutter führte wortlos weiter, was<br />
die Tochter unterbrach. Vidas Hände machten das Mädchen zur<br />
Puppe, zu einer Maschine, die man immer wieder aufs Neue<br />
anwerfen musste. Als Vida und Amaranta vor dem Kinderzimmer<br />
vorübergingen griff die Tochter nach der Türklinke. Vida zog<br />
sie weiter. Amaranta stiegen Tränen in die Augen und sie fing<br />
leise an zu weinen. Männer patrouillierten um das Haus. Die<br />
Morgensonne trieb die Kälte aus den Knochen und sie reckten<br />
sich. Die Mutter hockte vor die Tochter und zog sie zu sich.<br />
Mit den Händen nahm Vida das kleine Gesicht und wischte die<br />
Tränen fort, dabei kamen ihr selbst die Tränen. Ein Wachmann<br />
öffnete die Haustüre und trat herein. Die Mutter begann zu<br />
zittern. Sie hatten es fast geschafft: Die Treppe hinunter, durch<br />
die Tür, durch den Garten, zum Auto, weg. Sekunden dauerte<br />
das und jetzt, nach Stunden des Wartens, verlor sie die Fassung.<br />
Dann wischte die Tochter die eigene Tränen aus den Augen und<br />
sah ihre Mutter an. Die Schrittgeräusche in der Eingangshalle<br />
verschwanden in einem Zimmer des Erdgeschosses.<br />
Irgendwo klingelte ein Telefon und Vida blickte auf. Sie hastete<br />
mit ihrer Tochter die Stufen hinab und ging zur Haustüre. Im<br />
Rücken der beiden erschien der Valletto, das Telefon in der Hand.<br />
Geschwind lief er die Treppen hinauf. Vida warnte ihn, ihr Mann<br />
würde noch fest schlafen und er habe ihr gesagt, er wolle von<br />
niemandem gestört werden. Es fuhr ihr durch den Kopf: Wäre<br />
dies die Wahrheit, dann hätte sie das beim Valletto melden<br />
müssen, statt einfach zu gehen. Er sah sie an, als befände sich<br />
der selbe Gedanke auch hinter seiner Stirn. Die Angelegenheit<br />
verlange aber die sofortige Aufmerksamkeit des Herrn, erwiderte<br />
der Valletto sehr höflich und ging weiter. Dann solle er zunächst<br />
leise klopfen, sagte Vida, als sie die Haustüre öffnete und mit der<br />
Tochter hinaustrat. Der Valletto verschnellerte seinen Schritt.<br />
Vida ließ die Türe offen stehen und zerrte Amaranta mit sich. Die<br />
Blicke der Wachmänner folgten ihnen. Geraden Weges steuerte<br />
Vida durch den Garten auf das kleine Tor zu, hinter dem der<br />
Wagen in der Sonne stand. Die Beine des Mädchens kamen<br />
der Mutter kaum hinterher und diese nahm die Tochter auf den<br />
Arm. Einer der Wachmänner sah Amarantas Gesicht, sah ihre<br />
Tränen. Im selben Moment trat der Valletto die Balkontüre auf<br />
und Vida rannte los. Das Gebrüll der Verfolger lag ihr im Rücken,<br />
das Weinen der Tochter schallend in den Ohren und die Männer<br />
hetzten ihr hinterher. Vida riss die Tür zum Sportwagen auf und<br />
warf das Mädchen regelrecht auf den Beifahrersitz. Sie rammte<br />
den Schlüssel in die Zündung, im Lack der schwarzen Schönheit<br />
spiegelten sich die Verfolger. Dreihundertsechzig Pferdestärken<br />
ließen die Luft um den Wagen vibrieren, das kraftvolle Kreischen<br />
von sechstausend Umdrehungen machte ihn zum Zentrum der<br />
Welt und von der Leine gelassen wie ein Dobermann schoss er<br />
hinaus auf die Straße.den Schädel und des Mannes Seele fuhr<br />
ihm aus und hinab.<br />
Die Straßen um den See waren äußerst schmal. Auf der einen<br />
Seite die zerklüftete Felswand, auf der anderen die Leitplanke<br />
als einzige Trennung zwischen Fahrzeug und Wasser. Eine<br />
Kurve schlug die Leitplanke gegen die Seite des Wagens und<br />
riss ihm, der Länge nach, den Lack fort. Die Tochter kreischte<br />
und schluchzte. Vom Rückspiegel blitzte Licht: Das Fahrzeug<br />
der Verfolger! Am weit entfernten Hang des anderen Ufers sah<br />
Vida die ausgebrannten und überwucherten Reste der alten Villa<br />
Reale. Sie trat das Gaspedal durch. Das Verfolgerauto fiel zurück.<br />
Für einen Moment entfachte sich Euphorie. Gegen die Nadel für<br />
den Füllstand des Tanks hatte die Euphorie aber keine Chance.<br />
Noch einige Hundert Meter voraus erschien, nahe der alten Villa,<br />
weiter unten am Berg gelegen, eine Ansammlung verlassener<br />
Steinhäuschen. Ein winziges Dörflein, in dem vor Jahrzehnten<br />
Schieberbanden Schwarzhandel betrieben hatten.<br />
Der Wagen, die Reifen starr, schob quietschend seine Masse<br />
über das Pflaster des leeren Dorfplatzes. Kaum zum Stehen<br />
gekommen stieß Vida die Fahrertür auf, sprang aus dem Wagen,<br />
rannte zur Beifahrertür und hob Amaranta heraus. Man hörte den<br />
Motor des Verfolgerautos. Die Beiden ließen den Wagen stehen<br />
und flohen in die verwinkelten Gassen. Steine unterschiedlicher<br />
Größe und Graufärbung bildeten Wege, Mauern und Häuser.<br />
Aus den Zwischenräumen heraus drang das Moos. Zeit und<br />
Witterung nagten an Gebäuden und Gassen und hatten ganze<br />
Teile herausgebissen.<br />
Etliche Windungen verhinderten, mehr als nur ein paar Meter<br />
des vorausliegenden Weges zu ersehen. Hinter jeder Ecke konnte<br />
das Ende lauern. Schlag auf Schlag tauschten Erleichterung<br />
und Panik die Plätze. Zwischen den engen Wänden sprangen<br />
die Echos, der sie verfolgenden Schritte, umher. Vidas Muskeln<br />
brannten und erlahmten. Sie schaffte es noch um eine Ecke, dann<br />
entglitt die Tochter ihrer Umarmung. Im Moment da ihr die Last<br />
genommen war, nahm ihr Körper, in seinem Schmerz, soviel<br />
Kraft aus den Beinen, dass Vida zu Boden sackte. Sie keuchte<br />
vergeblich. Die Kraft floss nur so aus ihr heraus.<br />
Als kleines Mädchen war sie auf jede Art und Weise aufgerissen<br />
worden. Jedes Mal hatte sie viel von ihrer Kraft herausgeblutet.<br />
Damals flickte man die Wunden notdürftig zusammen, um<br />
zu retten, was an Kraft noch übrig war. Dennoch blieben es<br />
schwärende Wunden, aus denen weiterhin die Kraft sickerte.<br />
Und jetzt waren alle diese Wunden aufgebrochen. Dieses Mal<br />
zum letzten Mal und unverschließbar.<br />
Schnelle Schatten huschten geschwind zwischen den<br />
Steinhütten hindurch.<br />
Ein Tiefpunkt ist das Ende nicht,<br />
zeigt nur uns‘re Menschenpflicht;<br />
die Wahl des Herzens:<br />
Feigheit oder Licht.<br />
8 Bogart<br />
Das Mitmachmagazin
(Taufpatin des Lichts) Kurzroman in 3 Folgen (1II)<br />
Vida überkam der Schwindel. Ihre Hand streckte sich dem Boden<br />
entgegen, aber die Tochter packte zu. Das Mädchen zerrte an der<br />
Mutter, ohne Erfolg. Die Mutter wollte schreien, so sehr hasste<br />
sie sich dafür.<br />
Sie hob ächzend den Kopf, sah die Kleine, sah, wie all ihre Kraft<br />
ihr nicht half, die Mutter zu retten. Diese Situation war verkehrt<br />
und sie war falsch. Auf ihrem Grund, in ihrem Kern, in ihrer<br />
Essenz war sie falsch, falsch, falsch. Damit hatte das Denken ein<br />
Ende, aber der Gedanke blieb und der Körper bewegte sich.<br />
Mit Hilfe von Amaranta kam Vida auf die Beine. Sie blickte<br />
voraus und sah die alte, von Schlingpflanzen überwachsene<br />
Villa ihrer Kindheit. Das Gebäude stach aus dem Hang wie ein<br />
Fremdkörper, der Haut penetriert. In Fetzen und Teppichen hing<br />
die Bewucherung über den Mauern und vom Dach herab. Das<br />
Erdgeschoss wurde von der Flora im Ganzen verhüllt. Die leeren<br />
Fensterdurchlässe rahmten tiefstes Schwarz. Vida und Amaranta<br />
stiegen über das dichte Netz der Pflanzen, hinauf zu einem<br />
Fenster im ersten Stock und verschwanden in der Dunkelheit.<br />
Die beiden standen am einen Ende des Flures. Ihnen gegenüber,<br />
am anderen Ende, lag eine steinerne Wendeltreppe. In<br />
regelmäßigen Abständen fiel Licht in den Flur und teilte ihn in<br />
helle und dunkle Stücke. Außerhalb flogen Wortfetzen umher.<br />
Die Männer erreichten die Villa. Drei schlugen ihren Weg durch<br />
die Vegetation, um ins Erdgeschoss zu gelangen. Einer folgte<br />
Mutter und Tochter auf direktem Wege ins Innere. Vida schob<br />
ihre Kleine die steinerne Wendeltreppe hinauf, da sah sie den<br />
Mann im Gang stehen, eine Pistole im Anschlag. In ihrer Hast<br />
verrenkte Vida den Oberkörper zu einer Ausweichbewegung. Der<br />
Mann feuerte und vor ihrem Kopf schlug eine Kugel in die Wand.<br />
Steinsplitter sprangen Vida in die Augen und ihr Fuß verfehlte die<br />
nächste Stufe.<br />
Samt Tochter fiel sie rücklings und verkeilte sich, am Fuß der<br />
Wendeltreppe, unter dem Mädchen.<br />
Der Mann brüllte nach seinen Kollegen. Plötzlich wurden außen<br />
mehrere Waffen abgefeuert. Der Mann fuhr herum, ging in<br />
die Knie und drückte sich an die Wand. Von außen hörte man<br />
Gebrüll und Feuerstöße. Vida packte ihre Tochter und raffte sich<br />
energisch auf.<br />
Der Mann behielt Ausgänge und Fenster im Auge, entschied<br />
aber noch einmal auf die Beiden anzulegen. Bevor er den Abzug<br />
betätigte riss ihm eine Kugel das Knie auf. Er kippte in die Mitte<br />
des Ganges und feuerte auf den Mann von der Interna im Fenster.<br />
Eine weitere Kugel drang in seinen Magen, dann schoss er dem<br />
Mann von der Interna in den Hals. Diesen riss die Kugel ansatzlos<br />
aus dem Fenster.<br />
Im Augenwinkel sah Vida den Verwundeten aufstehen. Sie<br />
packte die Kleine und rannte die Wendeltreppe hinauf. Gebückt<br />
humpelte der Mann den beiden hinterher.<br />
Die Wendeltreppe hatte man in die Ecke der alten Villa gebaut.<br />
Über ihr war das Dach eingefallen und zeigte ein großes Loch.<br />
Durch dieses sah man Himmel und Wolken. Am Rand des Loches<br />
stand eine schwere, verrostete Tonne. Am Ende der Treppe<br />
angekommen huschten Mutter und Tochter durch die kahlen,<br />
unverputzten Räume. Schlingpflanzen überwucherten sämtliche<br />
Fenster. Kein Balkon und auch sonst keine Möglichkeit zum<br />
steilen Hang hinter dem Haus hinüberzugelangen: Endstation.<br />
Stufe um Stufe verteilte der Mann ächzend sein Blut. Aber da<br />
war es, das einzige freie Fenster! Vida beugte sich hinaus. Freier<br />
Fall in die Tiefe, keine Chance. Dann sah sie den Pflanzenteppich<br />
wülstig vom Dach herabhängen.<br />
Graue Haut im Gesicht, wackelig auf ein Bein gestützt, arbeitete<br />
sich der Mann die Treppe empor. Unten fiel ein einzelner Schuss<br />
und jemand stöhnte, noch zwei Schüsse und dann herrschte<br />
Stille. Mit letzter Kraft zog Vida ihren Körper am Pflanzenteppich<br />
hinauf auf das Dach. Der Mann erreichte die oberste Stufe und<br />
erblickte die Tochter, wie sie still in der Ecke stand. Er stützte<br />
sich am morschen Holzgeländer und sah nach der Mutter. Das<br />
Bruchstück eines Ziegelsteins schmetterte von oben gegen sein<br />
zerstörtes Knie. Er schrie auf, knickte ein und blickte hoch. Vida<br />
stieß die Tonne über den Rand des Loches im Dach und diese<br />
preschte ihm entgegen. Die Tonne rammte den Mann durch<br />
das Holzgeländer, schmetterte ihn in die Stufen und brach sein<br />
dürres Genick wie einen Zweig.<br />
(bitte umblättern)<br />
für Creative Bogart 9
Madrina Della Luce Taufpatin des Lichts (1II)<br />
Oben auf dem Dach, in den Wolken, stand Vida, die Mutter.<br />
Später beobachteten Vida und Amaranta, wie die Interna den<br />
letzten der Männer verhaftete. Mutter und Tochter traten aus<br />
dem dunklen Inneren der Ruine und hinaus ans Licht. Die Interna<br />
hatte die Ausreise geplant und die Unterbringung eingerichtet.<br />
Der Wagen stand am Straßenrand und die Zukunft wartete.<br />
„Calma-<br />
Die Stille“<br />
Vida Ylenia, die Mutter, und Amaranta Vida Caprice, ihre Tochter,<br />
standen am Ufer des Sees, blickten über das Wasser und es sah<br />
nach Regen aus. Tochter und Mutter waren beieinander und es<br />
war gut, das Flüstern aus der Tiefe verstummt. Dann geschah<br />
etwas Seltenes; lange Jahre hatte Vida die Erinnerung daran<br />
verdrängt: Der Regen kam das Ufer entlang. Sie wandte nicht<br />
den Kopf, in festem Bewusstsein dessen, was da kommen würde.<br />
Der Regen und sein Wolkenreiter, Chaos, sinnlose Hast und<br />
Dunkelheit. Es wird vorübergehen, wusste sie, denn die Kraft war<br />
bei ihr. Der Wind schnitt ihr in die Augen.<br />
Was aber kümmert eine Frau der Wind?<br />
Was kümmert sie der Regen?<br />
„La Fine<br />
das Ende“<br />
Autor:<br />
Markus Singer (markus.singer@live.de)<br />
Fotografie + Bildbearbeitung:<br />
Johannes Wosilat (www.wosilat.de)<br />
Gestaltung:<br />
Anna Maria Wicklein (www.herzblut-studio.de)<br />
Models:<br />
Vida Ylenia Scorrano (Mutter): Elena Beser<br />
Amaranta Vida Caprice (Kind): Sophie Alexandra Beser<br />
© 2011<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
Das Buch oder Teile dieses Textes dürfen ohne die schriftliche Genehmigung<br />
der Herausgeber nicht vervielfältigt, in Datenbanken gespeichert oder in<br />
irgendeiner Form übertragen werden.<br />
Markus Singer<br />
Dipl. Mediendesigner<br />
Seine Welt ist Wort, ist Bild - ist Story.<br />
Den Bachelor of Arts erwarb er 2009 an der Lazi Akademie in<br />
Esslingen am Neckar mit dem Schwerpunkt „Schreiben für den<br />
Film“. Im Anschluss folgte 2010 das weiterführende Studium an<br />
der Interspherial Drehbuchschule in Stuttgart.<br />
Als freiberuflicher Texter und Autor findet er Story in der<br />
Dramatik wie der Lyrik. „Story ist, was uns zu den Menschen<br />
macht, die wir sind. Story ist Kraft.“ Selbsterklärtes Ziel des<br />
jungen Autors ist es ganz nah an diese Kraft zu kommen, dort zu<br />
sein – dort zu arbeiten.<br />
Johannes Wosilat<br />
Dipl. Fotodesigner<br />
„Don‘t think... feel!“<br />
Seit 2008 positioniert Johannes Wosilat Serien wie Einzelwerke<br />
in den Segmenten Werbung, Fashion und People. Leidenschaft<br />
und Innovation verbinden Licht, Mode und Mensch durch<br />
einwandfreies Handwerk, Einfühlungsvermögen und Liebe zum<br />
Detail.<br />
Den Bachelor als Fotodesigner erwarb er 2010 und bestand mit<br />
der „Auszeichnung für hohen Standard“. Kreation nimmt ihren<br />
Anfang in Emotion. Diese Wahrheit schafft das Credo, welches<br />
seinen Arbeiten voransteht: „Don‘t think... feel!“<br />
Anna Maria Wicklein<br />
Dipl. Designerin<br />
(Fotografie + Bildbearbeitung /Gestaltung des Buches)<br />
Nach einer Ausbildung als Mediengestalterin und darauf<br />
folgendem Studium erwarb Anna Wicklein den Bachelor in<br />
Kommunikations- und Grafikdesign 2011 an der Lazi Akademie<br />
in Esslingen mit einer „Auszeichnung für Bestleistungen und<br />
Hohen Standard“. Sie arbeitet als Grafik Designerin in einer<br />
Agentur für Markeninszenierung und Markenkommunikation<br />
und ist nebenher freiberuflich tätig. – Für sie ist Werbung nicht<br />
einfach nur Gestalten, sondern das bewusste Beeinflussen der<br />
unbewussten Gefühle und Gedanken der Menschen.<br />
10 Bogart<br />
Das Mitmachmagazin
für Creative Bogart 11
Alex Heitz: lebendige bilder ganz eigener Art<br />
Es macht mir Spaß mit Menschen zu arbeiten<br />
und Ideen in entspannter und lockerer<br />
Atmosphäre, gemeinsam umzusetzen.<br />
Wenn mich das Thema anspricht, setze ich auch<br />
gerne ausgefallene Ideen um, selbst wenn das<br />
Shooting dadurch wesentlich aufwändiger wird.<br />
Mit meinen Bildern versuche ich Emotionen festzuhalten,<br />
manchmal abseits des Mainstreams.<br />
Denn dies ist es was ein Foto ausmacht…es soll<br />
die Realität des Menschen darstellen und nicht<br />
das was von ihm erwartet wird. Es soll ihn von<br />
seiner natürlichen Seite zeigen. Ein Foto von seinem<br />
„Inneren“. Ein gutes Foto hält den Augenblick<br />
fest und ist ebenso für die Ewigkeit.<br />
Kontakt: malandro-photodesign.de<br />
Alex Heitz<br />
12 Bogart<br />
Mitmachmagazin
für Creative Bogart 13
Ralf schweiger: "Mitmenschen"<br />
Das malerische Œuvre Ralf Schweigers (Jahrgang<br />
1967) ist im hier gezeigten Ausschnitt – entstanden<br />
ab 2007 – dem mimischen Akzent und der Körperlichkeit<br />
gewidmet. Pendelnd zwischen expressionistischer<br />
Individualfixierung und eher einer das Allgemeine markierenden<br />
Malweise (Öl bzw. Öl/Acryl auf Leinwand), findet<br />
der Künstler im Portrait und der körperlichen Geste seine<br />
Selbstporträt: "Marathon" narrativen Verbindlichkeiten.<br />
In heiterem Gelb-Orange-Tonus fixiert Maler Schweiger die subtile Vertrautheit<br />
eines älteren Paares; in scharfem Expressionismus, läßt der pointierungssichere<br />
Künstler eine junge Frau sowohl elegisch als auch skeptisch aus einem Fenster<br />
blicken. Die Weißhöhungen des Körperlichen korrespondieren treffsicher mit der<br />
Schwärze des Fensterrahmens und des uniformen Hintergrundes. Ein Kolumbianer,<br />
mit scharfem Farb- und Konturtonus fast statuarisch angelegt, blickt lebensgegerbt<br />
auf eine Situation...<br />
Ein Liebespaar, zwar entindividualisiert, verschmilzt durch gleichsam lodernde<br />
Farbgesten und expressives Körperspiel. Und selbst die in Filmen und Photos totbanalisierte<br />
Ausziehaktivität einer jungen Frau gewinnt durch Schweiger-typische<br />
Malmodi wie Stilisierung, Weißhöhung (Kontrasteffektivität!) und das "Einfrieren"<br />
des Szenischen ihren überwirklichen Reiz.<br />
Der Betrachter erkennt in des Malers Kunst-Welten – angelegt im 30/25 cm bis<br />
70/50 cm Format – eine Sehnsucht nach den Vielfältigkeiten des humanen Ausdrucks<br />
und Miteinanders. Hans-Michael Kirstein<br />
Erotik<br />
14 Bogart<br />
Das Mitmachmagazin
MALEREI<br />
Blick<br />
Zeit<br />
Indio<br />
In seiner Zeit von 1996-2007 am Institut für Medizinische<br />
Informatik der Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
arbeitete der gebürtige Crailsheimer an mehreren internationalen<br />
Projekten mit und beschäftigte sich vorwiegend<br />
mit den Perspektiven neuer Internet-Technologien in der<br />
Medizin. Der Privatdozent der JLU ist aktuell mit Nachhilfeunterricht<br />
in mathematisch/naturwissenschaftlichen<br />
Fächern tätig.<br />
Unter dem Slogan "Wir fi nden Ihr Wissen" entwickelt Ralf<br />
Schweiger als Geschäftsführer der Schweizer LuMriX.net<br />
GmbH seit 2003 maßgeschneiderte Add-ons zur Verbesserung<br />
"klassischer" Suchmaschinenergebnsisse für vielschichtige<br />
Anwendergruppen.<br />
Neben seinen Forschungen an Gravitationstheorien ist die<br />
Malerei als Gegenpol zur mathematisch-informatischen<br />
Tätigkeit seine große Leidenschaft und damit Teil seines<br />
individualistischen Lebensstils, der sich auch in gastronomischer<br />
Dienst- und höchster Kunstfertigkeit am Kickertisch im<br />
KLIMBIM ausdrückt.<br />
Jeans<br />
für Creative<br />
Bogart Bogart 15<br />
7
EVERYBODY 'S PLAYING POP-MUZIK – Hans-Michael Kirstein 2013
Ulrike Melzer "Grosstadt-Paranoia"<br />
Foto: Reinhard Müller-Rode<br />
SCHREIBEN – das bedeutet für mich beobachten, wahrnehmen,<br />
die Augen als Kamera benutzen. Gedichte sind dann<br />
Filme, die jeder Zuhörer und Leser mit seinen Interpretationen<br />
und Vorstellungen zu seinen Filmen machen kann. Dichtung<br />
kann soviel; nämlich das ausdrücken, was mit unserer Alltagssprache<br />
nicht erfasst werden kann. Die Wahrheit aussprechen,<br />
die zwischen Realität und Traum liegt. Beim Dichten spricht das<br />
Unterbewusstsein und so ist man schonungslos ehrlich. Gute<br />
Gedichte sollten wehtun, verstören, glücklich machen, verärgern.<br />
Alles ist besser als nett, unterhaltend und belanglos sein.<br />
In meinem Gedichtband „Stadt“ mit Fotos von Evi Rebekka<br />
(Frankfurt) habe ich mir über das Leben in Städten Gedanken<br />
gemacht. In Städten treffen Welten aufeinander:<br />
Kultur, Geschichte, Gegenwart.<br />
Sehenswürdigkeiten, Touristen, Migranten,<br />
Armut, Kriminalität. – Wie<br />
nahe sind sich diese Welten? Woher<br />
kommt das Geld, mit dem unsere<br />
Städte touristengerecht aufgehübscht<br />
werden? Welche Wahrheit<br />
ist näher dran an der Wahrheit? Die<br />
der Straße, oder die des Museums?<br />
Und damit in Bezug gebracht, das<br />
Gefühl wachsender Paranoia – nicht<br />
nur als Lebensgefühl großstädtischen<br />
Lebens, vielmehr als Lebensgefühl<br />
unserer Zeit. Nachlesen<br />
und -denken lässt<br />
sich das z.B. in KARMA<br />
auf einer praktischen Leinentragetasche<br />
für 3 €.<br />
Seit 2005 arbeite ich an<br />
einem Roman: „Filme<br />
fahren“. Er handelt von<br />
drei jungen Menschen,<br />
die Mitte der 90er Jahre<br />
in Berlin erwachsen werden,<br />
um drei Menschen,<br />
die schon erwachsen<br />
sind, sich jedoch nach<br />
der Wende wieder neu<br />
finden müssen. Um<br />
Freundschaft, Liebe und<br />
den Unterschied zwischen<br />
Traum und Wirklichkeit.<br />
Um Menschen<br />
und ihre Illusionen. Anfang 2014 wird der "Erstling" fertig gestellt<br />
sein.<br />
In der kulturellen Veranstaltungsreihe Gutes Hausgemachtes<br />
von Patricia Stasch und Alexander Liebe hatte ich jetzt im Ulenspiegel<br />
erstmals Gelegenheit, mich dem aufmerksamen Gießener<br />
Publikum mit einem Beitrag vorzustellen, was ich gern<br />
- auch bei anderen Anlässen - wiederholen werde.<br />
Im Rahmen des Projekts "Free School Gießen" habe ich eine<br />
Autorengruppe gegründet: Textperimente in der Schreibwerkstatt.<br />
Wir treffen uns jeden Mittwoch 19 Uhr im Café Giramondi<br />
um unser Texte zu kritisieren, uns auszutauschen und Lesungen<br />
zu planen. Jeder ist willkommen.<br />
Kontakt: mailto:u.melzer@live.de bzw. ulrike melzer<br />
Foto: Susanne Engelbach<br />
Was eine/n gute/n SingerSongwriter/in ausmacht heißt<br />
Berühren, mit Texten und Musik. Und das geht nur, wenn<br />
man authentisch ist. Hanna Karafoulidis aus Wetzlar und<br />
Nine Hippinen aus Gießen beeindrucken auf ganz unterschiedliche Art<br />
und Weise mit ihren Songs. Beide haben etwas ganz Wichtiges gemeinsam:<br />
Die Leidenschaft für Musik.<br />
„Mein erster Song hieß Mirror on the Wall erzählt Hanna, „der ist entstanden,<br />
als es mir nicht so gutging und ich krank war. Ich war am Boden zerstört, konnte<br />
nicht mehr lachen, hatte keine Hoffnung und wollte, das mein Leben endlich<br />
zuende geht. Das klingt alles sehr dramatisch, aber dennoch ist das einer meiner<br />
Songs die mir am meisten Kraft gegeben und mir selbst gezeigt hat, das alles<br />
gut wird."<br />
"Ich habe die Musik benutzt, um Situationen zu verarbeiten" sagt auch Nine<br />
Hippinen. "Begonnen hat es damit, dass ich mich 2009 von meinem Freund und<br />
seinem Fernseher trennte und gleichzeitig eine andere Einstellung zum Leben<br />
entdeckte. Außerdem lernte ich Menschen kennen, die das Beste in mir zum<br />
Vorschein brachten – die Musik." Aus diesen Situationen entstanden nicht etwa<br />
depressive Selbstbespiegelungslieder, sondern positives, lebensbejahendes,<br />
ironisch-lustiges deutschsprachiges Liedermachergut.<br />
"Mich hatte seinerzeit die belgische Band K´s Choice beeinfl usst", beschreibt<br />
Hanna ihre musikalische Ausgangsposition. "Ich konnte schon etwas Gitarre<br />
spielen und fand schon immer, dass die englische Sprache gesungen besser<br />
klingt. Als in jungen Jahren die erste große Liebe auseinander ging, hat mich das<br />
dazu inspiriert hat, meinem Schmerz irgendwie Luft zu machen. Klappt bis heute<br />
auch immer noch ganz gut."<br />
Hanna probierte sich durch viele verschiedene Stilrichtungen, trat mit Cover-<br />
Versionen in Kneipen und Pubs auf. Als sie ihre Band gründete, wurde ihr Stil<br />
etwas rockiger und eigene Songs ersetzten die Coversongs. "Juan, unseren<br />
Schlagzeuger, habe ich über die Musikerzentrale kennengelernt, für die ich gearbeitet<br />
habe. Nils, der gerade die Gitarre für mein Album einspielt, kenne ich<br />
schon seit meiner Jugend, Wetzlar ist eben nicht so groß. Als Musiker läuft man<br />
sich ständig über den Weg. Und Flo, unser Bassist, wohnt bei mir um die Ecke,<br />
den kenne ich schon ewig."<br />
"Ich bin kein Großstadtmensch, ich mag es viele Menschen zu kennen und<br />
an vertrauten Orten zu sein. Vielleicht hat man in Berlin und Hamburg bessere<br />
Chancen, keine Frage, aber dort ist man im privaten Leben anonym, deshalb<br />
kann ich mir das nicht vorstellen. Wetzlar ist zwar nicht die schönste Stadt, aber<br />
sie hat viele tolle Orte und Menschen, die ich nicht missen möchte."<br />
Der erste Song, den ich von Hanna hörte, habe ich auf YOUTUBE entdeckt,<br />
er heißt Lullaby. Man vergisst alles andere, hört nur noch zu. Eben keine nette<br />
Begleitmusik beim Putzen sondern intensiv, positiv und – schön. "Hauptsächlich<br />
schreibe ich die Musik nicht, um mich zu verkaufen oder in den Mittelpunkt<br />
zu stellen. Alle Songs die ich schreibe, basieren auf persönlichen Ereignissen.<br />
Mir fällt es z.B. leicht, Anderen ihre Fehler zu vergeben, bei sich selbst ist das<br />
gar nicht so einfach – ich kann mir Fehler nicht verzeihen. Es geht in meinen<br />
Liedern viel um Hoffnungen und Vergebungen, die mich selbst beschäftigen.<br />
Andere habe ich z.B. meinem Vater gewidmet (Perfect Dad), weil ich fi nde, dass<br />
besondere Menschen so etwas verdient haben: Das zu würdigen, was man hat.<br />
Ich schreibe aber nicht nur dramatische Texte, es sind auch ironische dabei, wie<br />
z.B. Artifi cial, wo es darum geht, dass die meisten Menschen doch eher nach<br />
blondierten Mädels schauen, die geschminkt und gestylt sind, anstatt auch mal<br />
die zu beachten, die zwar nicht gestylt sind, aber wesentlich mehr zu bieten<br />
haben, als ein Lipglossiges Barbie-Lächeln."<br />
<strong>18</strong> <strong>BOGART</strong> Das Mitmachmagazin
HEIMISCHE LIEDERMACHERINNEN: IMMER UNTERWEGS....<br />
Hanna und ihre Band, die sich<br />
ganz schlicht HANNA SINGER<br />
SONG WRITER nennen, arbeiten gerade<br />
an einem Album: "Ich freue mich<br />
schon riesig darauf. Es wird eine Mischung aus<br />
rockigeren Sachen und Balladen. Einige davon kann<br />
man schon auf Facebook hören, wenn man nach<br />
Hanna-Singer-Songwriter sucht."<br />
Auch ein Video zu Perfect Dad wird gedreht. Die<br />
Themen der Songs bleiben weiterhin dramatisch,<br />
lustig, traurig, erwartungsvoll – eben so, wie im<br />
richtigen Leben: "Es geht bei vielen Liedern einfach<br />
um Hoffnungen, die man noch im Herzen trägt, um<br />
Liebe und Glück, aber auch um Schmerz und Trennungen,<br />
die ich in meinen Songs verarbeite. Don´t<br />
let go ist einer der Songs, die am meisten berühren,<br />
wie ich fi nde. Man hat irgendwann im Leben einen<br />
Riesenfehler gemacht und dadurch einen wichtigen<br />
und wertvollen Menschen verloren. Mit diesem<br />
Wissen umzugehen, raubt einem selbst nach Jahren<br />
noch den Verstand. Es gibt aber auch Songs<br />
wie Little Everything, welches ich meinem Partner<br />
gewidmet habe. Jeder kann darin nachvollziehen,<br />
wie man sich fühlt, wenn man geliebt wird und sich<br />
doch selbst wundert, warum das so ist."<br />
Steigt auch die Aufmerksamkeit für die sich zeitgeistig<br />
stets wandelnde "Szene" bei ihren großen<br />
und kleinen Gigs, ist ein möglicher Karrieresprung<br />
nur schwerlich planbar. Die walisische Sängerin und<br />
Songschreiberin Marina and the<br />
Diamonds fl og von Schulen,<br />
brach Ausbildungen<br />
Für mein<br />
wunderbares Leben<br />
hab' ich mich doch<br />
selbst entschieden...<br />
nach dem Beziehungsschluss erstmal allein: "Ich<br />
hockte viel Zuhause und hatte mir das Keyboard<br />
meines Bruders geliehen. Zu dieser Zeit dachte ich<br />
oft über das Handeln bestimmter Personen und<br />
über mein eigenes Verhalten nach, schrieb meine<br />
Gedanken auf, woraus derText für Wahrheit auf<br />
der Stirn entstand. Keyboard spielen oder Noten<br />
lesen konnte ich nicht, aber ich wollte ja auch nicht<br />
ernsthaft ein Lied schreiben. Trotzdem fand ich auf<br />
den Tasten eine Melodie, die ich mir merkte, indem<br />
ich verschiedenfarbige Punkte auf die Tasten klebte.<br />
Später hatte ich keine Lust mehr auf das Keyboard<br />
und spielte das Lied auf der Gitarre. Bücher zu lesen<br />
kann einen Schub für die<br />
Phantasie bedeuten. Sie<br />
können ebenso eine Inspiration<br />
sein. Ich kann<br />
mich in Texten wie in Liedern wiederfi nden, einen<br />
Anstoß für etwas Eigenes fi nden. Grundsätzlich lese<br />
ich gern, noch lieber lese ich vor. Der Grund dafür,<br />
dass ich auf deutsch singe, ist aber schlicht und<br />
einfach, dass mein Englisch nicht ausreicht, um die<br />
Bilder in meinem Kopf ausreichend zu umschreiben.<br />
Außerdem habe ich als Erzieherin das Reden<br />
verinnerlicht."<br />
MusikerInnen haben Nine nicht beeinfl usst, obwohl<br />
es natürlich viele gibt, die sie bewundert. Es<br />
waren eher Menschen in ihrer Nähe, die sie unterstützten<br />
und sie ermutigten, mit der Musik weiterzumachen.<br />
"Aus Veränderungen<br />
entstehen gute Sachen..."<br />
Wieske als 2 VON WIR Musik zu machen. Mit Alena<br />
spielte ich auch eigene Lieder, die für die Band<br />
weniger geeignet schienen. Die Notlösung bestand<br />
darin, diese beiden Projekte zu verbinden. Zum<br />
Glück stellte sich heraus, das diese Notlösung die<br />
beste Idee überhaupt gewesen ist. Damit bekamen<br />
meine Lieder endlich den richtigen Klang, E-Gitarre<br />
und Baß wurden durch eine weitere Akustikgitarre<br />
und eine zweite Stimme ersetzt. In etwa drei Jahren<br />
haben sich die Lieder immer wieder verändert<br />
und scheinen (nicht alle) jetzt erst endlich fertig zu<br />
sein. Das Saxophon und auch die Geige mag ich<br />
nicht mehr missen. Aber erst dadurch, das jedes<br />
Bandmitglied einen eigenen<br />
Charakter in die Songs einbringt,<br />
werden sie für mich<br />
besonders."<br />
Live konnte man das besonders gut bei Oktober-<br />
Auftritt der Band in der Alten Kupferschmiede erleben.<br />
Von Konzertbeginn an, fesselten Nine und<br />
Band das Publikum. Ihre Songs entfalteten hier<br />
ihren "wahren "Charakter und sind kein Vergleich<br />
zu ihren Versionen, die auf Youtube zu hören sind.<br />
Geschichten über und von Menschen, mal spaßig,<br />
mal nachdenklich und immer berührend.<br />
Mit diesem grandiosen Auftritt verabschiedeten<br />
sich Nine Hippinen und Alena Wieske gleichzeitig<br />
für geraume Zeit von Gießen. Sie geben dem<br />
Fernweh nach und reisen ein Jahr durch Südamerika.<br />
Ob und wie die Band danach weiterexistieren<br />
Begleitmusiker beim "Abschiedskonzert":<br />
Lukas Künkel (l.), Eva Böckenhauer, Stephan<br />
ab, war arbeitslos und ihr Umfeld war der Meinung<br />
sie könne nicht singen... Ihr Debütalbum The Family "Im Sommer 2010<br />
Jewels erreichte 2010 Platz 5 der englischen Albumcharts.<br />
UND<br />
war ich auf dem STURM<br />
Pussel<br />
KLANG - Festival in<br />
Gerade in den Phasen der Selbstfi ndung entstehen<br />
Songs mit denen sich Jeder identifi zieren kann. auf einer Wiese und schaute einem Künstler beim<br />
Gießen, saß ungefähr drei Tage<br />
Nine Hippinen beschreibt in ihrem Lied Spiegel die Zeichnen zu. Wir kamen ins Gespräch, ein Freund<br />
perfekte Spießeridylle, den latenten Traum auszubrechen,<br />
der von dem Gedanken verdrängt wird "... wurden eine Band. Zusammen mit Stephan Pussel<br />
von ihm kam dazu, ich holte meine Gitarre und wir<br />
dass es Fernweh doch gar nicht gibt wenn man bei waren wir dann DER TEIL."<br />
dem Menschen ist den man liebt." Ein fast literarischer<br />
Text frei von platten Klischees, subtil, ironisch, auch der Name zu Hörensagen. Nach ein paar Mo-<br />
Die Bandkonstellation veränderte sich, mit dieser<br />
traurig.<br />
naten schien sich die Band aufzulösen, ein paar Wochen<br />
vor einem etwas größerem Konzert. Aber zu<br />
Wer solche Songs schreibt, muss erlebt haben,<br />
worüber er singt und schreibt: Nine Hippinen blieb diesem Zeitpunkt hatte ich angefangen, mit Alena<br />
Ich habe kein<br />
Fernweh, kann gar<br />
nicht sein, ich bin<br />
vollkommen zufrieden.<br />
aus: Der Spiegel<br />
wird, ist noch nicht klar. "Erstmal<br />
muß ich mich entscheiden, wo ich<br />
nach Südamerika leben möchte. Ich denke,<br />
2 VON WIR bleibt danach und auch während der<br />
Reise bestehen. Aber HÖRENSAGEN wird es danach<br />
in dieser Konstellation vermutlich nicht mehr<br />
geben. Das ist schade, weil ich das Glück habe, mit<br />
Freunden Musik zu machen. Aber ich habe in recht<br />
kurzer Zeit gelernt, dass aus Veränderungen gute<br />
Sachen entstehen können."<br />
Dieser Satz gilt für gleichermaßen für beide Musikerinnen.<br />
Wenn Musik eine Botschaft hat, dann<br />
diese.<br />
Ulrike Melzer<br />
Fotos: Reinhard Müller-Rode<br />
für Creative<br />
Bogart 19
POPCORNER<br />
Er hat die Regler des Mischpults unter<br />
seiner Gewalt und seine Arbeit ist ganz<br />
entscheidend für eine Aufnahme. Er hat<br />
das Gehör dafür wie eine Aufnahme klingen<br />
muss, denn junge Musiker haben oftmals<br />
keine Ahnung wie eine gelungene Aufnahme<br />
funktioniert. Einer dieser herausragenden<br />
Produzenten war und ist Sir George Martin,<br />
der britische Gentleman, der beschlipste Perfektionist,<br />
der als fünfter Beatle zu Weltruhm<br />
kam und den Typus des Platten-Produzenten<br />
in eine neue Richtung lenkte. In seinen 1979<br />
geschriebenen und nun in deutsch erschienenen<br />
Memoiren gibt er Einblick in eine Welt,<br />
die den Normalsterblichen oft versagt bleibt:<br />
das Tonstudio. 1950 begann der inzwischen<br />
fast 88jährige Martin seine Karriere bei dem<br />
Label Parlophone, einer Unterabteilung der<br />
berüchtigten EMI. Parlophone war ansässig<br />
in den Abbey Road Studios in London. Wenn<br />
man liest wie Martin begann, hat man den<br />
Eindruck, tief in eine vergessene, alte Zeit zu<br />
schauen. Ein Mischpult mit maximal zwei Reglern<br />
war der stolze Besitz der Plattenfirma,<br />
Stereo gab es noch nicht und die Aufnahmen<br />
wurden mit nur einem Mikrofon vollzogen,<br />
vor dem die Musiker live und in einem Rutsch<br />
ihre Musik einspielten und sangen.<br />
Als 1962 die jungen Beatles das Studio betraten und auf<br />
George Martin trafen, soll es sich zwischen den rauen<br />
Rockern und dem Produzenden-Gentleman um „Liebe<br />
auf den ersten Blick“ gehandelt haben. Martin war für<br />
die damalige Zeit ein ungewöhnlich aufgeschlossener<br />
und neugieriger Produzent, der mit alten Regeln brechen<br />
und experimentieren wollte. Aufzubegehren war<br />
nicht sein Ziel, sondern es ging ihm stets nur um die<br />
George Martin<br />
Es begann<br />
in der Abbey Road<br />
ca. 336 Seiten,<br />
Klappenbroschur<br />
Format: 24 x 16<br />
24,99 EUR<br />
Der fünfte Beatle:<br />
George Martin öffnet seine<br />
musikalische Schatztruhe<br />
Ein Platten-Produzent hat den<br />
Musiker in der Hand.<br />
gelungene Aufnahme. Mit der Zeit lernte George Martin,<br />
die immer fantastischeren Ideen der vier Beatles in<br />
Töne umzusetzen. Dabei half ihm seine klassische Musik-Ausbildung,<br />
die John, Paul, George und Ringo nicht<br />
hatten. Mit dem inzwischen auf vier Spuren und Stereo<br />
angewachsenen Mischpult und dem Einsatz von zwei<br />
oder mehr Mikrofonen entwickelte Martin eine nahezu<br />
geniale Gabe, Geräusche zu produzieren, die nie zuvor<br />
auf Aufnahmen zu hören waren. Wer sich heute das<br />
Beatles-Meisterwerk „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club<br />
Band“ anhört, käme man nie auf die Idee, dass hier nur<br />
vier Tonspuren am Werk waren. Der Trick: Man nehme<br />
verschiedene Tonspuren auf und mischt sie alle zusammen<br />
auf die erste Tonspur, so hat man wieder drei frei<br />
für weitere Aufnahmen. George Martin zerschnippelte<br />
Bänder und fügte sie wahllos wieder zusammen um<br />
Effekte zu bekommen: er spielte Aufnahmen rückwärts<br />
ab, er zwang ein 40 Mann Orchester jedes einzelne<br />
Instrument vom tiefsten bis zum höchsten Ton zu<br />
spielen, um einen Effekt-Höhepunkt zu erreichen.<br />
Alles zu hören auf „Sgt. Pepper“. Und wenn die<br />
musikalische Leistung der Beatles nicht ausreichte<br />
schrieb er neue Arrangements oder haute selbst<br />
in die Tasten. Es gibt viele bekannte Aufnahmen<br />
der Beatles auf denen Martins Klavierspiel zu<br />
hören ist.<br />
Im Laufe der Jahrzehnte wurde Sir George Martin<br />
zum Superstar und ließ außer den Beatles auch andere<br />
Stars glänzen wie Gerry and the Pacemakers (You'll<br />
Never Walk Alone), Shirley Bassey (Goldfi nger), Filmund<br />
Titelmusik (James Bond: Live And Let Die) und<br />
schließlich seine größte Entdeckung: ein gewisser Elton<br />
John, mit dem er u.a. 1997 die erfolgreichste Single aller<br />
Zeiten aufnahm: die Lady Diana-Version von Candle In<br />
The Wind.<br />
Das Buch Es begann in der Abbey Road ist nicht nur für<br />
Musik- und Beatles-Fans aufschlusstreich sondern auch<br />
für technisch Begeisterte. Was ist Schall? Was passiert<br />
mit einem Ton in einem Mikrofon? Was IST überhaupt<br />
ein Mikrofon und wie funktioniert es? Man begibt sich<br />
auf eine Zeitreise in die vorsintfl utlichen Aufnahme-<br />
Techniken und bekommt einen Einblick in die technische<br />
Entwicklung bis heute. Angereichert sind Martins<br />
Erinnerungen mit zahlreichen Anekdoten über Peter<br />
Sellers, Peter Ustinov bis hin zu Sophia Loren und die<br />
Beatles... denn alle produzierten Schallwellen für George<br />
Martin, der sie dankbar auffi ng und zusammenfügte.<br />
Sascha A. Wanke<br />
Unter der Adresse 3 ABBEY ROAD, St.<br />
John’s Wood (City of Westminster), London<br />
NW8 9AY, verbarg sich zunächst ein <strong>18</strong>30<br />
errichtetes Wohngebäude im georgianischen<br />
Baustil, das am 3. Dezember 1929 von der<br />
mit EMI fusionierten The Gramophone<br />
Company Ltd. erworben und in ein<br />
TONSTUDIO umgebaut wurde. Es eröffnete<br />
am 12. November 1931mit der ersten<br />
Aufnahme The Land of Hope and Glory des<br />
London Symphony Orchestra spektakulär.<br />
Zwischen 1952, dem ersten Jahr der<br />
Aufzeichnung einer Hitparade in<br />
Großbritannien, und 1982 produzierte u.a.<br />
George Martin in den Abbey Road-Studios<br />
74 Nummer-Eins-Hits, davon 15 der Beatles.<br />
Abbey Road hieß das elfte Album der Beatles<br />
(1969), das gleichzeitig den auf dem Cover<br />
abgebildeten Zebrastreifen weltberühmt<br />
machte, über den dabei die Fab Four im<br />
Gänsemarsch zur anderen Straßenseite<br />
schritten.<br />
Im Februar 2010 wurden die Tonstudios zu<br />
einem historischen Gebäude erklärt und unter<br />
Denkmalschutz gestellt (Quelle: Wikipedia).<br />
Die legendären Abbey Road-Studios nahm Bogart-Fachautor Sascha A. Wanke 1993 im Sinne des<br />
Wortes s/w aufs Korn. 2012 zeichnete "unser" Hamburger Fotograf PAUL das Szenario digital nach.<br />
für Creative<br />
Bogart 21
Musenkeller: Beifall ist des Kuenstlers Lohn<br />
Noch am:<br />
6., 7., 13., 14. Dez. 2013<br />
20.00 Uhr<br />
V.l.n.r.: Dominik Heinrichs (Inspektor Troughton), Annette Filippi (Barbara Smith), Nina Gehring (Mary Smith), Christian Henkel (Stanley Gardner),<br />
Dominik Müller (John Smith), Michael Müller (Inspector Porterhouse), Michael Beyer (Bobby Franklin), Hanna Weller (Reporterin)<br />
Fotos: Reinhard Müller-Rode<br />
Natürlich können Theaterfreunde<br />
im Gießener Stadttheater tolle<br />
Inszenierungen erleben. Doch<br />
was wäre eine Stadt ohne ihre Off-<br />
Theater? Und diese hierorts sehr rührige<br />
Szene verfügt u.a. im MUSENKELLER der<br />
St. Bonifatius-Kirche (Liebigstraße 28)<br />
über eine inzwischen traditionelle Aufführungsstätte.<br />
Aus einer Jugendtheatergruppe<br />
der katholischen Kirche hatte<br />
sich vor vielen Jahren etwas Eigenständiges<br />
entwickelt. Die Zuschauer sind<br />
stets begeistert, denn hier wird weder<br />
belangloses Boulevardtheater geboten,<br />
noch soll Theatergeschichte neu geschrieben<br />
werden. Eine Gruppe von<br />
Freunden, die Spaß am Theaterspielen<br />
hat und diese Freude auch dem Publikum<br />
vermittelt – das macht den besonderen<br />
Charme des Musenkeller aus.<br />
Die Stücke werden gemeinsam ausgesucht, besprochen,<br />
gemeinsam wird die Entscheidung<br />
getroffen, was aufgeführt wird. „Jeder kann seine<br />
Ideen und Fähigkeiten selbst einbringen“,<br />
sagt Regisseur Guy Sagnes (l.).<br />
Er sieht sich mehr als „Koordinator denn<br />
als Gestalter“, ist eher zufällig zur Regieführung<br />
gekommen. Er war Schauspieler<br />
beim Jugendtheaterprojekt Wetzlar und<br />
übernahm die Regie beim Stück Die letzten<br />
Kinder von Schewenborn, nutzte die<br />
Chance und blieb dabei.<br />
Zwischen 1991 und 1999 führte er Regie in<br />
Wetzlar, seit 2007 ist er beim Musenkeller tätig.<br />
Weder Guy Sagnes, noch das Ensemble des<br />
Musenkellers gehen mit übersteigerten Ambitionen<br />
oder Erwartungen "ans Werk" – vielleicht<br />
kommen sie gerade durch diese Unverkrampfheit<br />
glaubhaft rüber und beim Publikum stets gut<br />
an. „Es gibt keinen Regisseur den ich idealistisch<br />
bewundere. Ich habe immer Interesse daran gehabt,<br />
mit Anderen etwas gemeinsam zu entwikkeln.<br />
Ich mag die creative Teamarbeit und starke<br />
Harmonie, freue mich über die offene Möglichkeit,<br />
jeden mit seinen Talenten einbeziehen zu<br />
können."<br />
So sehen es auch die Darsteller: „Das Gruppengefühl<br />
ist einfach gut. Klar gehe ich auch ins<br />
Stadttheater oder ins TiL, sehe mir gern gute Inszenierungen<br />
an“, sagt Dominik Heinrichs.<br />
„Doch ich hatte niemals den Traum Schauspieler<br />
zu werden. 2004 habe ich angefangen, im Musenkeller<br />
zu soufflieren. 2007 habe ich dann<br />
meine erste Rolle gespielt: Simon Gascocyne in<br />
Der wahre Inspector Hound. Eigentlich kann ich<br />
keine besondere Rolle meines bisherigen Repertoires<br />
rauspicken. Der aufregendste Moment ist<br />
stets, kurz vor dem ersten eigenen Auftritt hinter<br />
der Bühne zu stehen und zu wissen: Gleich<br />
geht’s los. Ich würde gern mal einen dunklen<br />
Charakter darstellen, oder einen vollkommen<br />
Wahnsinnigen, der ins Humorvolle abdriftet.“<br />
Schauspielernde Idole hat das Musenkellerensemble<br />
nicht. „Die Mitwirkenden sind für mich<br />
Beispiel gebend“, sagt Michael Müller. „Das<br />
Wort Vorbild gefällt mir nicht besonders“, sagt<br />
Dominik Müller, der schon seit 1997 dabei<br />
ist. Ich bewundere und schätzt edie schauspielerischen<br />
Leistungen eines Joachim Króls. „Vor<br />
allem in Zugvögel...einmal nach Inari – großes<br />
Kino im besten Wortsinn.“ Noch gut kann er sich<br />
an seine erste Rolle im Die Physiker von Dürrenmatt<br />
erinnern kann: „Ich spielte den jüngsten der<br />
drei Buben des Physikers Möbius. Das Stück<br />
sieht ein Flötenständchen vor, welches die Jungs<br />
ihrem Vater mit Innigkeit vortragen. Mangels<br />
instrumentaler Befähigung wurde daraus eine<br />
Gesangseinlage intoniert (Nehmt Abschied Brüder...),<br />
was diesen Part wohl erst richtig verdarb...“.<br />
Intelligent-humorige<br />
Gesellschaftkritik<br />
Wenn es bei der Auswahl der Stücke einen roten<br />
Faden gibt, dann ist es wohl die Absicht, Humor<br />
und Unterhaltung zu bieten, die den Zuschauer<br />
fordert, intelligent-humorige Gesellschaftskritik.<br />
Diese Elemente zeigen sich bei Die Millionärin<br />
(2012) von Bernard Shaw, Die Toscana Therapie<br />
(2011) von Robert Gernhardt, genauso wie<br />
bei Ray Cooney, dessen turbulente Komödie Run<br />
for your Wife – Doppelt leben hält besser im<br />
November und Dezember 2013 insgesamt<br />
zehnmal über die Bühne geht und mit erleben<br />
läßt, was passiert, wenn der Stundenplan eines<br />
Bigamisten durcheinander gerät. In erster Linie<br />
geht es um gute Unterhaltung, nicht seicht, nicht<br />
kitschig, sondern intelligent, ironisch, absurd.<br />
„Das Gesamtbild muss stimmen“ so Sagnes. Die<br />
Geschichte, das Bühnenbild, Stimmung und die<br />
Umsetzung gehören zusammen.<br />
Und diese Geschlossenheit wird<br />
sicher auch dadurch begünstigt,<br />
weil der Musenkeller kein Theatersaal,<br />
sondern ein kleiner, gemütlicher<br />
Raum mit Bar ist. „Wir<br />
sind nicht weit entfernt vom Publikum,<br />
es ist eine größere Nähe<br />
da, als es beim Theater sonst üblich<br />
ist“, sagt Dominik Heinrichs.<br />
Wir verschwinden auch nicht<br />
nach der Aufführung, man kann<br />
auf uns zukommen, mit uns sprechen.“<br />
Auch wenn die Zusammensetzung des Musenkeller-Ensembles<br />
immer wieder variiert, es gibt<br />
auch Schauspieler, die schon sehr lange dabei<br />
sind, wie Annette Filippi. „Das erste Stück, in<br />
dem ich mitspielte, war Der nackte Wahnsinn<br />
(1994) von Michael Frayn. Wir haben es nach<br />
zwei Jahren harter Probearbeit auf die Bühne<br />
gebracht. Ich hatte zu dieser Zeit große Lust, die<br />
Schauspielerei einmal auszuprobieren. Zu meinem<br />
Glück hatten sich in der katholischen Jugend<br />
gerade ein paar spielwütige Jugendliche<br />
samt Regisseur zusammengetan, die die alte<br />
Tradition des Theaters im Musenkeller wieder<br />
aufleben lassen wollten.“<br />
Der Musenkeller ist weder eine nette Hobbygruppe,<br />
noch eine Brutstätte für aufstrebende Schauspieltalente.<br />
Man kann hier sehr talentierten<br />
Menschen dabei zusehen, wie sie nur aus Spaß<br />
am Schauspielern, anspruchsvolle, lustige Theaterstücke<br />
auf die Bühne bringen. Dominik Müller<br />
spiegelt den trockenen Humor und Understatement<br />
der Gruppe am besten wieder, wenn er<br />
sagt: „Der aufregendste Moment einer Aufführung<br />
ist für mich der Augenblick, wenn die Zuschauer<br />
tatsächlich aus der Pause zurückkommen.“<br />
Und der lang anhaltende Beifall des stets ausverkauften<br />
Hauses am Schluß der Aufführung<br />
wird als "Künstlers Lohn" natürlich immer gern<br />
genommen...<br />
Ulrike Melzer<br />
22 Bogart Das Mitmachmagazin
ist dieser Tilman Valentin<br />
Schweiger, der am 19. Dezem-<br />
2013 seinen 50. Geburtstag Wber<br />
feiern wird? Was treibt ihn an? Woher rührt<br />
seine Rastlosigkeit? Warum löst er so starke<br />
Reaktionen aus?<br />
In seinem Buch „Til Schweiger: Der Mann, n,<br />
der bewegt“ porträtiert Uwe Killing den Menschen<br />
und leidenschaftlichen Kino-Liebhaber ber<br />
hinter den Schlagzeilen. Er zeigt, wie Schweiger arbeitet und<br />
wie er den Spagat zwischen seiner wachsenden Filmfamilie<br />
und seiner Verantwortung als Vater von vier Kindern schafft.<br />
Verwandte, Freunde und Kollegen kommen zu Wort. Und<br />
Schweiger selbst erlaubt Einblicke in bisher unbekannte Winkel<br />
seines Privatlebens, in dem auch ein gutes Stück lokaler<br />
Vertrautheiten in Text und Bild eingebettet<br />
ist.<br />
Ob für dieKumpels aus seiner Gießener Sturm- und Drangzeit (hier 2013 auf seiner Mallorca-Finca)<br />
oder die Größen aus der Filmbranche: Til Schweiger ist ein echter Freund!<br />
Mit Privatfotos von Til Schweiger;<br />
192 S., € 19 99 Hardcover, 24x16 cm<br />
ABBITTE<br />
"Die neben stehende Einschätzung vor<br />
rund 16 Jahren würde ich jetzt so nicht<br />
mehr treffen", korrigiert sich der Alten-<br />
Busecker Kintopp-Versteher Hans-Michael<br />
Kirstein heute und sieht in neuer Sichtweise<br />
den "Localheroe" Til Schweiger<br />
weitaus differenzierter, was gleichzeitig<br />
auch die von HANNIBAL vorgelegte Biografie<br />
so in Teilen preisgibt:<br />
In Auswahl und Machart seiner<br />
Filme ist Til Schweiger einem<br />
durchweg Eskapismus orientiertem<br />
Publikum verpflichtet.<br />
Mit Fleiß, Stetigkeit und<br />
einer intelligent genutzten<br />
künstlerisch-ökonomischen<br />
Vernetzung im Filmbusiness<br />
gelingt es ihm, sich eine<br />
individuelle Position in der<br />
speziell deutschen Kinowelt<br />
zu erobern. Mit seinem<br />
knarzig-näselndem Timbre und einem fixierten Repertoire<br />
aus <strong>BOGART</strong> Nr. 15 (Teil 14: Ein Streifzug durch<br />
die Filmgeschichte von HM Kirstein, 1997)<br />
mimischen Variierens ist Schweiger im Kern ein B-Filmakteur, eine professionelle<br />
Infrastruktur clever nutzend... und den Zeitgeist treffend. Der "Macho<br />
mit Herz" ist die rote Leitlinie des Präsenz-Typen. Im amerikansichen Film der<br />
50/60er waren dies Akteure wie Cornel Wilde, Rory Calhoun, Gordon Scott<br />
oder der Ex-Kriegsheld Audie Murphy. Nach dem eph eminierten Häuptling<br />
Brice, dem unteroffiziersmäßigen "Blacky" F., dem Schulbub Hansi Kraus<br />
und manchen zerbeutelten Fassbinder-Typen à la Kurt Raab verfleischlicht<br />
Til Schweiger den neuzeitlichen germanischen Action- und Comedyhelden...<br />
Einen echten "Macker" in baukastenhafter Kommerzware made in "Heuchelheim,<br />
einem Kaff bei Gießen!" (0-Ton aus "Männerherzen").<br />
Stansfield (Tommy<br />
Lee Jones) macht<br />
sich Sorgen um<br />
Familie Blake.<br />
Er war einer der mächtigsten Männer der<br />
USA: Fred (Robert de Niro), einst<br />
gefürchteter Pate in New York, hat durch<br />
seine Aussagen eine ganze Reihe<br />
einflussreicher Mafiosi hinter Gitter gebracht.<br />
Nun lebt er mit seiner Frau Maggi (Michelle<br />
Pfeiffer) und den beiden Kindern Belle<br />
(Dianna Agron) und Warren (John D‘Leo) im<br />
Zeugenschutzprogramm in der Normandie<br />
– unter dem wachsamen Auge des knallharten<br />
FBI-Agenten Stansfield (Tommy Lee Jones). Ziel<br />
ist es, sich unauffällig zu verhalten und unter<br />
Kinostart:<br />
21.11.2013<br />
allen Umständen unter dem Radar zu bleiben<br />
– nicht so einfach, denn Freds aufbrausendes<br />
Temperament geht gerne mit ihm durch. Und<br />
dann noch diese Franzosen – wie kann man<br />
da Ruhe bewahren?! Der Kulturschock sitzt<br />
tief. Und so ist es nur eine Frage der Zeit bis<br />
die Mafia die Fährte der Familie wieder<br />
aufnimmt und gleich mehrere Killer in das<br />
© Universum Film<br />
Regisseur Luc Besson drehte unter anderem in<br />
den von ihm gegründeten Cité du Cinéma-<br />
Studios in Frankreich.<br />
beschauliche Dörfchen schickt. Jedoch haben<br />
die nicht mit der Entschlossenheit dieser<br />
Familie gerechnet…<br />
Darsteller: Robert de Niro, Michelle Pfeiffer,<br />
Tommy Lee Jones, Dianna Agron, John D’Leo<br />
u.a.; Regie: Luc Besson; Produzent: Martin<br />
Scorsese; im Verleih von Universum Film<br />
für Creative Bogart 23
Bodo W. Klös<br />
Fotos: Reihard Müller-Rode<br />
Taufrische Exponate des "Alt-Gießeners"<br />
Erhard Göttlicher (Uetersen) – s. auch vorherige<br />
Ausgaben – prägten einmal mehr<br />
den Messestand von Norbert Haun (Dreier-<br />
Verlag, Görbelheimer Mühle 1, 61169 Friedberg;<br />
06031.2429)<br />
Rund 150 "Köpfe" aus der Welt der Literaten,<br />
Künstler, Musiker und anderen Szenen haben<br />
sich als karikierte Buchstützen positioniert. Sie<br />
sind nach Zeichnungen von Bernhard Siller als Laserdrucke<br />
auf ca. 1cm starkes, mehrfach verleimtes Birkesperrholz<br />
kaschiert, mit UV Schutz<br />
versiegelt und auf eine<br />
geschliffene Edelstahlplatte<br />
montiert. Die Bücher<br />
stehen auf der Edelstahlplatte<br />
und stützen sich an<br />
die Figur. Die signierte und<br />
auf 300 Stück limitierte<br />
Buchstütze ist ca. 20-24<br />
cm hoch. ...übrigens, auch<br />
Sonderanfertigungen werden<br />
ausgeführt.<br />
(Görbelheimer Mühle 1,<br />
61169 Friedberg)<br />
buchstuetzen.de<br />
Die Werkstatt , Galerie & Verlag...<br />
...für Handpressendrucke und Künstlerbücher – 1994<br />
von Birgit Klös gegründet – ist seit vielen Jahren auch bei der<br />
Frankfurter Buchmesse mit erstklassigen "Schätzen" von u.a.<br />
Tomi Ungerer, Lorenzo Mattotti und Frank Eissner präsent. Seit<br />
2004 residiert die Edition im Licher Atelier von Bodo W. Klös, die<br />
Druckwerkstatt ist seitdem im OT Nieder-Bessingen ansässig.<br />
Der heimische Grafiker zeigte diesmal Arbeiten seiner 2009<br />
begonnene Suite Your body is a wonderland mit Skizzen, Zeichnungen,<br />
Entwürfen, Radierungen und Übermalungen im Bildformat<br />
von 40 x 50 cm, kaschiert auf Karton 60 x 70 cm.<br />
Das Verlagsprogramm der edition noir wird größtenteils in<br />
der Bessinger Handpresse hergestellt, die Auflagendrucke in der<br />
Technik der Radierung und des Holzschnittes auch für Branchenkollegen<br />
übernimmt. Mit verantwortlich dafür ist der in Berlin<br />
lebende Sohn Jan-Paul, der dort zusammen mit zwei Kollegen<br />
eine grosse Lithowerkstatt betreibt.<br />
DANKE<br />
für die Gastfreunschaft,<br />
Francesca Klös!<br />
Zu den Klös-Klassikern zählt weiterhin<br />
Der Rabe – Ein Bilderbuch mit 140<br />
Farbabbildungen (120 S., HC 31x31<br />
cm) sowie einer kollagierten Rabenfeder.<br />
Weitere hochkäratige Pretiosen<br />
kunstvoll verpackter Arbeiten vielfältiger<br />
Nuancierung sind hier "ausgestellt":<br />
edition-noir.de<br />
24 Bogart<br />
Das Mitmachmagazin
MIT GIZMORIAN DURCH DIE JAHRESZEITEN<br />
© GIZMORIAN: WINTER GUY / 2012 www.gizmorian.com<br />
MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI<br />
DEZ. 2013 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 <strong>18</strong> 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31<br />
JAN. 2014 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 <strong>18</strong> 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31<br />
FEB. 2014 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 <strong>18</strong> 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28<br />
für Creative<br />
Bogart 25
Comic-Zentrum Halle 3.0<br />
Der "Deutsche Cartoonpreis<br />
2013“ stand unter dem Motto<br />
"Zu spät!". Die Gewinner sind:<br />
Kategorie A: Pascal Heiler (r.)<br />
Kategorie B:<br />
1. : Til Mette (links)<br />
2. : Miguel Fernandez (ob. l.)<br />
3. : Kittihawk (ob. Mitte)<br />
Seit 2006 verleihen die Frankfurter Buchmesse und der Carlsen Verlag den<br />
"Deutschen Cartoonpreis für neue Talente“, seit 2012 in den Kategorien A<br />
(ohne -) und B (mindestens einer Buchveröffentlichung. Juergen Boos, Direktor<br />
der Frankfurter Buchmesse, und Antje Haubner (Humorlektorin Carlsen<br />
Verlag) hatten als Jurymitglieder einmal mehr die Qual der Wahl.<br />
Antje Haubner (Carlsen) hat<br />
das Buch über die amüsanten<br />
Verspätungen (s.o.) verfasst:<br />
Softcover (20,70 x 25,20 cm)<br />
160 S., € 9,99<br />
Fotos: Reinhard Müller-Rode<br />
ER ist wohl definitiv angekommen. Der<br />
Comic, die sequentielle Bildgechichte, ist<br />
als eine noch vorwiegend im Printbereich<br />
angesiedelte Ausdrucksform ein unbedingter<br />
und normaler Bestandteil der ehrwürdigen<br />
Frankfurter Buchmusse. In Halle 3 offenbarten<br />
sich alle Spielarten und Varianten<br />
bilddominierten Erzählens auf Augenhöhe<br />
mit den literarischen "Cousins" der übrigen<br />
Buchwelt. Der interessierte Betrachter entdeckt<br />
hochambitionierten Augenschmaus<br />
ebenso wie routiniert gefertigte Industrieware.<br />
Die Präsentationsfläche toleriert 1:1 die<br />
gefälleintensiven Möglichkeiten comicaler<br />
Kultur - da buhlen reputationsgeile "Graphic<br />
Novels", die eigene Befindlichkeit von<br />
vorneherein als bedeutsam empfindend, mit<br />
geistreich und ambivalent gestrickter Genrekost<br />
wie dem exzellenten "Watchmen"-Prequel<br />
(PANINI) um den öffentlichen Lorbeer.<br />
Die unendlichen Heere der japanischen<br />
Mangas, oft mit grauwertigen Bildfonts<br />
unterlegt und mit großäugiger und kleinmäuliger<br />
Routine Alltägliches, Horribles,<br />
Süßliches und Transsexuelles offerierend,<br />
marschieren auf solidem Niveau... und<br />
ihre südkoreanischen Verwandten agieren<br />
zunehmend bedeutsam als "Webtoons"<br />
im Internet. Erfreulich ist die Tendenz, für<br />
Nostalgiker, Sammler und Neuentdecker<br />
sogenannte "Integralausgaben" wesentlicher<br />
speziell franko-belgischer Klassiker zu<br />
publizieren - gerade (Ehapa-)Egmont, Kult<br />
und Salleck bedienen dabei die begierigen<br />
Hardcore-Fans! Der taffe "Bruno Brazil",<br />
in der mondän-modernen Architekturwelt<br />
des Brasilianers Oscar Niemeyer wirkend,<br />
gehört dabei neben Hermanns zwischentoniger<br />
Post-Apokalypse "Jeremiah" (Kult)<br />
oder Sallecks flamboyanter Stewardess<br />
"Natascha" von F. Walthéry zu den Perlen<br />
der Sammlerausgaben. Anything goes - der<br />
Bildgeschichtenkosmos verfügt über viele<br />
Paralleluniversen ... setzen Sie<br />
sich in Bewegung, denn es<br />
gibt "1001 Comics, die Sie<br />
lesen sollten, bevor das Leben<br />
vorbei ist" so der<br />
Titei des Comiclexikons<br />
in der Edition<br />
Olmsn Zürich (Hg.<br />
Gravett/Knigge.<br />
Excelsior<br />
out of G-Town,<br />
yours, HMK<br />
Endlich mal keine Fliegen! Insektenpause für örtliche<br />
Spidermen. ©: Frankfurter Buchmesse / Peter Hirth<br />
Der erste Band der neuen Simpsons-Mundart-Reihe<br />
FER SIMBEL – hier von Comic-<br />
Starzeichner Bill Morrison auf der Buchmesse<br />
präsentiert – richtet sich an alle "Babbsäck" und<br />
solche, die es werden wollen. Zwei Geschichten aus<br />
den Simpsons Comics – komplett auf Hessisch, von<br />
Hessen-Legende Bobby von Schwanheim. Da kauft<br />
Homer Handkääs mit Mussik oder schenkt in sei-<br />
ner Kneipe Die Schobbepetzer reichlich aus.<br />
56 S., Hardcover<br />
Original-<br />
Storys: Simpson<br />
Comics 25<br />
und 55, Autor:<br />
Matt Groening<br />
u.a., € 10,00<br />
26 Bogart<br />
Das Mitmachmagazin
comic & CARTOON<br />
Einen Querschnitt seiner politisch-satirischen<br />
Postkarten aus 30 Jahren<br />
hat jetzt der Gießener Maler und<br />
Grafi ker Egon Kramer – auf das Buchformat<br />
von 29 cm x 20 cm vergrößert – im<br />
Hardcover auf 68 Seiten eingebunden.<br />
Die Retrospektive seiner "Plakativen Munition<br />
gegen Dumm-Dumm-Geschosse"<br />
umfasst insgesamt 66 Arbeiten, in denen<br />
er sich auf seine Weise gesellschaftskritisch<br />
einläßt.<br />
Entstanden Kramers Collagen anfangs in klassischer Manier<br />
noch mit Skalpell und Klebstoff (s. Aufschlagseiten rechts), werden<br />
die Bildbotschaften nunmehr am Computer nicht minder provokant<br />
inszeniert.<br />
Noch bis März 2014 ist Egon Kramer mit seiner Foyer-Ausstellung<br />
POLITSCHE PLAKATE im Berliner Kabarett DISTEL vertreten.<br />
Infos und Kontakt: www.egonkramer.de<br />
Hör' auf mit gießen!<br />
Wir müssen eh' bald<br />
abhauen!<br />
SUPERCHATTER ( 3 )<br />
❢ ❢❢<br />
❢<br />
❢❢ ❢<br />
SUPPENMAN<br />
Wieso das<br />
denn?<br />
SPLASHSH<br />
MAN<br />
LAGA<br />
2014<br />
MAYOR<br />
Tja, ab 26.4.2014 geht's<br />
hier auf zu neuen<br />
Ufern!!!<br />
WOMAN<br />
<strong>BOGART</strong>-<br />
BUBBLE<br />
Nein! Da interpretieren unsere Superheroes<br />
das Fluchtmotto der<br />
englischen Pilgrim Fathers, die<br />
1620 auf der "Mayfl ower" über den Atlantik<br />
ins heutige Massachusetts segelten,<br />
total falsch (siehe wandbemalten Aufruf<br />
an der Westanlage im Bild unten). Und<br />
auch die seit <strong>18</strong>34 in den USA verwurzelten<br />
Gießener-Auswanderer riefen diesen<br />
Spruch nicht über den großen Teich in<br />
die alte Heimat. – Ganz im Gegenteil! Die<br />
Gießener Stadtmütter und -väter laden<br />
unter dem pro-indizierten Slogan "Auf zu<br />
neuen Ufern" zu ihrer mehr als maiblumigen<br />
Landesgartenschau zwischen Lahn<br />
und Wieseck ein, auf der wohl auch ihr<br />
Flaggschiff "Schlammbeiser" ebenso wie<br />
die blühende Landschaft unter Vollmast<br />
stehen wird.<br />
Keine Panik also, wenn vermehrt erste<br />
Vorboten mit einschlägiger Trikotwerbung<br />
die erwartungsfreudige City beleben und<br />
den nimmermüden Baustellenaktivisten<br />
jedweder Coleur ein blütenstaubwolkiges<br />
Farbspektrum zu pusten.<br />
Auch Flaschenöffner gehören zum Merchandising,<br />
damit das Be- und Gießen von<br />
Kehle und Kelch nicht unterbleibt...<br />
Prosit! – Es möge gelingen!<br />
(s.a. landesgartenschaugiessen.de)<br />
<br />
Szenario: Wadim Reis<br />
Text: R. Müller-Rode<br />
2014 Flower-Power<br />
in Gießen. Und Scott McKenzie<br />
singt dazu: If you're going<br />
to Elephant-Klo...<br />
Grandios!<br />
für Creative<br />
Bogart 27
Weckmarkt 17<br />
Di bis So 10–<strong>18</strong>, Mi 10–21 Uhr<br />
caricatura‐museum.de<br />
Michael Sowa, Rudi Hurzlmeier und<br />
Ernst Kahl haben die Malerei in die<br />
Cartoonkunst implantiert. Das Können<br />
und die Technik der alten Meister,<br />
die Opulenz und die Stimmung<br />
der Tafelgemälde, der suggestive<br />
Einsatz von Licht und Farbe bereiten<br />
hier unter souveräner Missachtung<br />
der herkömmlichen Witz-Ökonomie<br />
die Wirkung des komischen, auch<br />
böse-satirischen Details in bewundernswerter<br />
Weise vor. Das anekdotische<br />
Prinzip von Spitzweg und<br />
Picasso wird von allen dreien auf<br />
die Lach- und Krachbedürfnisse der<br />
Gegenwart angewandt und komisch<br />
fortentwickelt. Die aus den Hallen<br />
der Hochkunst verbannte Spielart der<br />
gegenständlichen Malerei hat im humoristischen<br />
Genre überlebt.<br />
Klima- und Milieuformen der Jahrhundertwende<br />
leiten schließlich die<br />
Genese des »echten« Comics Strip<br />
ein: Bedingt durch die konkurrenzgezeichnete<br />
Pressesituation des vor<br />
der sozialen und kulturellen "Domestizierung"<br />
stehenden Nordamerika,<br />
endete Teil 1 unserer Betrachtung.<br />
Von Altamira bis Entenhausen -<br />
COMICS: Erscheinungsbilder einer<br />
populären Kunstform<br />
Es tobte ein Kampf der Verleger Pulitzer<br />
und Hearst um Marktanteile; gerade der<br />
oft kleinbürgerliche, eher englischunkundige<br />
und noch nicht sozial fest eingewurzelte<br />
Immigrant verlangte primär nach optischer<br />
Information und Unterhaltung. Es sind<br />
die Stunden der Sensationspresse und der<br />
Bildgeschichte - der Comic jener Periode ist<br />
also ein Destillat aus soziokulturellen, ökonomischen<br />
und technologischen Bedingtheiten.<br />
In Pulitzers New York World gelingt <strong>18</strong>96 zum<br />
erstenmal ein professionelles Farbdruckverfahren<br />
inklusive der Farbe Gelb, deren Trocknungsprozeß<br />
bisher Probleme bereitete; am<br />
16. Februar <strong>18</strong>96 erscheint in der NYW die erste<br />
Folge der Serie The Yellow Kid von Richard<br />
Felton Outcault (<strong>18</strong>63-1928). In dieser Serie<br />
um einen frechen, leicht asozialen Jungen<br />
werden mit garstigem Blick und semirealistischem<br />
Strich die miserablen Lebensverhältnisse<br />
des Einwanderermilieus beleuchtet. Darober<br />
hinaus definiert dieser Streifen bereits<br />
bestimmte Wesensmerkmale der sich anbahnenden<br />
Comickultur: Verwendung von Sprechblasen<br />
(Dialogorientierung!), Beibehaltung<br />
bestimmter Hauptpersonen und Schauplatze.<br />
Allerdings werden beim Yellow Kid (siehe W.<br />
Hogarth) die Aktionen noch in einem Einzelbild<br />
verdichtet. Nach 1900 entwarf Outcault<br />
dann den eher bürgerlichen Lausbuben Buster<br />
Brown, der in dezent-gründerzeitlichem Ambiente<br />
Dienstboten neckte. Die Spielwarenindustrie<br />
bemachtigte sich schließlich dieser Figur;<br />
die Saat für das sogenannte "Merchandising"<br />
jenen wundersamen Zug der industriekapitalistischen<br />
Mehrfachverwertung einer Ware (und<br />
Comics sind in der Relation von Produktion<br />
und Konsum eine solche), wird hier höchst anschaulich<br />
gelegt...<br />
© JOCHEN SCHAUDIG<br />
Im Dezember <strong>18</strong>97 startet nun<br />
der erste originäre Comic Strip...<br />
...The Katzenjammer Kids in Hearsts New York<br />
Journal. Autor ist der deutschstämmige Rudolph<br />
Dirks (<strong>18</strong>77-1968) und "spiritus movens"<br />
der Verleger Hearst – auf einer Europareise hatte<br />
er Buschs "M & M" goutiert und wollte nun<br />
Ähnliches für seine Blätter. In dem anarchischdestruktiven<br />
Streifen kämpfen zwei sadistische<br />
Knaben in Wort und Bild (Stichwort: "society<br />
is nix") gegen die Gesellschaft eines bizarren<br />
Phantasiestaates, der natürlich das damalige<br />
Umfeld meint.<br />
28 Bogart<br />
Das Mitmachmagazin
Hans-Michael Kirstein: Von Altamira bis Entenhausen<br />
100 Jahre comic (iI)<br />
Eine weitere Bizzarerie umgibt diesen Streifen:<br />
Dirks überwarf sich 1912 mit Hearst und zeichnete<br />
den Streifen seit dieser Zeit für Pulitzer<br />
als The captain and the kids, während Harold<br />
Knerr (<strong>18</strong>83-1949) die Serie unter dem alten<br />
Namen weiterführte. Andere wichtige Streifen<br />
jener Gründerjahre sind: Happy Hooligan, ein<br />
tramphafter Looser und Vorläufer chaplinesker<br />
Gestalten. Entworfen wurde er von F. B. Opper<br />
(<strong>18</strong>57-1957) mit geschärftem Blick für das<br />
Amerika der 1Oer Jahre.<br />
James Swinnerton (<strong>18</strong>75-1974) lieferte mit<br />
Little Jimmy (1904) die poetisch nuancierten<br />
Alltagsabenteuer eines kleinen Jungen. Windsor<br />
McCay entwickelte mit Little Nemo in Slumberland<br />
zwischen 1905-11 im grandios formulierten<br />
Jugendstilidiom die Traumabenteuer<br />
eines ebenfalls kleinen Jungen – McCay arbeitete<br />
übrigens nur für die vollkolorierten Sonntags-Comicseiten<br />
und entwickelte bereits vor<br />
dessen Entwicklung und Ausdifferenzierung<br />
eine »filmische« Bildregie.<br />
Lyonel Feininger, der große Maler des prismatischen<br />
Kubismus (<strong>18</strong>71 -1956), gab zwischen<br />
1906-11 mit seinen abenteuerlich-phantastischen<br />
Reihen Kinder Kids und Wee Willie<br />
Winkies World einen profunden Beitrag zur Stilund<br />
Themenfindung im Comic.<br />
George Herriman (<strong>18</strong>80-1944) lancierte die absurdeste<br />
und dadaistischste Serie überhaupt:<br />
Krazy Kat - ein bizarres Dreiecksverhältnis zwischen<br />
einer Katze, einer backsteinwerfenden<br />
Maus und einem Hundepolizisten im fragmentarisch-surrealen<br />
Dekor ist bis heute eine der<br />
künstlerisch hermetischsten Leistungen im<br />
Comicmilieu.<br />
Nicht übersehen werden darf<br />
Georg McManus' (<strong>18</strong>84-1954)<br />
Satire über eine neureiche<br />
irische Einwandererfamilie,<br />
Bringing up Father (ab 1913).<br />
Juqendstil und später Art<br />
Deco bilden die brillanten<br />
stilistischen Klammern dieser<br />
humoristischen Serie<br />
Im Frankreich jener Jahre erschien<br />
in der Jugendzeitschrift<br />
L'EPATANT die ebenfalls etwas<br />
anarchisch-gallige Serie Les<br />
Pieds Nickelés (1908) von Louis<br />
Forton (<strong>18</strong>79-1934). Dieser erste<br />
»echte« europäische Strip<br />
kreist um die Abenteuer dreier<br />
ganovenhafter Schlaumeier<br />
und Taugenixe. Während der<br />
Zeit des 1. Weltkrieges wurde<br />
dieser Comic jedoch, wie seinerzeit<br />
international üblich,<br />
»moderater« und für die nationale<br />
Kriegspropaganda eingesetzt.<br />
S. 16 aus TIM UND STRUPPI "Tim in Tibet" (Carlsen Verlag / 10. Aufl. 1980)<br />
In Mitteleuropa kam es nun in<br />
den 20ern zu wichtigen Comicausformulierungen:<br />
Im Jahre<br />
1925 schuf Alain Saint-Ogan<br />
in Frankreich seine humoristische<br />
Abenteuerserie Zig et<br />
Puce. Der moderne Vater des<br />
franko-belgischen Comics kultivierte<br />
die szenischen Standards<br />
der später so apostrophierten<br />
»franko-belgischen«<br />
Comic-Schule.<br />
Inhaltliche Merkmale dieser Schule waren<br />
(und sind zum Teil immer noch) der spezifische<br />
»Pfadfindertouch« der Protagonisten, eine gewisse<br />
milde Ironie und der effektive Sinn für<br />
realistische Details. Formal waren (und auch<br />
das gilt bis heute) das Definieren einer feinziselierten<br />
Staffage und die »filmische« Kompositionsgliederung<br />
die »Warenzeichen« der französischen<br />
Strips.<br />
Die Weiterführung und Vervollkommnung<br />
Saint-Oganscher Standards verdankt der europäische<br />
Comic dann jenem Autor und Zeichner<br />
Hergé (d.i. George Remi, 1907-83), der sich mit<br />
Tintin (Tim & Struppi, ein jugendlicher Reporter<br />
und sein eigenwilliger Hund) einen definitiven<br />
Platz im Olymp der Comicmacher gesichert<br />
hat.<br />
Der talentierte Hergé<br />
entwickelte nicht nur ...<br />
...die später als »ligne claire« bezeichnete Art<br />
des Zeichenstils (eine flächig-konturbetonte<br />
Art semirealistischen Fixerens: das Dekor wird<br />
stilisiert realistisch, die Personen eher linear<br />
karikiert wiedergegeben). Auch sein spezieller<br />
Erzählstil (abenteuerliche Turbulenz gepaart<br />
mit psychologisch nuancierter Typendarstellung)<br />
wurde für nachfolgende Autorengenerationen<br />
zum oft unerreichbaren Vorbild. In<br />
den Spätsiebzigern wurde sein Darstellungskosmos<br />
auch von jungen Comictechnikern für<br />
satirischaufbereitende Exkurse »benutzt« und<br />
zitiert - die »nouvelle ligne claire« war geboren.<br />
Fortsetzung in Ausgabe 19 (1.3.14)<br />
Das 8seitige, illustrierte Skript gibt es für € 4,60<br />
bei <strong>BOGART</strong>.<br />
für Creative<br />
Bogart 29
COMIC & Graphic Novel<br />
Fraternity 01 (von 03)<br />
Juan Díaz Canales, José Luis Munuera<br />
gebunden, 56 S., € 15,00<br />
EGMONT Comic-Collection<br />
Fraternity ist<br />
eine zweibändige Comicperle des spanischen<br />
Zeichners José Luis Munuera, dem Zeichner von "Spirou<br />
und Fantasio" und "Merlin". Der außergewöhnliche Plot entspringt<br />
der Phantasie des "BLACKSAD"-Szenaristen Juan Díaz Canale. Zusammen<br />
erschufen die beiden eine faszinierende Fabel über die<br />
menschliche Natur, voller atmosphärischer Zeichnungen in erdigen<br />
Umbra-Farbtönen. Amerika, Indiana <strong>18</strong>63 … ein fantastisches<br />
Comicerlebnis nimmt seinen Lauf! In der kleinen Gemeinde „New<br />
Fraternity“ wird eine sozialistische Utopie gelebt. Aber versprengte<br />
Soldaten des Sezessionskrieges bedrohen den inneren Frieden der<br />
kleinen Gemeinde. Plötzlich entdeckt man Emilio, ein seltsames<br />
Findelkind, das ein großes, gefährliches Geheimnis hat: ein mysteriöses<br />
Monster wacht über ihn!<br />
Ein Frühling in Tschernobyl<br />
Emmanuel Lepage<br />
Hardcover, 168 S., € 29,80<br />
SPLITTER<br />
26. April 1986. In Tschernobyl beginnt<br />
der Reaktorkern des Atomkraftwerks<br />
zu schmelzen. Eine radioaktive Wolke<br />
zieht über mehrere tausend Kilometer<br />
hinweg, ohne dass irgendjemand davon<br />
weiß – und sich davor schützt. Es ist<br />
die größte Nuklearkatastrophe des 20.<br />
Jahrhunderts, die zehntausende Opfer<br />
fordern wird.<br />
Emmanuel Lepage ist zu dieser Zeit 19 Jahre alt. Ungläubig sieht<br />
und hört er die Nachrichten im Fernsehen. 22 Jahre später, im<br />
April 2008, fährt er nach Tschernobyl, um mit seinen Texten und<br />
Zeichnungen vom Dasein der Überlebenden und ihrer Kinder in<br />
dem hochverseuchten Gebiet zu erzählen. Als er beschließt, auf<br />
Anfrage des Vereins Dessin’acteurs dort hinzufahren, hat Lepage<br />
das Gefühl, dem Tod entgegenzutreten. Als er im Zug sitzt, der ihn<br />
in die Ukraine bringt, geht ihm eine Frage nicht mehr aus dem Sinn:<br />
Warum bin ich hergekommen?<br />
Zum gesamtkulturellen Fundus gehören die "bad boys 'n girls", die sich im<br />
Comic in ambivalent-grenzgängerischen Charakteren und Typen als wesentlichem<br />
Funktionsteil ihrer Stories begreifen. Der klassische US-Zeitungsstrip<br />
realistischer Machart featurte vehement das lasziv-verführerische "bad girl" zumeist<br />
in Gestalt sündiger Abenteurerinnen oder galaktischer Königinnen (siehe Terry and<br />
the Pirates von Caniff oder A. Raymonds Flash Gordon). Und seit den Enddreißigern<br />
ist vor allem der US-Vigilant Batman ein Prototyp des nicht unproblematischen<br />
Draufgängers... Im europäischen Kontext erweist sich in der Nachkriegszeit dann<br />
Hergés (1907-83) Käpt"n Haddock aus Tim und Struppi als treuer Kumpel und<br />
cholerischer "Alk". In der legendären Abenteuerparodie Spirou und Fantasio des<br />
belgischen Comicvirtuosen André Franquin (1924-97) ist es der von Co-Autor Greg<br />
mitentwickelte Wissenschaftler Zyklotrop, der die Rolle des charmanten Drecksacks<br />
evolutionär ausfüllt.<br />
Als um 1960 sich das Fernsehen zum "Erzrivalen" der Comics entwickelte, begannen<br />
hoffnungsvolle Comicmacher der seinerzeitigen Nachkriegsgeneration wie die<br />
Belgier Jean-Michel Charlier (1924-89) und Greg (Michel Régnier, 1931-99) an den<br />
Schalthebeln der Comicmacht zu agieren:<br />
Neue Heldenkonzepte mussten her,<br />
um ältere Leser zu halten und zu ... gewinnen!<br />
Mit viel Gusto, Verve, recherchierten Hintergründen und epischem Atem begann<br />
Charlier mit der langen Reihe seiner Comichistorie machenden Monumentalepen<br />
DER ROTE KORSAR und Leutnant Blueberry (s.a. <strong>BOGART</strong> 12). Den ersten Titel<br />
fertigte Victor Hubinon (1924-78) mit einem Caniff-inspirierten Pinselstrich und<br />
sicherem Gespür für ein ausbalanciertes "visual storytelling". Dieser nunmehr von<br />
EGMONT in einer beglückenden Integralausgabe edierte Piratenstreifen zeigt im<br />
historisierten Kontext die wassersatten Enqueten des Barbe Rouge und seines<br />
Adoptivsohnes Rick, "segelnd" zwischen Piraterie und autorisiertem Kaperbrief.<br />
Außerdem sind der bärbeissige Freibeuter Barbe Rouge und seine Crew ein unversenkbares<br />
(Zitat-) Denkmal in den Comicgewässern gewisser legendärer Gallier.<br />
Charliers Talent verdankt der Abenteuercomic europäischer Provenienz profunde<br />
"Helden" zwischen Bonhommie und Halsabscneiderei - Chapéau, Monsieur Charlier!<br />
Auf der anderen Seite erweist sich der unermüdliche Greg als Autor, Zeichner<br />
als der Konzeptentwickler und Motor der frankobelgischen Comicszenerie! Der<br />
"Kanonenschlag" gebiert um 1966/67 eine neuartige und für das Milieu folgenreiche<br />
Serienkonzepte. Mit dem baldigen Super-Zeichnerstar HERMANN (*1938)<br />
kreiert Greg den "hardboiled"-geprägten Actionstreifen um den Profi abenteurer<br />
Andy Morgan und Comanche mit dem zivilisationsmüden Westerner Red Dust im<br />
Mittelpunkt (siehe auch <strong>BOGART</strong> 6).<br />
Eine weitere Großtat von Autor Greg ist soeben in einer hochavancierten Integralausgabe<br />
(Band Nr. 1) erschienen. BRUNO BRAZIL wurde von Greg um 1966 (unter<br />
dem nom-de-guerre "Louis Albert") zusammen mit dem aufstrebenden Zeichnerstar<br />
William Vance (das ist William van Cutsem, 1935) entwickelt. Vance, ein studierter<br />
Illustrator und Werbezeichner, hatte bereits für TINTIN an dem Marinestreifen<br />
Howard Flynn und dem teils italowesternhaften Ray Ringo gearbeitet. Sein leicht<br />
fi ebriger Zeichenstil, bei dem man oft das Kratzen der Feder über den Karton zu hören<br />
glaubt, generierte sich in jenen Jahren aus diversen Einfl üssen. Und so entsteht<br />
durch die topmotivierten Comicmagier Greg und Vance einer der stilprägendsten<br />
Abenteuer-, Agenten- und Krimistreifen<br />
der Neu-<br />
30 Bogart<br />
Das Mitmachmagazin
Im Dutzend dreckiger:<br />
ComicheldInnen<br />
zwischen Gut und Böse<br />
Eine "kleine" Betrachtung von Hans-Michael Kirstein<br />
ECHTE FRÜNDE ...<br />
In Blickkontakt transmedialer<br />
Art trat HMK mit seinem<br />
Nylonmann Co.-Autor HER-<br />
MANN auf der Buchmesse<br />
beim Studium von dessem<br />
neuen Jeremiah Integralband<br />
Nr. 3 (Kult-Editionen)<br />
Aber die Gesetze der phantastischen Anders-Welt, die Frauen (Kriss de Valnor!) und<br />
wohl auch die Verwertungsgelüste bzgl. eines erfolgreichen Serienkonzepts verlangen<br />
da die Stetigkeit des Handelns ... Splitter kultiviert diesen modernen<br />
Comicklassiker in der gewohnt<br />
höchsten Qualität - und so fi n-<br />
den sich auch bereits "Spinoffs"<br />
im Repertoire. Yann, ein Multitalent<br />
der BD-Szene mit Credits<br />
im Humor- und Dramabereich<br />
(Im Jenseits ist die Hölle los<br />
oder Pin Up, ein genialer comic-<br />
und zeitrefl ektierender<br />
Streifen mit Zeichner Berthet)<br />
erzählt mit dem Illustrator Roman<br />
Surzhenko, einem würdigen<br />
Nachfolger Rosinskis,<br />
in dem ersten Band Thorgals<br />
Jugend - Die 3 Schwestern<br />
durchaus einfühlsam und<br />
subtil die frühe Jugend Thorgals,<br />
seine "vorbestimmte"<br />
Liebe zum Mädchen Aaricia.<br />
Eine winterliche Hungersnot<br />
und das mysteriöse<br />
Auf-"tauchen" dreier Wale<br />
bedeuten den Start eines<br />
prototypischen "Sense-of-<br />
Wonder-Märchens"...<br />
Die kleine Reise durch die Welten<br />
verwaschener und verwegener Antihel-<br />
den sowie<br />
"bad-good-characters" wird in der nächsten Ausgabe mit den SPLITTER-Neuerscheinungen<br />
über den Leutnant der Royal Navy Bruce J. Hawker (Duchâteau/Vance) und<br />
Richard Corbens Creepy weitergeführt.<br />
zeit, ohne den mancher Serienerfolg der nachfolgenden Dekaden wohl kaum in der<br />
Art denkbar gesesen wäre (Largo Winch, XIII und sein Spinoff u.a.). Das Publikum<br />
jener Jahre mochte das ironisch gebrochene Kalte-Kriegs-Kino à la James Bond<br />
oder kongeniale TV-Varianten wie Mission Impossible oder Mit Schirm, Charme<br />
und Melone. Und so entwickelte Greg sein Erzählrepertoire um ein kleines Kollektiv<br />
leicht "beschädigter" Biographien, ergänzt um die "schlagfertige" Peitschenvirtuosin<br />
Whip Rafale und geführt von dem weisshaarigen Agenten Bruno Brazil, ein Mann<br />
mit situtiv präsentem (Greg-)Dialog und operativem Gestaltungswillen. Ob es um<br />
einen Altnazi und seine Intrige um angebliches Nazigold geht, um "Mindcontrolling"<br />
via Satellit und TV-Empfang aus dem brasilianischen Dschungel oder manipulative<br />
posthypnotische Aktivitäten: Brazil und sein Kommando Kaiman, dies referiert die 1.<br />
EGMONT-Ausgabe, führen ein in jedweder Hinsicht aufreibendes Leben ...<br />
Der frankobelgische Comic war<br />
in den Umbrüchen der 60er angekommen.<br />
So entstanden schließendlich die ambivalent-grauwertig eingefärbten "Biographien"<br />
mancher Comicprotagonisten der 80-./90er Jahre. Autor Jean van Hamme (Der postmoderne<br />
"Greg"...) schuf mit dem hochbegabten polnischen Zeichner Gregorz Rosinski<br />
(1941) das höchst süffi sante "nordische-Mythen"-Comickompendium THOR-<br />
GAL. Wohl kaum ein Bildgeschichtenerzähler nutzt Eigenes und Erprobtes, eigene<br />
Muster und Fremdmythen derart modulhaft und kombinierend wie van Hamme.<br />
Und mit entsprechender kreativer Chuzpe entwickelt van Hamme, virtuos fl ankiert<br />
durch den Zeichner Rosinski eine durchfermentierte Fantasy-Wikingerwelt voller<br />
Charaktere zwischen geradem "moralischen" Tun und existenziellen Verführungen.<br />
Der "Held" Thorgal, ein Barde und Halbgott, sucht ureigentlich nur familiäres Glück.<br />
BRUNO BRAZIL<br />
Gesamtausgabe 01<br />
Greg, William Vance<br />
gebunden;<br />
216 S.; € 29,99<br />
(Gesamtausgabe 02<br />
ab Dezember 2013)<br />
EGMONT<br />
Comic-Collection<br />
Die Welten von<br />
THORGAL –<br />
Die Jugend von Thorgal<br />
Die drei Schwestern<br />
Band 1 von 2<br />
Yann, Roman Surzhenko<br />
Hardcover, 48 S.<br />
€ 13,80<br />
SPLITTER<br />
DER ROTE KORSAR<br />
Gesamtausgabe 02<br />
Jean-Michel Charlier,<br />
Victor Hubinon<br />
gebunden,<br />
ca. 160 S.,<br />
€ 29,99<br />
EGMONT<br />
Comic-Collection<br />
für Creative<br />
Bogart 31
aus "Li‘l Sushi goes Yokohama......because Alice is out of town!"– Manga-Obscura mit illugraphischen Japanerien von<br />
Reinhard Müller-Rode (Pics/Digs) und Hans-Michael Kirstein (Inks/Story); 24 S., Hardcover, 20x30 cm; € 29 90 /Edition <strong>BOGART</strong>