Stadtmagazin Neue Szene Augsburg 2012-02
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info immer auch unter www.neue-szene.de
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32 Zoom<br />
In New York besetzen im September 2011 Demonstranten<br />
einen Park in der Nähe der Wall<br />
Street und bekunden, ”nicht länger die Gier von<br />
ein Prozent der Bevölkerung hinnehmen zu wollen.”<br />
Durch eine friedliche, längerfristige Besetzung<br />
sollten entsprechende politische<br />
Änderungen bewirkt werden. Mit diesen Forderungen<br />
fand ”Occupy” weltweit Gleichgesinnte,<br />
die sich gegen den Einfluss von Lobbyisten und<br />
Reichen, eine banken- und wirtschaftsfreundliche<br />
Politik und soziale Ungleichheit wandten.<br />
Es gibt sie auch in <strong>Augsburg</strong>, die Occupy-Bewegung,<br />
allerdings sind deren Mitglieder etwas<br />
öffentlichkeitsscheu. Nach einigen Telefonaten<br />
und E-Mails, nach einigen Zu- und Absagen gelang<br />
es dann doch, zwei Aktivisten für ein anonymes<br />
Interview zu gewinnen, das irgendwo in<br />
einer Küche in <strong>Augsburg</strong> stattfindet. Sie sollen<br />
für die Dauer des Gesprächs Mila und Max genannt<br />
werden.<br />
Es gibt sie auch in <strong>Augsburg</strong>, die Occupy<br />
Bewegung - ein Interview mit Hindernis-<br />
sen<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Szene</strong>: Wieso wollt ihr eigentlich anonym<br />
bleiben?<br />
Max: Wir müssen.<br />
Wieso müsst ihr?<br />
Max: Weil jeder weiß, dass man z.B. im Internet beobachtet<br />
werden kann und dass es sehr wahrscheinlich<br />
nicht gut ausgeht, wenn man den Mächtigen ans<br />
Bein pinkelt.<br />
Meint ihr, die Mächtigen der Gegenwart merken<br />
überhaupt, dass ihr ihnen ans Bein pinkelt?<br />
Mila: Klar, auf jeden Fall. Es gibt ein Computerprogramm,<br />
den ”Bundestrojaner”, und es ist ja bekannt,<br />
dass damit jeder ausspioniert werden kann. Wir sind<br />
also keine verrückten Verschwörungstheoretiker.<br />
Die Frage ist, ob der Staat mit diesen Methoden<br />
auch schon hinter euch her ist.<br />
Max: Es kann irgendwann mal soweit sein, dass die<br />
Leute sich die Systemfrage stellen und der kritische<br />
Punkt erreicht sein wird. Und vielleicht gibt es heute<br />
Leute im Staatsapparat, die sich denken, man sollte<br />
das bereits im Keim ersticken.<br />
Wobei ihr ja ein wenig in einem Dilemma steckt,<br />
ihr seid einerseits staatskritisch, andererseits<br />
braucht ihr für eure Ziele einen starken Staat.<br />
Mila: Wir sind staatskritisch, aber nicht gegen den<br />
Staat, wir wollen den Staat nicht abschaffen, sondern<br />
zu einer echten demokratischen Politik bringen. Die<br />
Demokratie und damit die Politik muss wieder die<br />
Herrschaft über die Wirtschaft erlangen.<br />
Wofür steht eure Maske?<br />
Max: Die Maske ist Guy Fawkes nachempfunden, das<br />
war im 16. Jahrhundert ein religiöser Terrorist. Das ist<br />
mal der historische Hintergrund, damit kann ich mich<br />
nicht identifizieren und die Occupy- Bewegung auch<br />
nicht. Für was die Maske mittlerweile steht, ist ”V wie<br />
Vendetta”, ein Comic oder auch die Verfilmung davon.<br />
In dem Film geht es darum, wie ein Widerstandskämpfer,<br />
der eben diese Maske trägt, gegen eine faschistische<br />
Diktatur kämpft, sich ihrer<br />
Kommunikationsmittel bemächtigt, die Menschen zum<br />
Widerstand aufruft und den Staat damit letztlich zu<br />
Fall bringt. Das Symbol der Bewegung ist diese Maske.<br />
Wofür steht die Occupy-Bewegung?<br />
Mila: Occupy ging und geht es darum, friedlich gegen<br />
die undemokratischen realen Machtverhältnisse in unserem<br />
Wirtschaftssystem zu protestieren.<br />
Max: Die Demokratie, wie wir sie haben, ist eigentlich<br />
eine Lobby-Demokratie, die Lobby der Industrie,<br />
der Finanzwirtschaft.<br />
Auch hier in Deutschland?<br />
Mila: Ja, es ist natürlich so, dass es in den USA extremer<br />
ist, aber in Deutschland gibt es auch starke Tendenzen.<br />
Ist Deutschland nach euren Maßstäben dann eine<br />
Demokratie?<br />
Mila: Keine echte Demokratie.<br />
Sondern?<br />
Max: Eine wirtschaftsgesteuerte Herrschaft, in der z.B.<br />
Militäreinsätze zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen<br />
ganz offen befürwortet werden, was klar gegen<br />
das Grundgesetz verstößt.<br />
Mila: Eine Demokratie muss natürlich schon marktkonform<br />
sein, in dem Sinn, dass sie funktionieren<br />
muss, aber die Ökonomie darf nicht unbestritten an<br />
erster Stelle stehen.<br />
Was müsste sich denn ändern?<br />
Max: Die Banken müssten verstaatlicht werden. So,<br />
wie die Banken ihre Verluste sozialisiert haben, also<br />
durch den Steuerzahler begleichen haben lassen, so<br />
müssten auch ihre Gewinne sozialisiert werden und<br />
damit den 99 Prozent der Bürger zugutekommen. Zusätzlich<br />
zur Finanztransaktionssteuer müsste es auch<br />
eine Vermögenssteuer und eine höhere Erbschaftssteuer<br />
geben. Die Bundeswehr sollte nur Einsätze<br />
unter UN-Mandat durchführen und Deutschland sollte<br />
aus der NATO austreten, wobei ich damit nicht für die<br />
ganze Occupy-Bewegung sprechen kann.<br />
Mila: Das ist auch das Prinzip von Occupy, dass jeder<br />
seine eigenen Werte und Schwerpunkte hat, aber gewisse<br />
Sachverhalte gemeinsam angeprangert werden.<br />
Das Aufdecken und Aufklären ist das, um was es geht.<br />
Erst in dem Moment, in dem die Bürger aufgeklärt<br />
werden, können sie eine wirklich demokratische Entscheidung<br />
fällen.<br />
Ihr habt die Banken im Visier.<br />
Max: Die Banken sind die Spitze des Systems. Neulich<br />
hat ein bekannter Banker gesagt, Banken und Politik<br />
seien siamesische Zwillinge.