Ein Espresso für Sophia

Eines Tages, als Sophia mit Erik am Abendbrottisch saß, sagte er kühl und nüch­tern: „Mir ist zugetragen worden, dass du einen Freund aus eurer Firma hast, mit dem du jeden Tag, von Montags bis Donnerstags nach der Arbeit zu ihm nach Hause fährst. Trifft das zu?“ Sophia hörte auf zu kauen und erstarrte. Jetzt irgendetwas zu plappern und es abzustreiten, das konnte sie nicht. Trotz allem war Erik ja kein dummer Junge für sie. Sie achtete, respektierte und mochte ihn schon. „Sophia, du wirst mir etwas dazu sagen müssen.“ forderte Erik sie auf zu antworten. Sie konnte, was sie im Mund hatte, nicht mehr runterschlucken und spuckte es auf den Teller. „Ja es ist zutreffend.“ antwortete sie nur. Blickte mal zu Erik und mal auf ihren Teller. „Es wäre mir schon lieb, von dir etwas mehr zu erfahren, Sophia. Was bietet dieser Mann meiner Belle de Jour, was für sie hier nicht möglich wäre?“ fragte Erik weiter, und verdeut­lichte, dass er zwar äußerlich Coolness zeigen konnte, es ihn aber natürlich schon emotional traf. Er lebte für die Arbeit, alles andere war für Erik Sophia, beziehungsweise mit ihr Zusammenhängendes. Unser Zusammenleben über die ganzen Jahre hin, gefällt mir und ist mir wichtig. Ich habe nur erfahren, dass es auch etwas anderes geben kann, das sich auf einer ganz anderen Ebene bewegt, und das mir auch sehr wichtig und bedeutsam geworden ist. Es ist mit unserem Zusammenleben nicht zu vergleichen. Ich kann und will mich nicht für das Eine und gegen das Andere entscheiden. Es gefällt mir und befriedigt mich beides. Eines Tages, als Sophia mit Erik am Abendbrottisch saß, sagte er kühl und nüch­tern: „Mir ist zugetragen worden, dass du einen Freund aus eurer Firma hast, mit dem du jeden Tag, von Montags bis Donnerstags nach der Arbeit zu ihm nach Hause fährst. Trifft das zu?“ Sophia hörte auf zu kauen und erstarrte. Jetzt irgendetwas zu plappern und es abzustreiten, das konnte sie nicht. Trotz allem war Erik ja kein dummer Junge für sie. Sie achtete, respektierte und mochte ihn schon. „Sophia, du wirst mir etwas dazu sagen müssen.“ forderte Erik sie auf zu antworten. Sie konnte, was sie im Mund hatte, nicht mehr runterschlucken und spuckte es auf den Teller. „Ja es ist zutreffend.“ antwortete sie nur. Blickte mal zu Erik und mal auf ihren Teller. „Es wäre mir schon lieb, von dir etwas mehr zu erfahren, Sophia. Was bietet dieser Mann meiner Belle de Jour, was für sie hier nicht möglich wäre?“ fragte Erik weiter, und verdeut­lichte, dass er zwar äußerlich Coolness zeigen konnte, es ihn aber natürlich schon emotional traf. Er lebte für die Arbeit, alles andere war für Erik Sophia, beziehungsweise mit ihr Zusammenhängendes. Unser Zusammenleben über die ganzen Jahre hin, gefällt mir und ist mir wichtig. Ich habe nur erfahren, dass es auch etwas anderes geben kann, das sich auf einer ganz anderen Ebene bewegt, und das mir auch sehr wichtig und bedeutsam geworden ist. Es ist mit unserem Zusammenleben nicht zu vergleichen. Ich kann und will mich nicht für das Eine und gegen das Andere entscheiden. Es gefällt mir und befriedigt mich beides.

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nehme, warme Glücksgefühl vermittelt hatte. Ein kleiner, etwas abgetrennter Bereich diente ihr als privates Herrschaftsgebiet, und Sophia empfand es manchmal tatsächlich so, als ob das Glück ihrer Kindertage transformiert für Erwachsene jetzt zu ihr zurückgekehrt sei. „Liebster,“ meinte Sophia sinnierend zu Pierre, „ich glaube wir beide können gar nicht ohne den andern leben, dafür können wir uns einfach zu gut riechen.“ Pierre lachte, er verstand Sophia nicht. „Ich erinnere mich noch daran, als wir uns damals im Office vorgestellt wurden, du als mein neuer Chef, nicht unsympathisch aber ganz normal eben. Geändert hat sich das fast schlagartig, als du zum ersten mal neben mir standest, um mir irgendetwas zu erklären. Dein Geruch fiel mir auf. Meistens stinken Männer etwas, entweder riechen sie extrem nach Mann und Schweiß, oder sie umgibt eine Wolke widerlichen Aftershave-Duftes. Du fielst mir auf, weil du einen für mein Empfinden ungewöhnlich angenehmen Geruch verbreitetest, ein wenig Mann aber sonst sehr mild und warm. Ganz unbewusst war für mich plötzlich klar, dass du ein sehr netter Mensch sein musstest. Sonderbar, nicht wahr? Es war mir nie unangenehm, wenn du so nah bei mir warst, dass ich dich riechen konnte, im Gegenteil, es gefiel mir.“ „Und heute, gibt es da manchmal Momente, in denen du mich nicht riechen kannst?“ fragte Pierre scherzend. „Ja, dann wenn du so dämliche Fragen stellst.“ antwortete ihm Sophia, „Ich meine es ernst. Bei dir ist es doch nicht anders. Du bist doch richtig olfaktophil. Wie oft hast du mir schon gesagt, ich solle nicht soviel Deo, Creme oder Parfüm nehmen, das schönste Parfüm produziere ich selber. Oder wenn wir gefickt haben, hast du hinterher gesagt, jetzt röche ich am besten. Mein Odeur kann gar nicht so schlimm sein, als dass er dir nicht gefiele.“ „Sophia ich finde das angenehm und ich denke, dass es auch gar nicht unwichtig ist, den Geruch des anderen zu mögen. Dein Geruch bleibt mir auch in der Nase, im Gedächtnis. Als du wiederkamst aus Frankreich hätte ich ohne jeden Zweifel am Duft erkennen können, dass du es bist. Wenn ich daran denke, kann ich mir auch etwas vorstellen, wie ein Bild. Das wird immer bleiben und immer als angenehm empfunden werden. Aber das ist dein Körpergeruch, wenn du stinkst, das mag ich auch nicht.“ antwortete Pierre. So waren sich beide einig darin, dass die Gründe für ihre Unzertrennlichkeit wesentlich auch in ihrer olfaktorischen Harmonie zu suchen seien. Bambini? Besonders genossen Sophia und Pierre die gemeinsamen langen Abende, die Wochenenden, alles was ihnen damals versagt war oder nicht stattfinden konnte. Sie brauchten keine neue Beziehung, sie hatten ein neues gemeinsames Leben. Selbst gemeinsames Einkaufen war neu und interessant. Sophia erlebte mit ihren zweiundvierzig Jahren außer Espresso-Trinken fast alles zum ersten Mal mit Pierre, freute sich selbst über Banalitäten und fand alles aufregend und spannend. „Pierre, du musst nicht lachen.“ begann Sophia ein Gespräch, „du wirst es nicht nachempfinden können, aber ich sag einfach wie es war, ich hatte die Vorstellung, dass wir Kinder haben könnten, kleine Pierres und kleine Sophias und es machte mir Freude.“ Pierre lachte nicht, er schaute Sophia nur mit großen Augen an. „Ja,“ setzte die fort, „ich weiß, es ist verrückt, selbst Ein Espresso für Sophia – Seite 23 von 26

wenn es klappen sollte, wir würden sie als Oma und Opa in die Schule bringen. Nur dieser Wunsch, diese Lust darauf fand ich sehr außergewöhnlich. Damals war es in gewisser Weise selbstverständlich, dass man auch Kinder haben würde, nicht schlecht aber auch kein dringendes Bedürfnis danach. Eine alltägliche Selbstverständlichkeit eben. Jetzt ist es etwas ganz Neues, etwas das ich nicht kenne, das ich noch nie gehabt habe. Du bist Schuld daran, wer sonst.“ Jetzt lachte Pierre aber doch. Er hatte nie an Kinder gedacht, nie einen Wunsch danach verspürt. Mit seiner Freundin war es nie ein Thema gewesen, aber jetzt mit Sophia? Pierre begann zu träumen. „Sag etwas!“ forderte ihn Sophia auf. Pierre lächelte und küsste Sophia. „Ich glaube, du machst mir mit deiner Vorstellung auch Freude, aber in unserem Alter? Nur Interesse daran, es mal genau zu überlegen hätte ich schon. Du wärst ja bei weitem nicht die einzige Frau, die mit zweiundvierzig noch ein Kind bekommt. Heute ist das ja schon fast selbstverständlich, und die einzigen Omas und Opas im Kindergarten würden wir bestimmt nicht sein.“ erklärte Pierre. „Nein, nein,“ wehrte Sophia ab, „ich meinte ja gar nicht, dass wir es praktisch realisieren sollten. Ich war nur erstaunt. Wie und wann kommt in einer Frau der Wunsch auf, Kinder zu bekommen. Es bedeutet doch eigentlich Unannehmlichkeiten, viel Arbeit und Stress, das weißt du doch, und trotzdem möchtest du es.“ „Das ist genetisch so bedingt,“ erklärte Pierre lächelnd, „die Frauen, denen diese Gene fehlen sind alle längst ausgestorben, konnten sich evolutionär nicht durchsetzen. Ist doch logisch.“ Sophia schmunzelte: „Und trotzdem bin ich der Ansicht, dass du Schuld daran bist. Ich empfinde alles sehr glücklich machend, eine wunderschöne emotionale Umgebung für kleine Ableger, die sie auch glücklich machen würde, und glückliche Kinder in einer freundlichen Umgebung sind eben ein schönes Bild.“ „Sophia,“ sprach Pierre wieder ernst, „wir sollten es doch mal praktisch überlegen. Ich würde mich auch sehr darauf freuen. Natürlich nur, wenn du es auch willst, denn für dich ist es ja mit den meisten Komplikationen und Risiken verbunden.“ Wahrscheinlich war der wichtigste Grund für Sophias Kinderwunsch, in der Veränderung ihrer Persönlichkeit zu finden. Sie konnte zwar immer noch in kindlicher Freude durch die Wohnung tanzen, aber das Zusammenleben mit Pierre und ihre emotional klare Positionierung hatten ihr mehr Reife und Sicherheit verliehen. Sie wusste, was sie wollte, und das stimmte auch mit ihrer gesamten Persönlichkeit überein. Dieses von Unklarheiten, Widersprüchlichkeiten und Turbulenzen geprägte Leben hatte für sie ein Ende gefunden. Sie war im Grunde erst jetzt eine richtig erwachsen Frau geworden. Alles wurde in die Wege geleitet. Die Operation an Sophias Eileitern stellte sich fast als Lappalie heraus und kurz darauf war sie mit einem kleinen Mädchen schwanger. Pierre und Sophia freuten sich grenzenlos, und nachdem die kleine Simona auf der Welt war, ließ Sophia es einfach zu einer weiteren Schwangerschaft kommen. Wieder ein Mädchen. Für Pierre sollte ihr Name mit P beginnen und Parvana (Schmetterling) wurde ausgesucht. Epilog Ein Espresso für Sophia – Seite 24 von 26

nehme, warme Glücksgefühl vermittelt hatte. <strong>Ein</strong> kleiner, etwas abgetrennter<br />

Bereich diente ihr als privates Herrschaftsgebiet, und <strong>Sophia</strong> empfand es<br />

manchmal tatsächlich so, als ob das Glück ihrer Kindertage transformiert für<br />

Erwachsene jetzt zu ihr zurückgekehrt sei. „Liebster,“ meinte <strong>Sophia</strong> sinnierend<br />

zu Pierre, „ich glaube wir beide können gar nicht ohne den andern leben, dafür<br />

können wir uns einfach zu gut riechen.“ Pierre lachte, er verstand <strong>Sophia</strong> nicht.<br />

„Ich erinnere mich noch daran, als wir uns damals im Office vorgestellt<br />

wurden, du als mein neuer Chef, nicht unsympathisch aber ganz normal eben.<br />

Geändert hat sich das fast schlagartig, als du zum ersten mal neben mir standest,<br />

um mir irgendetwas zu erklären. Dein Geruch fiel mir auf. Meistens stinken<br />

Männer etwas, entweder riechen sie extrem nach Mann und Schweiß, oder<br />

sie umgibt eine Wolke widerlichen Aftershave-Duftes. Du fielst mir auf, weil du<br />

einen für mein Empfinden ungewöhnlich angenehmen Geruch verbreitetest, ein<br />

wenig Mann aber sonst sehr mild und warm. Ganz unbewusst war für mich<br />

plötzlich klar, dass du ein sehr netter Mensch sein musstest. Sonderbar, nicht<br />

wahr? Es war mir nie unangenehm, wenn du so nah bei mir warst, dass ich<br />

dich riechen konnte, im Gegenteil, es gefiel mir.“ „Und heute, gibt es da<br />

manchmal Momente, in denen du mich nicht riechen kannst?“ fragte Pierre<br />

scherzend. „Ja, dann wenn du so dämliche Fragen stellst.“ antwortete ihm <strong>Sophia</strong>,<br />

„Ich meine es ernst. Bei dir ist es doch nicht anders. Du bist doch richtig<br />

olfaktophil. Wie oft hast du mir schon gesagt, ich solle nicht soviel Deo, Creme<br />

oder Parfüm nehmen, das schönste Parfüm produziere ich selber. Oder wenn<br />

wir gefickt haben, hast du hinterher gesagt, jetzt röche ich am besten. Mein<br />

Odeur kann gar nicht so schlimm sein, als dass er dir nicht gefiele.“ „<strong>Sophia</strong> ich<br />

finde das angenehm und ich denke, dass es auch gar nicht unwichtig ist, den<br />

Geruch des anderen zu mögen. Dein Geruch bleibt mir auch in der Nase, im<br />

Gedächtnis. Als du wiederkamst aus Frankreich hätte ich ohne jeden Zweifel<br />

am Duft erkennen können, dass du es bist. Wenn ich daran denke, kann ich<br />

mir auch etwas vorstellen, wie ein Bild. Das wird immer bleiben und immer als<br />

angenehm empfunden werden. Aber das ist dein Körpergeruch, wenn du<br />

stinkst, das mag ich auch nicht.“ antwortete Pierre. So waren sich beide einig<br />

darin, dass die Gründe für ihre Unzertrennlichkeit wesentlich auch in ihrer olfaktorischen<br />

Harmonie zu suchen seien.<br />

Bambini?<br />

Besonders genossen <strong>Sophia</strong> und Pierre die gemeinsamen langen Abende, die<br />

Wochenenden, alles was ihnen damals versagt war oder nicht stattfinden konnte.<br />

Sie brauchten keine neue Beziehung, sie hatten ein neues gemeinsames<br />

Leben. Selbst gemeinsames <strong>Ein</strong>kaufen war neu und interessant. <strong>Sophia</strong> erlebte<br />

mit ihren zweiundvierzig Jahren außer <strong>Espresso</strong>-Trinken fast alles zum ersten<br />

Mal mit Pierre, freute sich selbst über Banalitäten und fand alles aufregend und<br />

spannend. „Pierre, du musst nicht lachen.“ begann <strong>Sophia</strong> ein Gespräch, „du<br />

wirst es nicht nachempfinden können, aber ich sag einfach wie es war, ich hatte<br />

die Vorstellung, dass wir Kinder haben könnten, kleine Pierres und kleine<br />

<strong>Sophia</strong>s und es machte mir Freude.“ Pierre lachte nicht, er schaute <strong>Sophia</strong> nur<br />

mit großen Augen an. „Ja,“ setzte die fort, „ich weiß, es ist verrückt, selbst<br />

<strong>Ein</strong> <strong>Espresso</strong> für <strong>Sophia</strong> – Seite 23 von 26

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