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Mein Freund Abbi

„Du bist nur einfach für dein Alter viel zu alt geworden.“ hatte ihre Mutter gemeint. Eine große Entwicklungsgeschichte mit vielen Personen, Veränderungen, Verwirrungen und wundervollen Beziehungen. An einem Freitagabend waren wir alle am Küchentisch sitzen geblieben, hatten bei Wein und Käse immer weiter erzählt und gelacht. Eine wunderschöne Stimmung und vertrauliche Atmosphäre. „Komm mit, Abbi, willst du?“ hatte ich gefragt als wir ins Bett gehen wollten. Ja, natürlich wollte er. Wir küssten, drückten, rieben uns. Ich war schon ganz erregt und hätte sagen können: „Abbi, ich will ficken.“ Es sollte aber alles ganz gemütlich, zart und einfühlsam geschehen. Es war ja unser erstes mal. Wir wollten doch den Kör­per langsam streichelnd feinfühlig erfahren. Unsrer Liebe wollten wir elegische Kör­perlichkeit vermitteln. Ja, schön, so kann man träumen, es wär ja auch nicht schlecht. Und irgendwann, da würden wir's bestimmt so machen. Nur jetzt war's so, ich wollte gar nicht warten und Abbi tat, als ob er's gar nicht wollte. Er wollte schon, er traute sich nur nicht, zu gar nichts. „Abbi, mach doch!“ musst ich ihn er­mahnen. Ich setzte mich und lehnte mich ans Kopfende vom Bett. Lachend mit wei­nerlichem Unterton erklärte ich: „Abbi, so wird das nix. Du willst es doch, dann musst du auch was machen. Ich warte doch darauf und möcht' es gern.“ „Ja, Mari­on, es tut mir leid. Ich möchte schon, aber ich kann das gar nicht. Ich glaub', ich hab' dich ganz entsetzlich lieb“, und er begann zu weinen. Mein Körper käme ihm vor wie der Koh-i-Noor, er traue sich fast nicht ihn zu berühren. Natürlich begehre er mich ganz stark und es errege ihn ja auch, aber Sex das habe auch immer Kon­notationen, für die ich ihm zu wertvoll und zu schade sei. Oh je, der Abbi, mit sei­ner großen Klappe, die mir gut gefiel. Dass er sehr feinfühlig sein konnte, wusste ich natürlich und ich liebte es. Nur jetzt? Na ja grob wollt ich ihn ja auch nicht. Wir redeten und balgten auch ein wenig und ich machte ihm klar, dass ich es gar nicht möchte, vom ihm verehrt zu werden.

„Du bist nur einfach für dein Alter viel zu alt geworden.“ hatte ihre Mutter gemeint. Eine große Entwicklungsgeschichte mit vielen Personen, Veränderungen, Verwirrungen und wundervollen Beziehungen. An einem Freitagabend waren wir alle am Küchentisch sitzen geblieben, hatten bei Wein und Käse immer weiter erzählt und gelacht. Eine wunderschöne Stimmung und vertrauliche Atmosphäre. „Komm mit, Abbi, willst du?“ hatte ich gefragt als wir ins Bett gehen wollten. Ja, natürlich wollte er. Wir küssten, drückten, rieben uns. Ich war schon ganz erregt und hätte sagen können: „Abbi, ich will ficken.“ Es sollte aber alles ganz gemütlich, zart und einfühlsam geschehen. Es war ja unser erstes mal. Wir wollten doch den Kör­per langsam streichelnd feinfühlig erfahren. Unsrer Liebe wollten wir elegische Kör­perlichkeit vermitteln. Ja, schön, so kann man träumen, es wär ja auch nicht schlecht. Und irgendwann, da würden wir's bestimmt so machen. Nur jetzt war's so, ich wollte gar nicht warten und Abbi tat, als ob er's gar nicht wollte. Er wollte schon, er traute sich nur nicht, zu gar nichts. „Abbi, mach doch!“ musst ich ihn er­mahnen. Ich setzte mich und lehnte mich ans Kopfende vom Bett. Lachend mit wei­nerlichem Unterton erklärte ich: „Abbi, so wird das nix. Du willst es doch, dann musst du auch was machen. Ich warte doch darauf und möcht' es gern.“ „Ja, Mari­on, es tut mir leid. Ich möchte schon, aber ich kann das gar nicht. Ich glaub', ich hab' dich ganz entsetzlich lieb“, und er begann zu weinen. Mein Körper käme ihm vor wie der Koh-i-Noor, er traue sich fast nicht ihn zu berühren. Natürlich begehre er mich ganz stark und es errege ihn ja auch, aber Sex das habe auch immer Kon­notationen, für die ich ihm zu wertvoll und zu schade sei. Oh je, der Abbi, mit sei­ner großen Klappe, die mir gut gefiel. Dass er sehr feinfühlig sein konnte, wusste ich natürlich und ich liebte es. Nur jetzt? Na ja grob wollt ich ihn ja auch nicht. Wir redeten und balgten auch ein wenig und ich machte ihm klar, dass ich es gar nicht möchte, vom ihm verehrt zu werden.

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Carmen Sevilla<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong><br />

Ich liebte ihn und wusst es nicht<br />

Erzählung<br />

En amour, les jeunes paient pour ce qu'il font, les<br />

vieux pour ce qu'ils ne font pas<br />

„Du bist nur einfach für dein Alter viel zu alt geworden.“ hatte ihre Mutter gemeint.<br />

Eine große Entwicklungsgeschichte mit vielen Personen, Veränderungen,<br />

Verwirrungen und wundervollen Beziehungen. An einem Freitagabend waren wir<br />

alle am Küchentisch sitzen geblieben, hatten bei Wein und Käse immer weiter<br />

erzählt und gelacht. Eine wunderschöne Stimmung und vertrauliche Atmosphäre.<br />

„Komm mit, <strong>Abbi</strong>, willst du?“ hatte ich gefragt als wir ins Bett gehen wollten. Ja,<br />

natürlich wollte er. Wir küssten, drückten, rieben uns. Ich war schon ganz erregt<br />

und hätte sagen können: „<strong>Abbi</strong>, ich will ficken.“ Es sollte aber alles ganz gemütlich,<br />

zart und einfühlsam geschehen. Es war ja unser erstes mal. Wir wollten doch den<br />

Körper langsam streichelnd feinfühlig erfahren. Unsrer Liebe wollten wir elegische<br />

Körperlichkeit vermitteln. Ja, schön, so kann man träumen, es wär ja auch nicht<br />

schlecht. Und irgendwann, da würden wir's bestimmt so machen. Nur jetzt war's so,<br />

ich wollte gar nicht warten und <strong>Abbi</strong> tat, als ob er's gar nicht wollte. Er wollte<br />

schon, er traute sich nur nicht, zu gar nichts. „<strong>Abbi</strong>, mach doch!“ musst ich ihn ermahnen.<br />

Ich setzte mich und lehnte mich ans Kopfende vom Bett. Lachend mit weinerlichem<br />

Unterton erklärte ich: „<strong>Abbi</strong>, so wird das nix. Du willst es doch, dann<br />

musst du auch was machen. Ich warte doch darauf und möcht' es gern.“ „Ja, Marion,<br />

es tut mir leid. Ich möchte schon, aber ich kann das gar nicht. Ich glaub', ich<br />

hab' dich ganz entsetzlich lieb“, und er begann zu weinen. <strong>Mein</strong> Körper käme ihm<br />

vor wie der Koh-i-Noor, er traue sich fast nicht ihn zu berühren. Natürlich begehre<br />

er mich ganz stark und es errege ihn ja auch, aber Sex das habe auch immer Konnotationen,<br />

für die ich ihm zu wertvoll und zu schade sei. Oh je, der <strong>Abbi</strong>, mit seiner<br />

großen Klappe, die mir gut gefiel. Dass er sehr feinfühlig sein konnte, wusste<br />

ich natürlich und ich liebte es. Nur jetzt? Na ja grob wollt ich ihn ja auch nicht. Wir<br />

redeten und balgten auch ein wenig und ich machte ihm klar, dass ich es gar nicht<br />

möchte, vom ihm verehrt zu werden.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 1 von 34


<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> - Inhalt<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong>................................................................................... 4<br />

Sinn des Lebens..................................................................................... 4<br />

Liebet eure Feinde.................................................................................. 4<br />

Ich bin doch noch viel zu jung.................................................................. 5<br />

Risiken der Liebe.................................................................................... 5<br />

Ein Jahr nach Frankreich..........................................................................6<br />

Cavallets Tochter.................................................................................... 6<br />

Léanes Vertraute.................................................................................... 7<br />

Heimweh?............................................................................................. 7<br />

Danielle................................................................................................ 8<br />

Liebe und Sex........................................................................................ 9<br />

Amitié étroite......................................................................................... 9<br />

Dankbarkeit......................................................................................... 10<br />

Evas Apfel........................................................................................... 10<br />

Hannahs Besuch................................................................................... 11<br />

Vertreibung aus dem Paradies.................................................................11<br />

Wieder in Düsseldorf............................................................................. 12<br />

<strong>Abbi</strong>, ich liebe dich................................................................................ 13<br />

Liebesschock........................................................................................ 14<br />

First Kiss............................................................................................. 14<br />

Rückkehrféte........................................................................................15<br />

First Time <strong>Abbi</strong>..................................................................................... 16<br />

Danielle und Dad.................................................................................. 19<br />

Du bist high, Danielle............................................................................ 19<br />

Nie gewollt.......................................................................................... 20<br />

Besuch in Aurillac................................................................................. 20<br />

Fabiens Leidensgeschichte.....................................................................21<br />

Fabiens Befreiung................................................................................. 21<br />

Danielles Entscheidung.......................................................................... 22<br />

Fabien in der Schule.............................................................................. 23<br />

Gemeinsamkeit des Lebenden................................................................23<br />

Weihnachten........................................................................................ 24<br />

Michelle...............................................................................................26<br />

Danielle und Uli.................................................................................... 29<br />

Das alte Ehepaar.................................................................................. 30<br />

Abitur................................................................................................. 30<br />

WG-Pläne............................................................................................ 31<br />

Michelles Rückkehr................................................................................32<br />

Keine Chance....................................................................................... 32<br />

Gemeinsames Haus...............................................................................32<br />

<strong>Mein</strong>e kleine Robinie..............................................................................33<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 2 von 34


<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong><br />

Sinn des Lebens<br />

Hier kleb' ich immer fest, an meinem Schreibtisch. Mit Hausaufgaben basteln fängt<br />

es an. Hannah zieht's immer durch. Ritsch, ratsch ist sie mit allem fertig und hat<br />

dann für andres Zeit. Ich glaub, bei Mathe will mein Kopf was andres. Er schickt den<br />

Blick zum Fenster. Zu sehen gibt es draußen nichts. Vor meinem Fenster steht ein<br />

kleiner Baum und hinter ihm ein großes Institut. Der Baum spürt Wind, den's gar<br />

nicht gibt. Seine feinen Blättchen bewegen sich oft, wenn das Windrad auf dem Institut<br />

völlig still steht. Sehr feinfühlig ist die kleine Robinie, ständig klimpern ihre<br />

Blättchen, und schon leichter Wind verwuschelt ihren ganzen Kronenschopf. <strong>Mein</strong><br />

Mantra wird sie sein, auf das ich starre, und die zart klimpernden Blättchen flüstern<br />

mir Gedanken zu, die der leichte Wind ihnen verraten hat und die in mir selbst noch<br />

offen sind. Der Sinn des Lebens? Ja, den kenn ich schon. <strong>Mein</strong> Sinn des Lebens besteht<br />

darin, auf niemanden zu hören, der ihn mir erklären will. Fünfzehn Jahre sinnvollen<br />

Lebens hat ich hinter mir, als ich zum ersten Mal die Frage stellte. Rational<br />

'nen Sinn für's Leben finden? Verstand und Wissen wollen mir erklären, warum ich<br />

lebe, wie's zu laufen hat? So geht es nicht, das Leben, es funktioniert so wie vom<br />

ersten Tag bis du verschwindest aus der Zeit, die dir gegeben. „Life is too short be<br />

not happy.“, das ist schon gut zu wissen. Die größten Leiden dieser Welt, sie sind<br />

Produkt der Menschen, die ihn kennen, den Sinn des Lebens, und ihn missbrauchen,<br />

um ihr Handeln zu begründen. Es treibt sie Gier sich durchzusetzen, die eignen<br />

Vorteile zu suchen, denn nur darin sehn sie Glück und Perspektive. Doch das<br />

sagt keiner, es ist das, wie sie zu leben gelernt haben, das tun sie immer weiter.<br />

Nur anderer Begründungen bedarf es jetzt. Ich liebe es zu träumen, zu philosophieren,<br />

und da ist sicher Ähnliches dabei, das mich auch ausmacht, und mir Einstellungen<br />

vermittelt. Geschlossene Ideen als Gebäude meines Denkens, Lebens, Handelns,<br />

das will ich nicht mehr, diese Zeiten sind vorbei.<br />

Liebet eure Feinde<br />

Lang war ich fasziniert vom neuen Testament. In Palästina vor zweitausend Jahren<br />

zu sprechen, was die Bergpredigt uns sagt? Wie konnte jemand die Gedanken haben?<br />

Wo hat er sie gelernt? Wie kam er zu dem Bild, das hinter diesen stand? Das<br />

war nicht möglich zu erklären. Solche Gedanken zu dieser Zeit. Es faszinierte mich<br />

und ließ mich glauben. Der Brief, den Paulus, dieser Frauenfeind, an die Korinther<br />

schrieb, er hört sich auch gut an, nur gab es dafür auch konkrete Gründe in Korinth.<br />

Doch war ich lange so bekloppt, zu glauben, die Kirche seien die, die um den<br />

Berg gestanden, und Jesus Worte heute in die Tat umsetzten. Doch sie ist eine Firma<br />

der Kulturgeschichte, die Politik macht, wie die andern auch. Ihr Handeln sucht<br />

sie nur mit hehren Gründen zu belegen, die in der Bibel stehn und Jesu Wort sein<br />

sollen. Sie sind die Schriftgelehrten und die Pharisäer, deren Gerechtigkeit nicht<br />

ausreicht, um ins Himmelreich zu kommen. Der Common Sense, der unser Bild<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 3 von 34


vom Menschen heute prägt, der Bergpredigt liegt er viel näher als die Praxis unsrer<br />

Kirchen.<br />

Ich bin doch noch viel zu jung<br />

Nur der Abschnitt mit dem Ehebruch, der ist nicht mehr verständlich. Na klar, Beziehungen<br />

zerstören, Verhältnis von Vertrauen unter Menschen zu zerbrechen, das<br />

ist nicht gerade Spielerei. Wer macht das denn? Die Männer, welche Ehefrauen lüstern<br />

anschaun? Dass passt nicht mehr zu der Kultur und unsrem Wissen. Das müsst<br />

man heut schon anders formulieren.<br />

Ich komm da gar nicht vor. Ich schau sie ja nicht lüstern an, die Männer. Ich weiß<br />

nicht, was beim Anschaun Lust erwecken sollte. Ein schöner Mann ist eben schön,<br />

nur Lust auf ihn die kommt von anderswo. Ich habe niemand, und ich würd schon<br />

gerne. Ich stell mir vieles Schöne vor, was mir jetzt fehlt. Probleme gäb's bestimmt<br />

nicht, jemanden zu finden. Die Jungs versuchen es ja auch bei mir. Aber ich weiß<br />

nicht. Ich hab Angst. Das ist ja keine Kinderei. Du hast ja tiefere Beziehungen zu<br />

einem andren, und das ist ja kein Spiel, das dich nicht selbst berührt. Ich habe<br />

Angst, dass es mich tief erfasst, mich nicht mehr loslässt, bindet, doch dafür bin ich<br />

jetzt mit sechzehn viel zu jung. Ich will frei leben, keine Bindung. Ich sehe die Verpflichtungen<br />

und Forderungen, die ein <strong>Freund</strong>schaftsverhältnis mit sich bringt. Das<br />

will ich alles nicht. Doch die Robinie weiß keinen Rat, und mit meinen Sekanten und<br />

Tangenten wird sich auch kein Differenzenquotient für den Durchschnittswert einer<br />

Loverfindungsgeschwindigkeit errechnen lassen.<br />

Risiken der Liebe<br />

Bei Hannah, meiner anderthalb Jahre älteren Schwester, ist das alles ganz selbstverständlich.<br />

Sie hat ihren Phil, ist happy und kann meine Probleme nicht verstehen.<br />

Ich selbst ja auch nicht so richtig. „Das geht doch so gar nicht.“ sagt sie, „Du<br />

planst doch nicht vorher, ob du einen <strong>Freund</strong> haben, und was du dann mit ihm machen<br />

willst. Du verliebst dich, weil du jemanden klasse findest und ihn gern hast.<br />

Und dann kommt alles weitere von selbst.“ Na, vor dem 'Von-selbst' graute mir<br />

aber. Für Hannah sah ich zwei Möglichkeiten. Sie liebt ihren Phil immer weiter, heiratet<br />

ihn, wird Mama, er betrügt sie, sie will's gar nicht wissen. Sie leben immer so<br />

vor sich hin. Immer beide zusammen, weil's immer schon so war. Wie grässlich.<br />

Wenn ich auch nicht weiß, was der Sinn des Lebens sein soll, aber dass er das nicht<br />

sein kann, dessen bin ich mir sicher. Die Alternative wäre, sie leben vier oder fünf<br />

Jahre zusammen, und dann will einer oder beide nicht mehr, aus welchen Gründen<br />

auch immer. So eine Perspektive wollte ich auch nicht. Wer vier Jahre dein Liebster<br />

und engster Vertrauter war, kann nicht einfach von dir gehen. Es zerreißt etwas in<br />

dir, besonders wenn du auf ihn böse sein musst und noch nicht mal trauern darfst.<br />

Ich bin durchaus nicht melancholisch oder depressiv und defätistisch sind sie auch<br />

nicht, die Gedanken, aber die Freuden die Liebe mit sich bringt, bergen eben auch<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 4 von 34


hohe unliebsame Risiken. Warum kann Liebe nicht so funktionieren, wie zu meiner<br />

Mutter, auch meinen Vater lieb ich sehr. Na gut, sie schliefen miteinander, doch<br />

warum konnt' mein Vater sie nicht lieben, so wie ich. Sie liebten sich doch länger<br />

als ich jeden. Wie kann sie denn verschwinden, Liebe zu einem anderen Menschen.<br />

Du liebst doch nicht das Äußre, wenn du jemand liebst. Mag sein, dass dir's gefällt,<br />

doch ist das nie der Kern einer Beziehung. Ich könnt doch nie zu meiner Mutter,<br />

meinem Vater sagen: „Die Zeit, dass wir uns liebten, ist vorbei.“ Das wäre doch<br />

komplett abstrus, doch Mam und Dad, die brachten so was. Na ja, mein Bäumchen<br />

muss auf vieles Antwort wissen, vielleicht wispern die Blättchen mir ja mal was zu.<br />

Ein Jahr nach Frankreich<br />

Juhu, ich konnt' nach Frankreich für ein Jahr. Aber Aurillac, was soll ich denn da.<br />

Das ist doch Auvergne, Cantal, tiefstes Bauernland. Da kann ich auch ein Jahr im<br />

Emsland verbringen. Da lern ich auch ne neue Sprache. Ich dachte das sei ein Dorf,<br />

da gäb's gar kein Lycée. Ich wollte ja so gern nach Frankreich, aber da hatte ich immer<br />

ganz andere Bilder. Ja, eine Kleinstadt war nicht ausgeschlossen, aber da hatten<br />

die Gasteltern ein Weingut. Der Vater war Rechtsanwalt und die Mutter arbeitete<br />

in der Präfektur des Departements. Ich würd' es schon ertragen. Dass Bauern<br />

Austauschschülerinnen aufnahmen, war ja auch wohl unwahrscheinlich. Trotzdem<br />

weinte ich beim Abschied, als ob ich jetzt ein Jahr ins Lager müsste.<br />

Alle hatten mir gut zugeredet. Erklärt, wie toll die Auvergne sei. Ich müsse meine<br />

Perspektive ändern. Ich sei bei andren Menschen, das sei das Zentrale. Aurillac hatte<br />

ja sogar einen eigenen Flughafen und als mich die ganze Familie Chavallet samt<br />

Sohn und Tochter abends nach neun Uhr abholen kamen, war von Lagerfurcht<br />

nichts mehr zu spüren. Es waren nur wenige Kilometer vom Flughafen, aber als wir<br />

ankamen, hatte ich schon ein Empfinden von Zuhause. Fabien konnte Deutsch und<br />

wollte im nächsten Jahr nach Deutschland. Er und ich radebrechten unsere jeweiligen<br />

Sprachkenntnisse und lachten uns dabei tot. Es konnte nicht sein, das wir uns<br />

gerade erst getroffen hatten, wir mussten uns schon von Geburt an kennen. Für<br />

alle drei war es so. Dannielle hatte sich auch fleißig in die Sprachspielereien eingemischt.<br />

Ich fühlte mich zuhause, obwohl ich ja noch nie etwas von hier gesehen<br />

hatte. Und tatsächlich, Bauernland? Cantal? Auvergne? Es interessierte mich nicht<br />

mehr, in den Gedanken tauchte es nicht auf.<br />

Cavallets Tochter<br />

Ich musste natürlich noch ein wenig essen und die anderen aßen aus Solidarität<br />

mit. Beim Essen lachten wir zwar nicht mehr über unsere Sprachkuriositäten, aber<br />

lustig blieb es trotzdem. Léane, Madame Chavallet, war erstaunt. „Die Deutschen,<br />

sagt man, sind immer sehr ernst. Sie lachen wenig, mögen keine Scherze.“ erklärte<br />

sie. Über meine mimische Reaktion begannen schon alle wieder zu lachen. „Ich<br />

weiß es nicht. Bestimmt gibt’s davon viele, doch meine <strong>Freund</strong>e sind das nicht. <strong>Mein</strong>e<br />

Philosophie lautet: 'la vie est trop courte pour ne pas être joyeux'.“ reagierte ich<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 5 von 34


und die anderen nickten lächelnd Zustimmung. „Ja, es trifft zu, und wir vergessen's<br />

viel zu oft. Verlieren uns gern in angeblicher Wichtigkeit und vorgeblicher Bedeutsamkeit.<br />

An Freude denken alle viel zu wenig.“ bemerkte Félicien, Monsieur Chavallet,<br />

dazu, und Léane erklärte: „Marion, für ein Jahr wirst du jetzt unsre Tochter<br />

sein, ist dir das Recht? Willst du dich so empfinden? Mich würd's freun.“ So sah ich<br />

mich doch selbst schon in der Praxis, doch ich bedankte mich, für Madames freundliche<br />

Worte.<br />

Ich lag im Bett und konnt vor Glück nicht schlafen. Wie konnte ich nur so stupide<br />

sein. Grässliche Menschen hätt' ich in Paris, Lyon, Marseille treffen können, doch<br />

dahin hat ich mich gewünscht. Jetzt war ich im Massiv Central und sollte Auvergnate<br />

werden? Was für ein Blödsinn. Die Welt der Chavallets war meiner näher als die<br />

mancher Nachbarn. Und alle hatten mir nicht nur das Haus geöffnet, jeder war selber<br />

für mich offen, schloss mich ins Herz, fast gleich von Anfang an. Zu Hause war<br />

ich abgereist, zu Hause war ich angekommen.<br />

Léanes Vertraute<br />

Ich hatte mich natürlich schon für's Französische interessiert, war mehrmals im Urlaub<br />

dort gewesen, drei mal Paris und andre Städte hatte ich gesehn, aber morgens<br />

sein Baguette oder Croissant in den Café au lait im Bol auf dem Küchentisch einer<br />

französischen Familie zu tunken, das war schon ein anderes Erlebnis. So etwas und<br />

Ähnliches würde ich jetzt jeden Tag, selbstverständlich ohne Notiz da von zu nehmen,<br />

ein ganzes Jahr lang tun. Eine Französin musste ich schon werden, das würde<br />

sich nicht verhindern lassen. Dafür sorgte auch Madame Chavallet auf eine etwas<br />

andere Art. Sie hatte ihren Félicien während des Studiums in Paris kennengelernt<br />

und war ihm als Pariserin in die Auvergne gefolgt. Eine elegante, charmante Frau<br />

war sie, die im doch kleinstädtischen Flair von Aurillac positiv auffiel. Ich weiß nicht,<br />

was genau sie in mir sah, doch Düsseldorf war für sie Chic und Elegance. Mit all<br />

dem hat ich nichts zu tun. Ich lebte in normalen Jugendwelten, ich kam mir aber<br />

vor, als ob ich jemand wäre, mit dem sie endlich mal darüber sprechen könnte.<br />

Schlecht war das nicht. Alles von sich erklärte sie und zeigt es mir. Ich lernte kunstvoll<br />

mich zu schminken, bekam ein Kleid und elegante Wäsche. Warum nicht Danielle,<br />

sie war genauso alt wie ich. Sie würde es nicht würdigend bestaunen können.<br />

Sie kam ja nicht aus Düsseldorf, vermut' ich mal.<br />

Doch das war falsch. Nicht nur bei Chic und Elegance zog sie mich ins Vertrauen.<br />

Was Léane in mir sah, das weiß ich nicht. Im Grunde war ich doch ein Kind. Was sie<br />

mit niemandem wohl sonst besprach, war Thema unserer Gespräche. Ihre Ansicht<br />

zu Liebe, Ehe und Beziehung, das war ihre Geschichte nur anonymisiert, verallgemeinert.<br />

Dass ich es merkte, war ihr klar. Natürlich mochten wir uns sehr. Doch war<br />

ich siebzehn und Léane war zweiundvierzig. Es irritierte mich, doch stärkte es auch<br />

das Empfinden, kein Kind, kein junges Mädchen mehr zu sein. Ich wurd' für voll genommen,<br />

so direkt und deutlich hatt' ich das noch nie erlebt.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 6 von 34


Heimweh?<br />

Voll und aufregend waren meine Tage. Alles war neu und spannend. Natürlich auch<br />

mit viel Arbeit verbunden, dazu wollt ich so schnell perfekt sein, wollt mich im Alltag<br />

nicht um Sprache kümmern müssen. Und Danielle, wir mussten uns die ganze<br />

Welt erklären. Die Tage waren einfach viel zu kurz. Kontakt nach Hause und zu<br />

<strong>Freund</strong>en? Ja natürlich, und ich wollt es auch, nur gab es eben anderes, das jetzt<br />

hier wichtig war. Abends im Bett, da dacht ich immer an zu Hause, der Platz am<br />

Fenster mit dem kleinen Baum, auch meine Eltern meine Schwester, jetzt hätt' ich<br />

gern, das ich mit ihnen sprechen könnte. Wenn ich zurück wär', würde ich sie<br />

anders sehn. An meine <strong>Freund</strong>e dacht ich gern. Wir waren eine Clique, die sich gut<br />

verstand. Mit <strong>Abbi</strong> unterhielt ich mich am meisten. Alles besprachen wir, was<br />

wichtig war. Ich mochte ihn gut leiden. Dass er ein Junge war, mir fiel es fast nicht<br />

auf. Abdullah hieß er richtig und sein Opa kam aus Anatolien. Er war Muslim, doch<br />

nichts ereiferte ihm mehr, als der verquere Islamismushyp unter den jungen<br />

Leuten. Verrückte seien sie, gehörten in die Psychiatrie, aber nicht in eine Mosche.<br />

Mit <strong>Abbi</strong> besprach ich auch meine <strong>Freund</strong>- und Liebesprobleme, selbstverständlich.<br />

Ja, eigentlich wussten wir fast alles voneinander. Er meldete sich selten. Na ja,<br />

warum? Was gab's für einen Grund, dass er sich melden müsste. Warum wollt ich,<br />

dass er schrieb und skypte und wissen wollte wie es mir erging? Ich war doch nicht<br />

zu Hause in der Clique. Ich lebte hier mit meinen <strong>Freund</strong>en jetzt. Sonderbar, aber<br />

mit ihm zu tun gehabt, das hätte ich auch hier ganz gern. Was war er eigentlich für<br />

mich. Verliebt? Nein damit hatte's nichts zu tun. Ich malte Bilder, wie es wäre,<br />

verliebt zu sein, doch selbst war ich's noch nie. Ich wäre mal gespannt, wie so was<br />

anfing, wie sich's zeigte, woran ich es wohl merken könnt. Mit <strong>Abbi</strong> reden, das tat<br />

einfach gut. Wir lagen ganz auf einer Linie, verstanden uns hervorragend. Dass er<br />

Muslim war, hatte für seine Ansichten genauso viel Bedeutung, wie die Tatsache,<br />

das ich ja auch immer noch offizielles Mitglied der Kirche war. Er konnte sich<br />

tierisch über die Entwicklungen echauffieren. Wer ein Tuch auf dem Kopf brauche,<br />

um eine gute Muslima zu sein, erkläre zwar, dass man ihr Haar nicht sehen solle, in<br />

Wirklichkeit müsse sie aber verbergen, dass es ihr unter den Haaren an vielem<br />

fehle. Istanbul, Libanon, Palästina, Ägypten, wie viele Frauen hätten kein Kopftuch<br />

getragen. Alles verdorbene Weiber, gottlose Huren? Selbstverständlich sei es<br />

gewesen für moderne Frauen. Und heute? „Ohne Kopftuch kannst du in Gaza nicht<br />

mehr leben. Was sind das denn für Menschen, die das erzwingen? Gottgefällig sind<br />

sie bestimmt nicht. Verbrecher am Wohl der sozialen Entwicklung sind sie, sonst<br />

nichts.“ erklärte er. Alle Islamismusförderer waren für <strong>Abbi</strong> wahhabitische Gangster.<br />

Ja, es war schon gut, wenn wir uns trafen. Auch wenn hier alles noch so klasse ist,<br />

ich hab schon das Empfinden, dass er mir jetzt fehlt.<br />

Danielle<br />

Danielle musste schon am zweiten Tag Informationen über die <strong>Freund</strong>e austauschen.<br />

Dass ich keinen hatte und unsicher war, ob ich überhaupt einen wollte,<br />

konnte sie zunächst gar nicht verstehen. Es bildete aber den Ausgangspunkt zu andauernden<br />

und tiefgehenden Diskussionen über alle möglichen Bereiche von Liebe,<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 7 von 34


Beziehung, Ehe, Kleinfamilie, andere Lebensformen, Genderfragen, Selbstbild und<br />

Sexualität. Fast immer sprachen wir über derartige Themen. Ein äußerst dringendes<br />

Bedürfnis war es uns. Ich glaube fast, wir sprachen über den Sinn des Lebens einer<br />

Frau. Hier lernten wir, wie vieles für uns selber offen war. Unsere Gespräche waren<br />

uns beiden so wichtig und bedeutsam, dass wir beide der Ansicht waren, mit niemandem<br />

sonst diese wichtigsten Fragen in einer solchen Weise besprechen zu können.<br />

Was wir klärten und besprachen, hatte gewiss für uns zentrale Bedeutung und<br />

war von höchster Intimität, aber ich denke, dass mehr noch als die Inhalte, die Art<br />

es war, wie wir darüber sprachen. Es machte Lust, die andre dabei zu erleben. Zu<br />

spüren, wie die <strong>Freund</strong>in sich dir öffnete,und es genoss, dass dir daran lag, zu erkennen.<br />

Es drängte dich, noch tiefer wolltest du sie kennenlernen, als ob ein Kern<br />

da wäre, der sie selber ganz authentisch war. Das ist ja nur Fiktion, aber du suchtest<br />

immer weiter. Der Kern zeigte sich dir natürlich nicht, aber du kamst ihr trotzdem<br />

immer näher. Es wuchs das Wunder, das du in ihr sahst. So nah war ich noch<br />

niemals einem andren Menschen, wie ich bei Danielle und sie bei mir es war. Ein<br />

Bild entstand, dass wir uns gegenseitig brauchten, die eine gar nicht auf die andere<br />

verzichten könne. Ich konnte es mir nicht vorstellen, wieder in Düsseldorf zu sein,<br />

und Danielle nicht mehr zu haben. War so etwas Liebe? Bestimmt, so nah, wie wir<br />

uns gegenseitig waren und es uns Lust bereitete, der andren offen sich zu zeigen.<br />

Das würde stets so bleiben, das war niemals revidierbar. Der Liebe zu meiner Mutter<br />

war es ähnlich. Dass wir uns einmal sagen könnten, ich mag dich nicht mehr,<br />

und ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, eine skurrile Vorstellung, ebenso wie<br />

bei meinen Eltern.<br />

Liebe und Sex<br />

Was hatte das mit Sexualität zu tun. Den Wunsch, mit Danielle ins Bett zu gehen,<br />

konnt ich nicht verspüren. Aber Sexuelles hatte bei mir nie Bezüge zu Männern oder<br />

Frauen. Wenn ich Lust hatte, war ich nur ich selber. Einen Mann zu haben, weil man<br />

ihn zum Ficken brauchte, und das als Liebe zu bezeichnen, hielt ich für pervers. So<br />

war es sicher oft, und umgekehrt noch öfter. Körperlichkeit war ja in meinen Vorstellungen<br />

nicht außen vor. Ins Bett zu gehen mit meinem <strong>Freund</strong> und mich darauf<br />

zu freuen, war selbstverständlicher Bestandteil meiner Wünsche, doch wann kam in<br />

Beziehungen der Wunsch denn auf? Und war er nur Bestandteil meiner Wünsche,<br />

weil ich's so internalisierte von klein an? Auch das besprachen wir, Danielle und ich.<br />

Wir sahn es schon so, aber da uns gar nichts drängte, und wir der Ansicht war'n,<br />

das tiefe Verbundenheit nicht alle Triebe einbeziehen musste, veranstalteten wir<br />

keine Übungen und Versuche in diese Richtung. Wir mochten uns schon ganz, auch<br />

unsere Körper, dass wir uns drückten, küssten, streichelten tat gut, jedoch das hatte<br />

mit Erotik nichts zu tun. Es hat uns beide sehr verändert, Danielle besonders,<br />

aber auch mich selber stark. Erwachsener war'n wir geworden? Könnt man so nennen,<br />

doch was wir wussten und auch fühlten war, dass wir mehr Durchblick hatten<br />

und das sehr entscheidend. Auch im Lycée waren wir andere geworden, die Anerkennung<br />

und Wertschätzung stieg. Marion Gerlach war kein deutsches Mädel mehr.<br />

Ich war beliebt und angesehen. Dass ich aus Deutschland kam, es war bedeutungslos.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 8 von 34


Amitié étroite<br />

Auffällig war unsere <strong>Freund</strong>schaft. Es ist sehr sonderbar, wenn du dir bei der Suppe<br />

gegenübersitzt, dich anschaust, weißt, dass du den Blick verstehst, doch formulieren<br />

kannst du nicht, was er dir sagte. Kommunikation ohne Worte, verstehen können,<br />

ohne was gesagt zu haben, so kam es oft uns beiden vor. Man scherzte über<br />

unsere amitié étroite, aber Léane Chavallet war tief gerührt und lächelte uns ständig<br />

zu. Sie war nicht nur gerührt, sie fragte auch, worüber wir gesprochen. Meist<br />

sagten wir's und diskutierte mit ihr weiter. Doch wenn wir's lustig mochten, sagten<br />

wir nur „Männer“. „Ohach“ stöhnte Léane dann auf, mit Handbewegung und genervter<br />

Mimik. Und dann erzählte sie. Ein unerschöpflicher Bestand an Anekdoten, Witzen<br />

und Geschichten musste bei ihr vorhanden sein. Es war sehr lustig, doch am<br />

meisten lachte Léane selber und das war jedes mal ein kleines Fest. Sie lachte heftig,<br />

aber doch verhalten. Teils wahrte sie das Bild der eleganten Frau, jedoch ihr<br />

Mund verzog sich kindlich, schelmisch. Ein außerordentlich süßes Bild, doch zeigte<br />

es sie auch sehr offen. So hatte Danielle sie auch noch nie erlebt. Bei deiner Mutter<br />

bist du selbstverständlich immer Tochter, doch wenn wir drei alleine waren, trafen<br />

sich drei Weiber, ob Mutter, Tochter oder was, das tauchte hier nicht auf. Auch die<br />

Erfahrung, die wir drei dann machten, sie war für alle neu und wunderbar. Nicht nur<br />

für Danielle und mich hatte sich viel geändert, auch für Léane gab's eine neue Blüte.<br />

Dankbarkeit<br />

Man wünsche Fabien, dass er es gut in Deutschland treffe, dass sei ihr Ziel für meinen<br />

Aufenthalt gewesen. Jetzt aber komme ihr der Wunsch, mir gut zu sein, so lächerlich<br />

und unbedeutend vor. Was ich Danielle und ihnen auch gegeben habe, sei<br />

viel, viel mehr als ihre Sorge um mein Wohl. Sie müsse sich bei mir bedanken, jedoch<br />

das sah ich gar nicht so. Wohlgefühl und Glück und Freude, entstehn nicht dadurch,<br />

dass die eine gibt. Es ist stets Gegenseitigkeit, die es ermöglicht. Alleine bist<br />

du nichts, wenn andere nicht offen sind. „Ich bin ein Kind gewesen, als ich kam. Ich<br />

wünschte Spannendes zu sehen, und wollte staunen. Auch wenn ich meinte, tiefer<br />

zu empfinden und mehr zu sehn als nur die Oberfläche, doch was ich zu erleben<br />

wünschte, glich Zirkus oder Jahrmarkt und Dergleichen. Das bin ich nicht mehr. Ich<br />

bin eine Andere. Das ist die Auvergnate, die ich hier geworden bin.“ erklärte ich.<br />

Wir lachten und umarmten uns und Léane bekam feuchte Augen.<br />

Evas Apfel<br />

Mit Danielle und Mathieu, da lief nichts mehr. „Er ist ja schon ganz lieb, doch wohin<br />

soll das führen. Was will ich eigentlich von ihm? Ich kann ja jetzt schon nicht mehr<br />

mit ihm reden. Er ist ein Kind. Ich fühl mich nicht mehr wohl. Langweilig ist es mir,<br />

und manchmal Sex mit ihm ist ja ganz schön, doch dringend nötig ist das nicht.“<br />

erklärte Danielle und ließ es einschlafen, bis Mathieu erklärte, dass er nicht mehr<br />

wolle. „Das ist der falsche Weg.“ erklärte ich im Scherz, „Die Weisheit haben Män-<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 9 von 34


ner stets von Frauen nur erhalten. Was wär' aus Adam denn geworden, hätt' Eva<br />

ihm den Apfel nicht gereicht. Das Mathieu simpel ist, daran kann er doch selbst<br />

nichts machen. Du hast ihm deinen Apfel nicht gereicht.“ Das sah Danielle ja auch<br />

so, doch wem der Apfel einer Frau zu reichen sei, dass müsse sie schon gut entscheiden.<br />

Es gäb ja heute viele Adams, unter denen Eva wählen könne. Je besser<br />

wir uns verstanden, umso mehr schien auch die Lust zu scherzen und für gemeinsame<br />

Albernheiten zu wachsen. Wir waren uns nicht sicher, ob wir versuchen sollten,<br />

Danielle im nächsten Jahr, den Schulgesuch in Düsseldorf zu ermöglichen, oder<br />

ob das Kinderei wäre, die unsere <strong>Freund</strong>schaft nicht brauchte. Na ja, morgens beim<br />

Frühstück zu sitzen und Danielles Gesicht nicht zu sehen, wäre schon ein herber<br />

Verlust.<br />

Hannahs Besuch<br />

Hannah kam uns mit Phil besuchen. Es war ja nett, dass sie es machte, aber dass<br />

ich mich nach Besuch aus Düsseldorf gesehnt hätte, kann ich wirklich nicht behaupten.<br />

Sie musste wohl der festen Ansicht sein, dass Danielle und ich auch sexuell<br />

verbunden wären. Sie sagte's nicht direkt, doch ihre Einschätzung schien immer<br />

durch. Vom Gegenteil sie überzeugen, warum sollt ich das? So war es doch viel lustiger.<br />

Uns auseinander reißen, wenn ich zurück nach Düsseldorf jetzt müsste, das<br />

hielt sie für brutal. Wir sollten uns was überlegen. Danielle könnte doch zum Lycée<br />

français gehen ohne Deutsch zu lernen. Da wussten wir nicht, ob das alles jetzt<br />

noch ging. Hannah und meine Eltern kümmerten sich und wir besprachen's tausendmal.<br />

Dann wären Chavalellets im nächsten Jahr ganz ohne Kinder, und Léane<br />

war es, die plötzlich eine andre Perspektive sah. „Wir machen dann noch einmal Honeymonn.“<br />

sprach sie und lachte, „Oder ist deine Liebe nicht mehr stark genug, Félicien?“.<br />

Es war noch gar nicht sicher, dass Danielle mit mir nach Düsseldorf gehen<br />

konnte, aber Félicien und Léane Chavallet planten schon eifrig, was sie im nächsten<br />

Jahr alles unternehmen wollten.<br />

Diametral standen sich meine Empfindungen zu der Zeit hier gegenüber. Ich war<br />

doch gerad erst hier als es zu Ende ging, doch andrerseits war ich unendlich lange<br />

fort gewesen. Die Welt in Düsseldorf schien fern nur in Erinnerung zu sein. Der einzige<br />

war <strong>Abbi</strong>, der stets hier geblieben war. Ob er mir schrieb, sich meldete, das<br />

war mittlerweile relativ egal. Ich dachte einfach oft an ihn. Was mir von Düsseldorf<br />

hier fehlte, es war nur <strong>Abbi</strong> und sonst nichts.<br />

Vertreibung aus dem Paradies<br />

Düsseldorf zu verlassen, war die Angst vor der Hölle, die mir schwante. Aurillac zu<br />

verlassen, war die Vertreibung aus dem Paradies. Am Flughafen, da braucht ich<br />

nicht zu weinen. Nach Düsseldorf da kamen alle mit. Ich heulte ja nicht oft, nur<br />

jetzt, bei jedem 'Au revoir' bekam ich feuchte Augen. Hier wieder weg, das wollt ich<br />

überhaupt nicht. Besuch? Das war ich ganz zu Anfang mal gewesen. Jetzt war es<br />

meine Welt, und hier gehört' ich hin. Mit Düsseldorf hat ich mich niemals unglück-<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 10 von 34


lich erfahren, doch leben sollte man in Aurillac. Ob man hier näher dran war an dem<br />

Sinn des Lebens? Bestimmt, bei Chavallets ganz nah.<br />

Wir fuhren direkt zu Beginn der Ferien, einerseits damit Danielle noch möglichst viel<br />

Zeit hatte, und andererseits konnte Fabien auch noch mitfahren, der später nach<br />

Regensburg zu seiner Gastfamilie dort musste. Zu fünf Erwachsenen in einem Auto,<br />

das war ja nichts Besonderes. Wir hatten es bei unsren Touren öfter praktiziert. Nur<br />

mitten im Sommer über 1000 Kilometer, zur Folterkammer wurd das komfortable<br />

Auto da. Paris, drei Tag Rast, Recreation. Les Champs, das war natürlich obligat.<br />

Das andere war frei und abhängig vom aktuellen Wunsch. Madame Chavallet fand<br />

ein hübsches Kleidchen, gar nicht mal so teuer. Im Sommer würd' es mir fantastisch<br />

stehen. Ich sollt es mir nicht kaufen, dafür kostete es doch zu viel. Sie wollt's<br />

mir wieder schenken. „Oh, non, Madame.“ erklärt ich kategorisch, „non, interdite.<br />

Non, ce n'est pas possible.“ Sie brachte tausend Gründe. Warum es ihr so dringlich<br />

war, ich konnt es nicht verstehn. Wir einigten uns schließlich. Es war für beide, für<br />

Danielle und mich. Wir fänden dann vielleicht auch einen Grund, uns mal zu streiten.<br />

Ich wusste schon, ich würd ihr ganz oft schreiben und sie häufig sehn. Sie hatte<br />

vielleicht eine zusätzliche Tochter und ich eine weitere Mutter gefunden, aber<br />

vorrangig hatten wir beide eine geliebte <strong>Freund</strong>in bekommen.<br />

Wieder in Düsseldorf<br />

Man verglich Düsseldorf ja nicht mit Paris, die KÖ und alles was ich Léane sonst<br />

noch an Chic et Choc zeigen konnte, begeisterte sie. „Ich verlange ja gar nicht,<br />

dass es so etwas in Aurillac gibt, aber Clermont-Ferrand, nur das ist ja in mancher<br />

Hinsicht auch eine Bauernmetropole.“ zeigte sich Léane großzügig. In Toulouse da<br />

gebe es bestimmt so etwas, das sei ja eine Partnerstadt von Düsseldorf. Léanes Mimik,<br />

ihr Blick und ihre Handbewegung machten nicht nur deutlich, was sie davon<br />

hielt, sie brachten mich so zum Lachen, dass ich ihr um den Hals fallen musste.<br />

Auch wenn Léane sich sehr bemühte, erschien es meiner Mutter bestimmt so, dass<br />

ein Club von <strong>Freund</strong>en ihr Haus besetzte, und sie ziemlich außen vor stand. Ich<br />

liebte meine Mutter, zweifellos, nur unter Chavallets und mir da herrschte eine andre<br />

Atmosphäre. In vielem war sie anders und das war jetzt meine Welt geworden.<br />

Ob ich Französin war, das interessierte mich nicht mehr, ein andrer Mensch, das war<br />

ich sicherlich geworden. Als Chavallets bei uns zu Hause waren, kam mein Vater jeden<br />

Tag vorbei. Ihm hatte ich meine Vorliebe für's Französische zu verdanken. Er<br />

war ein wenig frankophil, sprach gut und kannte sich mit allem aus. Als er Aurillac<br />

hörte, hatte er ein bedauerlich mitleidendes Gesicht gemacht. Jetzt musste ich ihn<br />

mir noch mal vorknöpfen. Von Madame Chavallet war er ganz angetan aber auch<br />

ihre Tochter Danielle fand er hinreißend.<br />

<strong>Mein</strong>e Mutter fragte ob Danielle und ich zusammen oder getrennt schlafen wollten?<br />

Vielleicht war es ja eine ganz normale Frage, ich musste nur schrecklich lachen. Es<br />

schoss mir plötzlich alles durch den Kopf. Sie war ja eigentlich sehr liberal, aber wie<br />

sie wohl empfunden hatte, als sie hörte, dass ihr Töchterchen jetzt lesbisch sei?<br />

„Mam, wir beide schlafen doch auch nicht zusammen.“ reagierte ich, „Warum sollen<br />

Danielle und ich es tun?“ „Ach,“ sagte sie, „is gar nich?“ wobei sie den Kopf schüt-<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 11 von 34


telte. Durch mein permanentes Lachen war wohl schon alles klar. „Natürlich ist Danielle<br />

meine beste <strong>Freund</strong>in, aber man muss doch nicht mit allen <strong>Freund</strong>en gleich<br />

ins Bett gehen. Oder bist du das so gewohnt?“ fragte ich noch mit kleinem Biss. Mit<br />

„Halt die Klappe.“ beendete sie die Diskussion. Die Initiative zur Trennung war von<br />

meinem Vater ausgegangen. Er hatte keine neue <strong>Freund</strong>in. <strong>Mein</strong>e Mutter hatte auch<br />

keinen festen <strong>Freund</strong>, sie lebte nur, na sagen wir mal, ein bisschen flotter.<br />

Oh, war das heavy, was wir uns da angetan. Mit siebzehn Jahren voll im Stress den<br />

ganzen Tag. Ich war doch noch ein Kind. Gut, das wir immer noch so blödeln konnten,<br />

denn mit gefühlten 27 ist das Leben auch nicht leicht. <strong>Mein</strong>e Mutter meinte<br />

auch schon nach wenigen Tagen, dass ich mich sehr verändert hätte. „Genau erklären<br />

kann ich das gar nicht. 'Hochnäsig' 'Arrogant'? Nein das ist falsch, denn nett<br />

und freundlich bist du ja geblieben. Ein bisschen die 'Grande Dame' so in die Richtung?<br />

Nein, das ist's auch nicht, was ich mein. Du bist nur einfach für dein Alter viel<br />

zu alt geworden. Mit siebzehn könntest du gut Teenybopper sein.“ Damit ging die<br />

Diskussion um meinen Veränderungsprozess in heftigem Gelächter unter.<br />

Ich musste Danielle alles übersetzen. Das wollte sie nicht mehr. Die ganze Zeit hier<br />

leben und von allem nichts verstehn. Und wenn sie's jetzt schnell lernte, schaffte<br />

sie vielleicht sogar das Abibac. Wir suchten für sie Intensivkurse am Sprachzentrum<br />

der Uni. Noch mehr Stress.<br />

<strong>Abbi</strong>, ich liebe dich<br />

<strong>Abbi</strong> konnt ich nicht erreichen. Er war wahrscheinlich noch in Ferien. In die Türkei<br />

fuhr er nie mit. „Was soll ich denn in einem Dorf bei Genç nicht weit von Diyarbakır.<br />

Ich bin kein Kurdenforscher und sonst habe ich da nichts verloren.“ hatte er mal erklärt.<br />

Einige Tage später rief er meine Mutter an. Er wolle sich mal erkundigen, ob<br />

Marion schon wieder zu Hause sei. Er kam sofort. Es kitzelte mich, als ob ich immer<br />

lachen müsste. Wir nahmen einen Kaffee mit und gingen in mein Zimmer. Das erste,<br />

was ich sagte, als wir saßen, war „<strong>Abbi</strong>, ich liebe dich.“ Es war kein Quatsch,<br />

den ich erzählte, denn das mit Aurillac, das war ja nicht normal. Doch trotzdem<br />

musst ich lachen, als ich's sagte. Freudig, kitzlig fühlt ich mich. Verrückt war's<br />

schon, dass er jetzt bei mir war.<br />

„Was soll das?“ fragte er verwirrt mit einem Lächeln. Ich wisse auch nicht, wie das<br />

richtig sei, und dann erklärte ich ihm, was mit Aurillac gewesen. Das sei doch nicht<br />

normal, das sei doch Sehnsucht, und wer die spüre, sei verliebt. „So ist das eben.<br />

Warum soll ich dir's verschweigen. Jetzt musst du mir mal sagen, was du dazu<br />

meinst.“ forderte ich ihn auf. Ich ging davon aus, dass er eine <strong>Freund</strong>in hatte und<br />

sich deshalb so selten meldete. Gespannt, mit einem Grinsen schaute ich ihn an,<br />

erwartend wie er sich wohl winden würde. Dass ich <strong>Abbi</strong> zum richten <strong>Freund</strong>, so mit<br />

Verliebtsein haben würde, das konnte ich mir gar nicht vorstellen, aber bedeutsam<br />

war er schon, und sehen wollte ich ihn auch, am liebsten immer.<br />

„Du weißt ja, dass ich immer nach 'ner <strong>Freund</strong>in suchte. Dann fiel mir auf, dass ich<br />

richtig traurig war, als du gingst. Nicht weil du weg sein würdest, sondern wie du<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 12 von 34


gegangen warst. Sagst einfach 'Tschüß', als ob dir alles nichts bedeutet. Kein Wort<br />

darüber, dass ich fehlen würde, kein Anerkennungszeichen für unsere Gespräche.<br />

Ich bin dir völlig gleichgültig, hab' ich gedacht. Das tat mir weh. Das hätt' ich nie<br />

erwartet. Das Gegenteil davon hast du auch nie geschrieben. Du hast berichtet, was<br />

du Tolles jetzt erlebst. Es sagte immer nur: „Ich brauch dich nicht.“. Es war nicht<br />

so, das es mir jede Woche fehlte, dass wir nicht bei einander warn. Nur mit 'ner<br />

<strong>Freund</strong>in wollte es nicht klappen. Auch Frauen die ich eigentlich sehr nett fand, hatten<br />

keine Chance. Es musste einfach immer DU sein, ich wusste gar nicht, dass ich<br />

dich so sah. Und das war eben absoluter Blödsinn. Das kam ja nicht in Frage, war<br />

mir klar. Ich dachte, mit der Zeit wird sich das legen, wenn sich das über Jahre hält,<br />

musst du bestimmt damit zum Arzt. Dich zu sehn, macht mir unendlich Freude, und<br />

du sagst noch dazu, du liebst mich und sehnst dich nach mir. Ich bin nur komplett<br />

sprachlos, verstehst du?“ sagte <strong>Abbi</strong>. Er schluckte, und seine Augen sagten, dass er<br />

heulen müsse. Ich rückte zu ihm, wollte ihn gern trösten, doch traurig war er sicher<br />

nicht. „Ich darf dich mal anfassen, <strong>Abbi</strong>, ja?“ fragte ich und umschloss seinen Kopf<br />

mit meinen Armen. „Ja, <strong>Abbi</strong>, das ist schon sehr komisch. Wir lieben uns, wir sehnen<br />

uns, wir wollen uns, und wissen gar nicht wie wir's machen sollen. Das war<br />

sehr gut, als wir uns unterhielten, dass ich in dir gar nicht den Mann gesehn. Und<br />

bei dir war's ja auch nicht anders. Wär' ich als Frau für dich begehrenswert gewesen,<br />

nie hätten wir so miteinander reden können. Die Schwester mit dem Bruder<br />

war es, die da sprach. Jetzt will ich auch was anderes und du?“ Dass er keine<br />

<strong>Freund</strong>in hatte und nur mich als solche sehen konnte, wie sollte ich das denn erwarten.<br />

Jetzt könnten wir uns doch einfach lieben, oder? Aber was sollten wir denn<br />

da machen? Wie sollten wir das denn tun? Ich wusste alles gar nicht. Primär war ich<br />

konfus und musste ständig lachen.<br />

Liebesschock<br />

„<strong>Abbi</strong>, ich weiß gar nicht, wie mir ist. Ich lache über niemanden und nirgendwo<br />

drüber. Ich bin einfach nur bekloppt.“ sagte's und konnte mich nicht halten vor Lachen.<br />

„<strong>Abbi</strong>, ich mach mir in die Hose. Ich muss mal eben zur Toilette.“ und rannte<br />

raus zum Bad. Jetzt konnte ich wenigstens mal tief Luft holen. Mit kaltem Wasser<br />

das Gesicht abspülen, das täte gut. Als ich aufblickte zum Spiegel, fing der Lachkrampf<br />

wieder an. Ich hatte ganz vergessen, dass ich mich geschminkt hatte. Heute<br />

würde wahrscheinlich nichts mehr normal funktionieren. Als ich wieder ins Zimmer<br />

kam, fragte <strong>Abbi</strong>: „Ist dir nicht gut? Du warst so lange fort und bist so blass.“<br />

Es war immer noch nicht weg. Ich hätte schon wieder losplatzen können. Statt <strong>Abbi</strong><br />

zu antworten, hielt ich die Hände vor's Gesicht und verweilte so. Ich wollte so etwas<br />

wie nüchtern werden und zu mir selber kommen. „Nein es ist alles in Ordnung. Ich<br />

weiß nicht was das war. Wahrscheinlich hat mich alles psychisch überfordert. Wer<br />

weiß, was da im Unbewussten alles noch beteiligt ist. <strong>Abbi</strong>, ich kann das alles noch<br />

gar nicht fassen, geschweige denn überblicken. Ich muss mir das richtig vorsagen:<br />

'Jetzt sitzt der <strong>Abbi</strong>, von dem dir erst in Aurillac bewusst geworden ist, was er dir<br />

bedeutet hier auf deiner Couch und sagt, dass nur du seine <strong>Freund</strong>in sein kannst.'<br />

Ich weiß nicht, was ich für Gefühle habe? Ich müsste doch vor Glück jetzt tanzen.<br />

Vielleicht mach ich es ja innerlich auch, aber außen bin ich einfach nur verwirrt.“ erklärte<br />

ich ihm. „Dass ich den klaren Durchblick hätte, kann ich von mir auch ganz<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 13 von 34


estimmt nicht sagen. Ich denke, das ist einfach zu bedeutsam und zuviel. Das ist<br />

ja auch bei anderen starken emotionalen Erlebnissen so. Du bist zunächst erst einfach<br />

konsterniert, geschockt und wie gelähmt. Bist gar nicht in der Lage, darauf angemessen<br />

zu reagieren. Dass du's bei bösen Sachen so erlebst, weiß jeder, warum<br />

soll das im Angenehmen denn nicht auch so sein. Wir sind bestimmt geschockt,<br />

dass wir uns gegenseitig lieben. Ein Liebesschock, denk ich, so wird es sein.“ deutete<br />

<strong>Abbi</strong> es. Ich war jetzt wieder ganz normal und konnte smilen. „Wir müssen da ja<br />

sowieso noch ganz viel klären,“ reagierte ich, „am besten machen wir's dann nicht<br />

im Schockzustand. Du wirst so oft wie möglich zu uns kommen. Ich muss ja hier<br />

sein wegen Danielle.“<br />

First Kiss<br />

Lass uns doch in die Küche gehen und was zu essen machen. Entspannen wird es<br />

uns und lenkt ein wenig ab.“ „Lass uns doch einmal uns umarmen.“ wünschte <strong>Abbi</strong>.<br />

Na klar, das machten wir ja immer zur Begrüßung, nur knieten wir dabei nicht voreinander<br />

auf der Couch. Auch war's wohl nie so intensiv und innig. Und uns umarmend<br />

gegenseitig ins Gesicht geschaut, das war bislang auch niemals vorgekommen.<br />

Unsere Nasenspitzen berührten sich fast. Der Mensch, dessen Gesicht mich<br />

anlächelte, leicht fragend und doch voller Glück den kannte ich nicht nur, der war<br />

ein Teil von mir. Fragend, ein wenig schelmisch reckt ich meine Lippen vor. Er folgte<br />

dem, und sie berührten sich. Ganz vorsichtig, und zaghaft, langsam tastend. Fragend<br />

und glücklich standen unsre Augen gegenüber. Ich öffnete den Mund und tastete<br />

mit meiner Zungenspitze, schob seine Lippen auseinander, benetzte sie und<br />

fühlte seine Zähne. Auch <strong>Abbi</strong> streckte seine Zunge vor. Wir spielten weiter, wollten<br />

uns nicht lösen. Wir wurden langsam ständig immer intensiver. Das zaghaft sanfte<br />

Tasten war vorbei. Ich spürte seine Zunge, seine Lippen und sein Saugen nicht nur<br />

an meinem Mund. Ja, ja, ich wollte mehr. Ich wollte <strong>Abbi</strong> spüren, überall. Doch<br />

nicht jetzt hier und kniend auf der Couch. Ich war unendlich glücklich, dass ich es<br />

erfahren hatte, und hatte Abi ja auch so erlebt.<br />

Jetzt konnt' ich tanzen und mich offen freun und lachen. Das angespannte Zwerchfell<br />

gab es nicht. Als wir uns etwas zubereiteten, kam auch Danielle dazu. „Danielle,<br />

wir haben uns geküsst.“ posaunt ich ihr entgegen. Sie musste schrecklich lachen.<br />

„Non, non, ce n'est pas possible. Comment cela pourrait se produire?“ kommentierte<br />

sie. „Das ist <strong>Abbi</strong>, Danielle. Er ist jetzt mein <strong>Freund</strong>.“ stellte ich ihn lachend vor.<br />

Der arme <strong>Abbi</strong> verstand gar nicht, warum wir lachten. Natürlich hatten wir in Aurillac<br />

auch über ihn gesprochen. Kaum über ihn persönlich, sondern primär war uns<br />

das Phänomen. Danielle hatte zu Anfang strickt behauptet, das sei nicht möglich. Es<br />

handele sich um mein Wunschbild, wie ich es erkläre. Bei jedem Anblick einer anderen<br />

Person, gelte die erste Beachtung dem Geschlecht. Wir hatten ausführlich, öfter<br />

und lange darüber diskutiert und unsere Kenntnisse bezüglich Psychoanalyse sehr<br />

intensiv erweitert und vertieft. Das war ein starkes Kapital, beschäftigte uns immer<br />

wieder, weil auch das meiste andere damit verbunden war. Dass mein Verhältnis zu<br />

Abdullah, eine Beziehung war, die mich äußerst stark erfasste, darüber waren wir<br />

uns einig. Liebe ist ein zu unspezifischer Begriff. Und da saß jetzt das Phänomen am<br />

Küchentisch. Wir klärten <strong>Abbi</strong> über alles auf, und zum ersten Mal kam es mir vor,<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 14 von 34


dass <strong>Abbi</strong> jünger war. Es war sowieso sehr ungewöhnlich in unserer Clique, dass wir<br />

fast alle aus der gleichen Klasse kamen. In der Pubertät werden gleichaltrige Jungen<br />

den Mädchen zu kindlich. Ich sah das auch so bei den Jungs. Was uns zusammenhielt,<br />

musste was andres sein. Abdullah war der einzige, der rausfiel. Hinzu<br />

kam, dass wir beide keinen fest <strong>Freund</strong> oder eine <strong>Freund</strong>in hatten. Ein bisschen Außenseiter<br />

waren wir schon. Wir beide unterhielten uns am meisten, es war uns einfach<br />

nur am angenehmsten. Das hat sich dann intensiviert. Meist zweimal in der<br />

Woche sahen wir uns bei ihm oder bei mir. Wir sprachen's in der Schule ab, ob und<br />

wann wer mal bei wem vorbei kam. Die Altersdifferenz ist in der Pubertät ja höchst<br />

entscheidend. Ein Junge von sechzehn war eben ein Kind. Doch wenn Danielle und<br />

ich zusammen waren, erschienen uns auch Fünfundzwanzigjährige naiv. Im Grunde<br />

eigentliche alle Männer. Sie waren vielleicht drollig, doch um sie ernst zu nehmen,<br />

bedurften sie 'ner klugen Frau.<br />

Rückkehrféte<br />

Zu allem Stress kam immer mehr hinzu. Wir wollten Arte France sehn und das wir<br />

nicht aufhörten, wie in Aurillac zu diskutieren war selbstverständlich. Warum und<br />

wie hätten wir gesollt. Nur mussten wir jetzt alles neu organisieren. Zum Glück<br />

gab's eine Buchhandlung, die alles Französische schnell besorgen konnte. Es gab<br />

'ne Rückkehrféte zu Beginn der Schulzeit. Ob Danielle und ich jetzt lesbisch wären,<br />

war natürlich hoch brisant. Doch war das schnell vorbei. Ich war extrem gut drauf,<br />

woran es lag, ich wusst' es nicht genau. Verliebt mit Ausrasten und Störungen, das<br />

gab's bei <strong>Abbi</strong> nicht, was wäre lächerlich gewesen. Doch Freude und auch Glück die<br />

tauchten schon viel öfter auf in meinen Tagen. Ich musste natürlich den ganzen<br />

Abend allen erzählen, anstrengend war es, doch auch lustig. Dass Danielle aus der<br />

Auvergne und nicht aus Paris kam, war erstaunlich. So sah es auch wohl Dirk, der<br />

neue <strong>Freund</strong> von Maarit. Und Danielle konnte's nicht verbergen, dass er ihr auch<br />

wohl aufgefallen war. Sie kannten sich nicht, hatten noch kein Wort gesprochen,<br />

doch schaute immer einer nach dem andren. Als sie dann endlich mal zusammen<br />

standen, gab es kein Ende mehr. Maarit war das natürlich nicht entgangen. Sie<br />

kannten sich erst kurz, und sie war doch so stolz. Dozent war er, an der Kunstakademie,<br />

er war ihr Traum. „Vergiss' es,“ sagte sie, „das ist doch nicht ein kleiner Flirt,<br />

der ist doch scharf auf deine <strong>Freund</strong>in. Dass ich dabei bin, interessiert ihn nicht. Ein<br />

Rotz am Ärmel bin ich nicht, für niemanden, und dazu lass ich mich auch niemals<br />

machen. Das war's. Ich werde nicht mehr träumen. Es bringt nur Kummer und tut<br />

weh.“ Ich versuchte sie zu beruhigen und zu beschwichtigen, aber es war ja auch<br />

offensichtlich, wie Monsieur Dirk sich verhielt. Sie ließ sich sofort von zu Hause abholen.<br />

Ich sprach später mit Danielle. „Aber ist das denn nicht deren Problem,<br />

wenn's bei denen nicht klappt?“ fragte sie. „Danielle, ich weiß ja nicht, was du willst<br />

und wie du's siehst, aber wenn du dir etwas Längerfristiges wünscht, denke ich,<br />

sollte man bei Dirk schon vorsichtig sein.“ reagierte ich. „Wir wollen zusammen<br />

spazieren gehen.“ erklärte Danielle. Dirk schien aber wohl nicht bis zum gemeinsamen<br />

Spazierengehen warten zu wollen. Es konnte nicht sein, dass er nicht mitbekommen<br />

hatte, dass Maarit nicht mehr da war. Er blieb aber einfach, obwohl wir ja<br />

nichts mit ihm zu tun hatten. Außer <strong>Abbi</strong> war nur noch ein anderes Pärchen da. Sie<br />

hatten ein bisschen viel getrunken und konnten den Weg nach Hause nicht finden.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 15 von 34


„Dirk, auf wen wartest du denn eigentlich noch? Maarit ist doch schon lange zu<br />

Hause?“ fragte ich. Nur „Verschwinde endlich!“ wäre noch deutlicher gewesen. Direkt<br />

heute nacht mit ihm ins Bett, das wollte Danielle auch nicht. Sie fand ihn im<br />

Gegensatz zu mir höchst interessant. Mich ekelte dieser Dirk an. Spielt hier im Beisein<br />

seiner <strong>Freund</strong>in den großen Amoureux einer Unbekannten. Er hätte auch weniger<br />

ostentativ mit Danielle sprechen und sich mit ihr verabreden können. Mich widerte<br />

er an. Er war eine ganz normale Durchschnittserscheinung, was Danielle an<br />

ihm faszinierte, würde sie mir bestimmt sagen. Doch sie wusste es auch selber<br />

nicht. „Ja, das war alles ganz nett, was er erzählte, und er war auch witzig und<br />

charmant, aber weshalb ich ihn schon sehr gerne treffen würde, ist etwas anderes.<br />

Weißt du, als er mich zum ersten mal anschaute, da musst ich immer wieder hinsehen.<br />

Warum? Dass weiß ich nicht.“ In den nächsten Tagen quälte sie sich mit der<br />

Entscheidung, ob sie mit ihm spazieren gehen, oder sofort 'stop' sagen sollte.<br />

First Time <strong>Abbi</strong><br />

<strong>Abbi</strong> schlief bei uns, aber nicht bei mir im Bett. Ich wusste, dass ich's wollen würde,<br />

das hatte mir zunächst gereicht. Dass wir uns küssten und uns streichelten, war<br />

selbstverständlich. Ich nahm auch schon die Pille, was ich bislang nicht getan. Ich<br />

wusste auch nicht, wie wir's machen sollten, jedoch besonders musste es schon<br />

sein. Doch planen wie eine Geburtstagsfeier, wollt ich's auch nicht. Es musste sich<br />

schon situativ entwickeln.<br />

Gefickt hatte ich erst einmal, weil ich wissen wollte, wie das war. Fünfzehn war ich,<br />

und die <strong>Freund</strong>innen hatten schon alle. Bei Steffi auf der Féte wollt ich's einfach<br />

jetzt probieren. Ein bisschen Mut trank ich mir an. Es soll ja auch die Lust an Sexuellem<br />

steigern. Doch Lust, an diesem Abend wusste ich nicht was das war. Natürlich<br />

kribbelte es, wenn Jan in meinem Höschen an der Vulva fummelte, nur mit Lust<br />

hatte das nichts zu tun. Ich hätte sagen können: „Mach schon voran. Nicht so langsam.“<br />

Ich fand den Jan an sich nicht übel, mit einem Unsympathischen hätt' ich es<br />

nicht gekonnt. Im Kinderzimmer zogen wir die Hosen runter. Als er fertig war, packte<br />

mich Wut und auch Enttäuschung. Jan war nicht böse oder grob gewesen. Ich<br />

konnte ihn nur nicht mehr sehn. Ich kam mir vor, wie eine Nutte. Ich war ja selber<br />

Schuld. Ich hatte's ja gewollt. Jetzt wusst' ich wie es war und auch dass ich es so in<br />

meinem Leben niemals wieder wollte. Vielleicht tauchte daher auch bei mir das generelle<br />

Bedürfnis 'Mann in Verbindung mit Sex' nicht auf. Aber das läuft ja auch<br />

wohl nur bei Männern so ab, die eine Frau sehen und ans Ficken denken. Obwohl,<br />

was ich mit Danielle besprochen hatte und was <strong>Abbi</strong> mir von sich erzählte, ist wenn<br />

sich zwei begegnen, das sexuelle auch für die Frau primärer Blick. Sie denkt dabei<br />

zwar nicht direkt ans Vögeln, doch sieht sie ihn als Mann. Bei einer Frau, da zeigen<br />

sich ihr andre Bilder. Dein Opa, Onkel, Vater, sie sind ja auch Männer, du siehst sie<br />

auch in ihrer maskulinen Rolle, doch nie erscheinen sie als potentielle Geschlechtspartner.<br />

Das ist bei Gleichaltrigen aber fast immer so. Unsere gemeinsame Clickenzugehörigkeit<br />

wirkte bei mir und <strong>Abbi</strong> wahrscheinlich als Inzesttabu. Natürlich sahn<br />

wir uns als Junge und als Mädchen, aber potentielle Geschlechtspartner waren wir<br />

uns nicht.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 16 von 34


Dannielle hatte sich gegen Dirk entschieden. Nein, eine mögliche amour foux das<br />

wollte sie nicht anstiften, damit wollte sie sich nicht belasten, das mache ihr Angst.<br />

Sie war einfach nicht hingegangen. Jetzt rief er öfter an, bis ich im scharf erklärte,<br />

das sei Belästigung, im eigenen Interesse solle er das unterlassen.<br />

An einem Freitagabend waren wir alle am Küchentisch sitzen geblieben, hatten bei<br />

Wein und Käse immer weiter erzählt und gelacht. Eine wunderschöne Stimmung<br />

und vertrauliche Atmosphäre. „Komm mit, <strong>Abbi</strong>, willst du?“ hatte ich gefragt als wir<br />

ins Bett gehen wollten. Ja, natürlich wollte er. Wir küssten, drückten, rieben uns.<br />

Ich war schon ganz erregt und hätte sagen können: „<strong>Abbi</strong>, ich will ficken.“ Es sollte<br />

aber alles ganz gemütlich, zart und einfühlsam geschehen. Wir wollten ja den Körper<br />

langsam streichelnd feinfühlig erfahren. Unsrer Liebe wollten wir elegische Körperlichkeit<br />

vermitteln. Ja, schön, so kann man träumen, es wär ja auch nicht<br />

schlecht. Und irgendwann, da würden wir's bestimmt so machen. Nur jetzt war's so,<br />

ich wollte gar nicht warten und <strong>Abbi</strong> tat, als ob er's gar nicht wollte. Er wollte<br />

schon, er traute sich nur nicht, zu gar nichts. „<strong>Abbi</strong>, mach doch!“ musst ich ihn ermahnen.<br />

Ich setzte mich und lehnte mich ans Kopfende vom Bett. Lachend mit weinerlichem<br />

Unterton erklärte ich: „<strong>Abbi</strong>, so wird das nix. Du willst es doch, dann<br />

musst du auch was machen. Ich warte doch darauf und möcht' es gern.“ „Ja, Marion,<br />

es tut mir leid. Ich möchte schon, aber ich kann das gar nicht. Ich glaub', ich<br />

hab' dich ganz entsetzlich lieb“ und er begann zu weinen. <strong>Mein</strong> Körper käme ihm<br />

vor wie der Koh-i-Noor, er traue sich fast nicht ihn zu berühren. Natürlich begehre<br />

er mich ganz stark und es errege ihn ja auch, aber Sex das habe auch immer Konnotationen,<br />

für die ich ihm zu wertvoll und zu schade sei. Oh je, der <strong>Abbi</strong>, mit seiner<br />

großen Klappe, die mir gut gefiel. Dass er sehr feinfühlig sein konnte, wusste<br />

ich natürlich und ich liebte es. Nur jetzt? Na ja grob wollt ich ihn ja auch nicht. Wir<br />

redeten und balgten auch ein wenig und ich machte ihm klar, dass ich es gar nicht<br />

möchte, vom ihm verehrt zu werden.<br />

Wir redeten lange und analysierten die Struktur unserer Beziehung. Ja, anerkennen,<br />

sich gegenseitig anerkennen, den anderen zu schätzen, ihm das zu vermitteln,<br />

das sei Ausgangsbasis für uns zwei gewesen. „Uns war das immer selbstverständlich,<br />

wir haben die Bedeutung und den Wert gar nicht erkannt. Es wurde immer sicherer<br />

und stärker und alles hat uns immer nur darin bestätigt. Du konntest nichts<br />

mehr sagen, was mich potentiell enttäuscht hätte, das war nicht möglich, konnte<br />

gar nicht sein. Ich hätte dich nicht voll verstanden und gefragt, aber du selbst warst<br />

grundsätzlich nicht in Frage zu stellen. Bei meiner <strong>Freund</strong>in war das überhaupt nicht<br />

so, das waren partikulare Identifikationen. Aber zwischen uns hatte die Beziehung<br />

Formen angenommen, wie bei meiner Mutter. Natürlich gab es Krach und Ärger,<br />

aber das mit der Liebe zur Tochter in Verbindung zu bringen, wäre ihr lächerlich<br />

vorgekommen. Ihre Liebe zu relativieren, weil ihre Tochter frech gewesen war. Darüber<br />

hätte sie gelacht. Mir erscheint es so, als ob unsere Beziehung bei uns eine<br />

ähnliche Position eingenommen hat und das ist für dich selber ungeheuer wichtig.<br />

Deshalb war es auch immer da, bei dir und auch bei mir. Das ist es was uns beide<br />

ausmacht, alles andere ist Beiwerk und vielleicht sehr schön. Das denk ich auch<br />

vom Sex, dass wir gemeinsam damit Spaß und Freude haben.“ erklärte ich.<br />

Erregt war ich schon längst nicht mehr. Ich wollt auch gar nicht mehr, es musste<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 17 von 34


nicht mehr sein. Enttäuschung sah ich nicht. Es würde schon noch werden, da war<br />

ich mir sicher. Ich musste mich noch ausziehn. <strong>Abbi</strong> hatte mir noch nicht mal den<br />

BH geöffnet. „Und du ziehst deine Unterhose auch aus!“ fauchte ich ihn lachend an.<br />

Aneinander gekuschelt lagen wir im Bett, redeten noch miteinander und wollten so<br />

langsam zum Schlaf kommen. Aber so lief es nicht. Der Schlaf kam nicht sondern<br />

unsere Küsse, Liebesbezeugungen und gegenseitiges Ertasten. Elegisch und poetisch<br />

war es nicht, es war nur einfach schön und fühlte sich gut an. Und wie wir<br />

mehr von unsren Küssen wollten, wollten wir jetzt auch mehr, und mehr von allem.<br />

Es wurde hell, als wir erschöpft uns in die Augen sahen. „<strong>Abbi</strong>, nicht fragen, ob's o.<br />

k. war, ist das klar.“ ermahnte ich ihn vorsichtshalber, denn ich spürte es. So hatte<br />

ich es mir nicht vorgestellt, doch ich war glücklich. Und der lange kurvenreiche Weg<br />

dorthin, er ließ mich lächeln, aber war auch keine Spielerei. Verschwitzt, verschmiert,<br />

ich kam mir göttlich schweinisch vor. Am Mittag schaute Hannah rein. Sie<br />

hatte es nicht mitbekommen. Wir standen auf und schleppten uns vom Bad zur Küche.<br />

Mam und Danielle waren einkaufen gewesen. Als sie reinkamen, trötete ich ihnen<br />

entgegen: „Danielle, Danielle, wir haben zusammen geschlafen.“ Sie bekamen<br />

sich nicht wieder ein, und Mam meinte: „Du warst als kleines Kind schon so bescheuert,<br />

da wird sich nichts mehr ändern bis ins hohe Alter.<br />

Danielle und Dad<br />

<strong>Mein</strong> Vater zeigte Danielle, das Schauspielhaus, er war dort Dramaturg. Er hatte ihr<br />

alles gezeigt, erklärt, was er dort machte und lud sie zu 'ner Probe ein. Danielle<br />

musste dafür die Schule schwänzen, anders ging es nicht. Fasziniert war sie und<br />

außerordentlich begeistert, eine neue Welt, die sich ihr im Theater offenbarte. Sie<br />

wollte wissen, warum meine Eltern sich getrennt hätten, doch viel mehr als sie<br />

wusste konnt' ich gar nicht sagen. Sie nahmen es auch beide gar nicht schwer und<br />

konnten selbstverständlich miteinander reden. Für sie war es wohl nicht so ärgerlich<br />

wie für uns. Ich hätte meinen Dad schon gern zu Haus gehabt und hätte es gern<br />

gesehen, wenn sie miteinander glücklich wären. Mam hatte mal ein bisschen mehr<br />

erzählt, aber es blieb, dass sich beide in andere Richtungen entwickelt und dann<br />

keine Gemeinsamkeiten mehr gehabt hätten. Auch wenn sie träume von der Zeit,<br />

als sie verliebt gewesen, jedoch zurückentwickeln könne man ja nichts. <strong>Mein</strong> Vater<br />

hatte Danielle zum Kaffee eingeladen, weil er zu Haus auch vieles habe, was sie interessieren<br />

könne. Als sie zurückkam wusste sie genau, wie es gewesen war mit<br />

Liebe und Verglühn bei meinen Eltern. Wir sprachen lang darüber und ich wusste ja<br />

auch, wie's bei ihren Eltern war. Mit mir und <strong>Abbi</strong>, so was fand sie ideal, nur die<br />

Strukturen, konnte man ja nicht bewusst organisieren. <strong>Mein</strong> Vater sei ein toller<br />

Mann, er habe absoluten Durchblick, fand Danielle. Sie habe ihn gefragt, warum er<br />

keine <strong>Freund</strong>in habe. Da müsse ja schon mehr sein, als der schnelle Eindruck und<br />

dazu käm es gar nicht, dazu fehle ihm die Zeit. Er könne sich ja gut mit jemand öfters<br />

treffen, aber das mochte er nicht. Danielle besuchte meinen Vater öfter, er gab<br />

ihr Karten für uns beide für's Theater. Zweifel bestand nicht, Danielle war verliebt.<br />

Darüber hatten sie zwar nie direkt gesprochen, doch meinem Vater konnt es nicht<br />

verborgen bleiben, das Danielle ihn suchte und bei ihm glücklich war.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 18 von 34


Du bist high, Danielle<br />

Ich mochte's gar nicht, auch wenn ich beiden nur Glücklich sein und alles Liebste<br />

wünschte. Es quälte mich, er war ja schließlich zwanzig Jahre älter. „Oh nein, Danielle,<br />

du lebst in dieser Welt.“. Natürlich sprachen wir darüber, nur das war nicht Danielle,<br />

wie ich sie kannte. „Du bist high, meine Süße. Ich dachte, das könnte uns alten<br />

Damen nicht mehr passieren.“ erklärte ich ihr, denn anders über Dad mit ihr zu<br />

reden, hatte keinen Sinn. „Es ist aber so, Marion, es ist einfach da und ist entsetzlich<br />

toll. Mach ich denn etwas absolut Verrücktes?“ fragte sie. „Wenn ich dir das sagen<br />

würde, ginge ich ja davon aus, dass du es verstehen könntest. Kannst du dir<br />

denn vorstellen, das ich das bei dir vermute?“ antwortete ich. „Sag's mir trotzdem,<br />

bitte.“ reagierte sie. „Das mein Vater ein toller Mann ist, das seh ich auch so, nur<br />

das wird deine Liebe ja nicht sein. Du schwärmst mir immer etwas vor, was er<br />

könnte, wüsste, täte, nur dass es das nicht ist, das weißt du selber ganz genau, nur<br />

was es ist, das er in dir berührt, das weiß ich nicht. Es muss was Tiefes, vielleicht<br />

längst Vergessenes sein, aber von dir, aus deinem Leben kommt es, was er anspricht.<br />

Mit Theater und großem Wissen hat das nichts zu tun, vielleicht signalisiert<br />

er dir Verständnis, Anerkennung und Vertrauen, wie du sie sie schon als kleinstes<br />

Kind erlebt. Im Grunde weißt du das auch alles selber, nur wenn es dich betrifft,<br />

dann bist du dafür blind. Ich bin sehr froh, das ich mit <strong>Abbi</strong> diese Blindflugphase<br />

nicht habe. Der Rausch eines Verliebtseins hat für mich nichts Begehrenswertes. Es<br />

gibt auch sonst viel Kitzeliges, Verrücktes, vielleicht nicht so anhaltend und so extensiv.<br />

Wenn du zum Beispiel deine Mutter sahst bei ihren Männerschoten, dann hat<br />

das auch etwas ganz andres tief in ihr bewegt. Nur mit der Liebe ist das alles ja<br />

sehr folgenreich und ernst, und ob da alles stimmig ist, das wird man in dem<br />

Rausch nicht sehen können.“ war meine Erklärung dazu. Ich wollt es ja nicht unbedingt<br />

verhindern, nur anhaltendes Glück sah ich da nicht.<br />

Nie gewollt<br />

Ich sprach mit meinem Vater am Theater. „Es geht mich ja nichts an, Dad, und eigentlich<br />

ist das sehr unangenehm, wenn jemand so was tut. Ich würde es nur gerne<br />

wissen, denn Danielle ist absolut in dich verknallt. Dass das nichts damit zu hat,<br />

was du für'n toller Typ bist, weißt du ja auch. Du musst sie tief berühren, was könnte<br />

das denn sein?“ wollte ich von ihm wissen. „Marion,“ begann er fast weinerlich,<br />

„Ich habe das doch alles nie gewollt. Ich fand sie schon sehr nett. Es machte mir<br />

Freude, zu sehn, wie sie begeistert war. Und dann hat es sich immer nur Stück für<br />

Stück ein wenig weiter entwickelt. Ja, ich mag sie gern, sehr gern. Sie ist sehr klug,<br />

intelligent, humorvoll, und dass ich sie wie dich gesehen habe, das hörte auf, als sie<br />

mit mir über den Grund unserer Trennung sprach. Ich könnt's mir sehr gut vorstellen<br />

mit ihr zu leben, nur habe ich mich ihretwegen sehr zurückgehalten. Wenn ich<br />

sie bitten würde, mich zu küssen, sie würde mir um den Hals fliegen. Ich will das<br />

aber nicht. Sie soll ihr eignes Leben finden, dafür mag ich sie zu sehr.“ erklärte<br />

Dad. Na dann sollte Danielle es ihm mal nicht zu schwer machen.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 19 von 34


Besuch in Aurillac<br />

Wir fuhren in den Herbstferien Félicien und Léane besuchen. Ich hatte schon Entzugserscheinungen<br />

und natürlich musste ich auch <strong>Abbi</strong> präsentieren. Léane wollte<br />

immer von ihm etwas über Istanbul und die Türkei hören. Es dauerte lange, bis sie<br />

verstand, dass und warum er damit gar nichts zu tun hätte. Das war Anlass für ausgiebige<br />

Scherze über Vorurteile. Mam wollte immer etwas sehen, das machten wir<br />

ja auch, nur eben sehr in Grenzen. Ob sie gestern zu Hause jenes bestaunt hätte<br />

und heute hier dieses, das sei doch immer nur ein unbedeutender Event, erklärten<br />

wir. Es käme darauf an, das Leben hier aufzusaugen, darin liege das eigentlich bedeutsame<br />

Erlebnis. Der Anblick des Plomb du Cantal bewege nichts in ihrem Herzen.<br />

Ein freundliches Lächeln von Léane am Morgen, sei da tausendmal mehr wert.<br />

Léane war richtig aufgedreht happy. Auch jetzt zog sie mich wieder ins Vertrauen.<br />

Dass sie gesagt habe, sie müsse mir danken, habe schon seinen Grund gehabt. Sie<br />

sei Félicien gefolgt, weil sie nicht ohne ihn leben wolle, ich wisse ja dass das auch<br />

immer noch so sei, nur dieses Leben hier sei eben nicht ihre Welt gewesen, das<br />

habe sie ertragen. Ganz genau warum, wisse sie auch nicht, aber dadurch, dass ich<br />

gekommen sei, habe sich alles verändert. Ich hätte eine andere Atmosphäre ausgelöst<br />

und sie habe nicht mehr das Empfinden in Aurillac auf dem Lande gefangen zu<br />

sein. „Vorher gehörte Aurillac den Auvergnaten, jetzt gehört es mir.“ scherzte sie<br />

„Ja, es ist schon so, dass ich es empfinde wie eine Befreiung und das bist du. Es<br />

wird immer in meiner Seele mit dir verbunden bleiben. Was du für mich bedeutest,<br />

ist mehr, als dass ich dich nur sehr mag.“ erklärte sie. „Léane, eigentlich müssten<br />

wir ja sehr weit auseinander sein, von unserem Alter, unserer Geschichte und auch<br />

unserer Kultur. Nur manchmal denk' ich das spielt alles keine Rolle, es gibt Ebenen<br />

auf denen das völlig gleichgültig ist, da wo du den andren ohne alle diese Attitüden<br />

nur als Menschen triffst. Das können Frauen, glaub ich sehr viel leichter. Der Weg<br />

für sie, dorthin zu finden, ist für sie nicht so stark verbaut. Sie sind sich eben leichter<br />

näher. Empfindest du das auch so?“ fragte ich.<br />

Fabiens Leidensgeschichte<br />

Dass Fabien sich in Regensburg nicht sehr wohlfühle, hatte Léane schon gemailt<br />

und Fabien hatte auch schon mal angerufen, und erklärt, dass er es nicht so toll finden<br />

würde. Jetzt erzählte Léane die ganze Leidensgeschichte. Sie hätten ihn schon<br />

nach Hause holen wollen, aber er selber meine, durchhalten zu müssen. Es sei konkret<br />

eigentlich nichts Schlimmes, er empfinde es nur so, dass ihn alle eigentlich gar<br />

nicht da haben wollten. Man sei nicht böse zu ihm, aber auch nicht nett und liebevoll.<br />

Abends im Bett müsse er immer weinen. Ich bekam einen Tobsuchtsanfall. Ich<br />

schrie und schimpfte auf das Bayernpack. Das seien die hässlichen Deutschen. Alle<br />

brav und bieder, die Hände stets zum Gebet gefaltet, aber fremdenfeindlich bis aufs<br />

Mark. Holt Fabien da raus, das kann kein Mensch ertragen. Was lernt er da als junger<br />

Mensch? Ein Psychoschaden wird ihm da vermittelt. Das geht doch nicht, auch<br />

wenn er's selber will. Dann diskutierten wir noch. Er wolle gern gut Deutsch können,<br />

später Germanistik studieren, oder Journalist werden. Bis Mam sagte: „Warum<br />

kommt er denn nicht zu uns? Wir haben doch zwei Zimmer die wir nicht unbedingt<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 20 von 34


auchen.“ Ja, ja das stimmte zwar, doch glücklich machte mich das nicht. Das Fabien<br />

zu uns käm selbstverständlich schon, nur schade um die Zimmer war es auch,<br />

dass <strong>Abbi</strong> immer nur in meinem Raum sein konnte, war auf die Dauer doch ein wenig<br />

eng. Und Vaters großer Raum, war jetzt Gemeinschaftsraum für Danielle und<br />

mich und <strong>Abbi</strong>. Doch für Fabien war das letztlich nicht so wichtig. Wir überlegten<br />

weiter, das jeder Tag, den er dort zu verbringen habe, ein Tag zu viel sei. Mam,<br />

Léane und ich wollten direkt nach Regensburg fahren und Fabien rausholen. Léane<br />

gab ihm telefonisch alle Instruktionen zum heimlichen Kofferpacken. Danielle und<br />

<strong>Abbi</strong> sollten von Clermont Ferrand mit dem Flieger kommen.<br />

Fabiens Befreiung<br />

Der Herr in Regensburg war ein Regierungsrat. Seine Frau sahen wir nur beim Türöffnen.<br />

Das ginge nicht, das wir ihn einfach abholten, war seine Ansicht. Mam sollte<br />

übersetzen was Léane, die Mutter sagte. Mit deren Worten hatte das, was meine<br />

Mutter sagte, nichts zu tun. Sie drohte ihm, ihn wegen Freiheitsberaubung anzuzeigen,<br />

wenn er Fabien nicht auf der Stelle mit seiner Mutter gehen ließ. Als er noch<br />

jemanden anrufen wollte, zückte sie ihr Handy, um die Polizei anzurufen. Hinterher<br />

im Auto lachten wir uns tot. Eine combattant courageux sei sie, meinte Léane zu<br />

Mam. Sie erklärte, es habe nur daran gelegen, dass es sich um einen Bayern gehandelt<br />

habe. Völlig erschossen übernachteten wir in München. Für mich war das<br />

auch kein Kinderspiel. Ich hatte ja gerade erst meinen Führerschein. Zu Hause angekommen,<br />

musste erst mal gefeiert werden. Als ich Danielle anrief, stellte sich<br />

heraus, dass die beiden sich überhaupt noch nicht um Tickets gekümmert hatten.<br />

Félicien in seiner Sehnsucht nach Léane überlegte nämlich, sie nach Düsseldorf zu<br />

bringen und Léane dann wieder mitzunehmen. Natürlich machte er das auch.<br />

Danielles Entscheidung<br />

Bei Danielle hatte unser Gespräch tatsächlich Unsicherheiten ausgelöst. Die uneingeschränkte<br />

Begeisterung war langsam immer mehr quälenden Zweifeln gewichen.<br />

In den wenigen Tagen in Aurillac hatten wir beide fast mehr zusammen geweint als<br />

geredet. Ich konnte ihr verzweifeltes Ringen um eine Entscheidung nicht gefühllos<br />

miterleben, nur weil es mich persönlich nicht betraf. Was Danielle so tief betraf, betraf<br />

mich auch. „Es wäre eine eindeutige Entscheidung gegen meine emotionale<br />

Präferenz. Wie willst du das denn verkraften? Das bleibt doch auch, das ist doch<br />

nicht in einem halben Jahr vergessen. Wird es dich nicht vielleicht ständig weiter<br />

quälen, gibt sich mit dem, was deine Ratio gesagt hat, nicht zufrieden? Wenn ich<br />

sage, dass es nicht richtig ist, wird es doch mein Gefühl für Ulrich nicht verändern.<br />

Die Anerkennung, Zuneigung, das Mich-mögen, was er mir gibt, sind es bestimmt,<br />

die dieses Glücksempfinden und das Bedürfnis evozieren. Mag sein, dass ich's besonders<br />

gut verstehe, weil's meinen Erfahrungen als Kleinkind nahe kommt. Doch<br />

alles dies wird sich kein bisschen ändern, wenn ich sage, dass ich es rational nicht<br />

weiter will. Wird es nicht auf die Dauer eine Entscheidung gegen mich selber sein,<br />

weil ich es als Entscheidung gegen mein Glück bewerten werde?“ fragte sie. „So<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 21 von 34


wird es sein, denk' ich, wenn du dein Bedürfnis nicht emotional relativieren kannst.<br />

Als Mann hast du ihn wahrgenommen, es war nicht eine Frau, die dir dein Glück<br />

versprach. Es ist keine davon unabhängige längere tiefgehende gegenseitige Erfahrung,<br />

so wie bei uns, auf der deine Zuneigung und Bedürfnis basieren. Es wird sich<br />

ändern können, wie er's dir selbst von Mutter hat erzählt. Es gibt nichts was verspricht,<br />

dass dein Empfinden für ihn von Bestand sein wird. Du wirst was anderes<br />

erleben, wirst auch noch neue Welten sehn. Wer sagt denn, dass sie dir nicht wichtiger<br />

erscheinen werden, als was du hast, denn bei allem augenblicklichen Sehnen,<br />

erkennst du doch, es ist nicht gegenseitig ungeheuer tief und profund. Wenn du's<br />

als schöne Episode siehst, wirst du's erinnern können, ohne dich dich zu quälen? Ist<br />

es denn mehr, wenn du auch deine Zukunft schaust? Ich denke, im Moment kannst<br />

du es tiefer nicht bewerten. Es ist zur Zeit für dich außergewöhnlich angenehm,<br />

doch ein Versprechen für die Zukunft zeigt sich dir doch nicht. Du handelst aber so,<br />

als ob's das gäbe, wenn du mit ihm die Liebe lebst. Als ungeheuer großes Risiko,<br />

empfind ich es. Ich bin nicht du, und nicht in deiner Situation, aus meiner Sicht betrachtet,<br />

erschien mir auch das Destruierende. Die Qual es zu erleben, davor hätt'<br />

ich Angst. Das tut dir weh und trifft dich tiefer als die Liebe selbst. So lapidar, wie<br />

Dad und Mam es immer zeigen, so ist es nicht so kann's nicht sein. Dass ihre Liebe<br />

starb, hat sie verändert, sie sind nicht mehr die gleichen wie vorher. Unangenehmes,<br />

Enttäuschendes verbunden mit Anerkennung, Zuneigung, Vertrauen das bleibt<br />

in ihnen, was ist Teil von ihnen in ihrer Kommunikation mit ihrer Welt. So etwas<br />

möcht' ich nicht in meiner Seele sammeln, der Mensch möcht' ich nicht sein, der<br />

davon viel erlebt.“ so reagierte ich darauf, und Danielle begann zu weinen. „Es tut<br />

auch jetzt schon weh, ich möcht' es doch so gerne. Doch was du sagst, kann ich<br />

nicht anders sehn. Ich denke auch, ich werde mich entscheiden, auch wenn mir zukünftiges<br />

Glück nicht offensichtlich ist. Ich werd' es finden, darin habe ich Vertrauen.<br />

Im Grunde habe ich's ja auch schon, was gibt es denn, das unsre Liebe übersteigt?“<br />

erklärte Danielle und konnte wieder lächeln. Nach Aurillac stand schließlich<br />

ihre Entscheidung fest, dass es ihr perspektivisch wichtiger sei, ihre Freiheit zu behalten.<br />

Ihre Zuneigung zu Uli, meinem Vater, hatte sich natürlich kein bisschen verändert,<br />

nur konnte sie es jetzt ertragen, ihre Vernunft entscheiden zu lassen. Es fiel<br />

ihr zwar immer noch schwer, jetzt so zu handeln, aber die Bewertung ihres Bedürfnisses<br />

hatte massiv an Bedeutung verloren. Sie erklärte es Uli später alles, und er<br />

offenbarte sich ihr auch. Das erste und einzige mal war es zu einem innigen Kusswechsel<br />

gekommen.<br />

Fabien in der Schule<br />

Fabien ging zur Schule von <strong>Abbi</strong> und mir. Er war mein Schatz und <strong>Freund</strong> und eine<br />

Jahrgangsstufe unter uns. Wir drei waren eben ein starkes Team. Es war sehr ungewöhnlich,<br />

dass wir französische Austauschschüler hatten und dann erst recht noch<br />

für ein ganzes Jahr. Schüleraustausch von der Schule gab's mit England und dann<br />

jeweils im Wechsel vierzehn Tage. Da hat ich selber damals keine Lust zu. Daher<br />

war Fabien auch eine sehr interessante Person und erhielt viel Aufmerksamkeit. Aurillac<br />

das kannte natürlich kein Mensch. Patrick Süskinds Film „Das Parfum“ musste<br />

geschaut werden, um die Höhle am Plomb du Cantal zu sehen in der Jean-Baptiste<br />

Grenouille gelebt hatte. Fabien kannte den Film selber nicht, meinte mit mit dem<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 22 von 34


Berg, das stimme schon, die Höhle sei aber bestimmt ein Fake. Doch trotzdem entwickelten<br />

sich die Auvergne und das Cantal allmählich zur interessantesten Gegend<br />

Frankreichs. Was war denn schon Paris? Abgelutschte Touristenzentrale. Später<br />

wollten wir mal eine Auvergnaten-Fète machen, wenn Fabien mehr <strong>Freund</strong>e hätte.<br />

Das ging sehr schnell. Besonders die Frolleins suchten Kontakt zu ihm. In Aurillac<br />

kannte er zwar ein Mädchen etwas näher, aber mehr war es auch nicht. Hier konnte<br />

er sich gar nicht entscheiden. Er fand sie fast alle klasse. Die tollste Frau sei aber<br />

eindeutig Michelle, nur die schien sich überhaupt nicht für ihn zu interessieren,<br />

klagte Fabien.<br />

Gemeinsamkeit des Lebenden<br />

Doch das Zentrale waren Fabiens junge Damen nicht. Es tauchte jeden Tag etwas<br />

Neues auf, das gelöst, geklärt, geregelt werden wollte. Mit meinem süßen Bäumchen<br />

der Kontakt, er kam nur selten noch zustande. Ob er mich noch verstand?<br />

Doch unsere Beziehung musste unendlich tief sein. Menschliche Petitessen kamen<br />

da nicht vor. Verbundenheit war es, begründet in der Gemeinsamkeit des Lebenden.<br />

Wusst' ich denn, dass ich bedeutenderes Leben war, als er. Das ich mehr wert war,<br />

als das Leben, dass er in sich barg? Ich konnte nicht darüber richten. Ich kannte<br />

nicht den Sinn von seinem und von meinem Leben. Das zu erkennen, war im Biss<br />

von Evas Apfel nicht enthalten. Ich wusste nur, dass wir uns mögen mussten. Dass<br />

ich zu selten ihn betrachtend mir Gedanken machte, empfand ich nicht als wünschenswert.<br />

Stets busy sein und immer etwas regeln, täuscht die Anerkennung vor,<br />

dass man sehr wichtig sei. Es sagt dir, du bist gut, du kannst etwas, doch dies Empfinden<br />

wollte ich nicht übersteigern und trainieren, es ist kein Glück, das es dir gibt.<br />

Annerkennung durch <strong>Freund</strong>e, die so etwas nicht interessiert, ist für dich tausendmal<br />

so viel wert, und das wusste ich nicht nur von <strong>Abbi</strong> und Danielle.<br />

Es waren aber nicht nur viele Dinge und Probleme, die geregelt werden mussten,<br />

'ne Kleinfamilie warn wir jetzt bestimmt nicht mehr. Zu Fünft und sehr oft Sechs<br />

kam's uns eher vor, wie 'ne Kommune. Alle waren ja erwachsen und Chefin war<br />

meine Mutter noch nie gewesen. Beschlossen, das Glück zu suchen, hatte niemand,<br />

doch Lust auf Freude war uns allen immanent. Und davon gab's nicht wenig, und<br />

bei so vielen potenziert es sich. So viel zu lachen, sich glücklich fühlen und gut<br />

drauf sein, das war uns früher nicht bekannt. Es war auch einfach bunt und viel<br />

komplexer, die Vielfalt dessen, was geschah war groß und gab mir das Empfinden<br />

einer weiteren Welt. Mit Danielle hat ich das theoretisch diskutiert, doch war es<br />

auch im Hinblick auf Beziehungen. Noch nie war mir so deutlich geworden, dass<br />

das, was du dir vorstellst, nur dem entsprechen kann, was du schon kennst. Wie<br />

wir uns jetzt erlebten, konnten meine Vorstellungen nicht wissen. Falsch war die<br />

Theorie nicht unbedingt, doch war sie schal und konnte das Tatsächliche nicht fassen.<br />

Ihr Wunsch, mir gut zu sein, damit auch Fabien es glücklich treffe, auf Umwegen<br />

habe er sich voll erfüllt. „Nur gut sein gegenüber andren Menschen bringt dir auch<br />

letztlich selber Glück“ schrieb mir Léane in einer ihrer vielen Mails. Ein neuer Honeymoon<br />

sei es schon wirklich, zumal sie jetzt auch eine andre sei. Sie hätte stets<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 23 von 34


gedacht, mit Félicien sei sie sehr glücklich, nur was sie jetzt erlebe, dafür gäb's kein<br />

Wort. Doch ihre Sehnsucht nach Fabien und Danielle könne das nicht verwischen,<br />

es tröste sie, dass sie die beiden glücklich wisse.<br />

Weihnachten<br />

Der sentimentale Kitsch um Weihnachten war mir schon sehr früh zuwider geworden,<br />

aber irgendetwas veranstalten mussten wir jetzt schon, und ohne Léane und<br />

Félicien zu sehen, konnten die Weihnachtsferien nicht verstreichen. Que faire? Nach<br />

vielen Mails stand fest, dass Chavalellets nach Düsseldorf kamen. Keine Geschenke<br />

nur kleines Auvergnatisches war erlaubt.<br />

Fabiens Klasse wusste mittlerweile auch, dass die Auvergne nicht nur ungeheuer interessant<br />

sonder auch der Auvergnate der gute Mensch an sich sei. Die Lehrerin<br />

hatte Georges Brassens aufgegriffen, wegen seiner Sprache, die in Frankreich jeder<br />

verstand, aber in den Schulbüchern nicht auftauchte. Frankreich sei ganz anders als<br />

im Schulbuch, und dass man das erkannt hatte, dafür stand Fabien. Die Lehrerin<br />

meinte, sie habe noch nie eine Klasse mit so starkem Interesse gehabt.<br />

Bei uns war Fabien der süße Kleine, doch lag es nicht daran, dass er ein Jahr jünger<br />

war als Danielle und ich. Wir sahn uns selber einfach als die reifen Ladys. Jux alleine<br />

war das nicht. Wir fühlten uns tatsächlich sehr erwachsen und fanden darin auch<br />

Bestätigung. Nach Frankreich war ich in der Schule eine andere. Die Diskussionen<br />

mit Danielle trugen sicherlich dazu bei. Doch im Lycée bist du ein andrer Mensch als<br />

an den deutschen Schulen. Du bist Erwachsener und nicht ein Kind, das jetzt ein<br />

wenig groß geworden ist. Natürlich gibt es auch in Frankreich fiese Lehrer, doch als<br />

Erwachsener giltst du für sie auch. Dahinter wollte ich mich nicht in Düsseldorf zurückversetzen<br />

lassen. Das führte oft zu Auseinandersetzungen mit Lehrern, in denen<br />

ich meinen Standpunkt sicher, selbstbewusst vertrat. Zunächst verschaffte es<br />

mir Anerkennung bei den Schülern, doch auch die Lehrer nahmen mich bald anders<br />

wahr. Ein junger Lehrer, den ich auch wohl mochte, lud mich zum Treffen ins Café.<br />

Es kitzelte mich, ihn zu hören und zu erleben was er tat. Er war sehr nett, vorsichtig<br />

und höflich, ein prima Junge war er ganz bestimmt. Ich brachte ihn dazu, mir zu<br />

erklären, wie wundervoll er mich sah und was ich ihm bedeuten würde. Dann folgte<br />

meine Analyse dessen, was er vorgetragen hatte, und er zeigte sich sehr beschämt.<br />

„Sie scheinen mir zu unreif Herr Baumgärtner, als dass ich für uns beide etwas sehen<br />

könnt.“ ließ ich ihn wissen. Es war ja sowieso nur alles Fake, doch machte es<br />

mir tierisch Spaß, 'nen Lehrerjungen zu düpieren, auch wenn's ein an sich doch<br />

ganz netter war. „Ach, was sind die Männer dumm!“ dafür gab's eben immer wieder<br />

Bestätigungen. Allmählich begann ich Léanes Freude über Jokes mit Männern besser<br />

nachempfinden zu können. Ich vermisste sie. Sie war ja keine große Feministin<br />

oder Philosophin, aber sie war sehr feinfühlig und schien intuitiv vieles zu empfinden,<br />

wozu sich Frauen in umfangreichen Büchern geäußert hatten. Sie war meine<br />

<strong>Freund</strong>in, natürlich, doch das ging wohl sehr tief. Wir schrieben uns ja ständig, aber<br />

manchmal musste ich einfach ihre Stimme hören, weil ich sie dabei besser sah. Ob<br />

mich als Kind Weihnachten mal so erfreute? Ich weiß es nicht, doch jetzt war meine<br />

Freude riesengroß.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 24 von 34


Ganz ernst sah er's wohl nicht, doch fand Fabien den Weihnachtsmarkt und allen<br />

Tand und Kitsch ganz exzeptionell. Der absolut verrückte Skilanglauf in Düsseldorf<br />

war natürlich ein unübertrefflicher Event. Michelle und eine andre Klassenkameradin<br />

sahn sich mit Fabien das Schauspiel an. Sie sprach jetzt gern mit ihm, doch eine<br />

Perspektive mit Michelle sah Fabien nicht. Sie hatte einen festen <strong>Freund</strong>, den sie<br />

sehr liebte und der studierte schon, da sei er chancenlos, jedoch es sei auch einfach<br />

schön, mit ihr zu reden. Danielle interessierte der Weihnachtsrummel nicht. Sie<br />

schaute's sich an, doch das genügte ihr. Sie arbeitete sehr viel. Man hatte ihr die<br />

Chance für's Abibac ermöglicht. Es sei auch hilfreich. Sie müsse nicht so oft an Uli<br />

denken, jedoch im Bett da seien die Gedanken eben da. Ein anderer, der in ihr was<br />

bewege, sei ihr noch nicht begegnet, jedoch sie suche auch nicht, habe keinen<br />

drängenden Bedarf. Sie wollte Uli nicht mehr sehn, das mache es ihr nur noch<br />

schwerer, jedoch zu Weihnachten kam er natürlich auch. Léane hatte Danielle nichts<br />

davon erzählt. Es würde sie auch nicht erfreuen, dachte sie. Doch Weihnachten, da<br />

fragte sie Danielle. Blicke und die Art des Miteinander-Redens, hatten sie es vermuten<br />

lassen. Léane konnte Danielle sehr gut verstehen. Sie meinte, in Beziehungen<br />

sei Alter letztlich ziemlich unerheblich, und Ulis Zuneigung rühre ja nicht daher,<br />

dass er sexuell 'ne Junge wünschte. Sich zu entscheiden wie Danielle, das wäre ihr<br />

persönlich äußerst schwer gefallen.<br />

Ein Rausch war Weihnachten trotzdem. Félicien und Léane wollten am Heiligabend<br />

gerne in die Kirche und Mam ging auch, obwohl sie sonst nicht ging. Beim Reden<br />

mit Léane war Glaube niemals angeschnitten worden, jetzt sprachen wir darüber,<br />

und es war sehr aufschlussreich für beide. Die Kirchenpraxis interessierte sie so wenig<br />

wie mich auch. Das neue Testament und die Idee, die es verkörpere, entspreche<br />

ihrem Denken, nur vieles müsse man als Metapher und Symbol verstehen. Das sei<br />

doch überall und immer so gewesen, Erklärungen von Menschen für etwas, das sie<br />

nicht verstehn. Die Menschen sähen oft nicht die tiefere Bedeutung, interpretierten<br />

Bilder in ihre Alltagsrealität und produzierten kuriosen Glauben und Aktivitäten. Das<br />

Paradies und die Vertreibung sei doch ein hübsches Bild. Die Wandlung vom stupiden<br />

zum intelligenten Menschen verkörpere es. Dass dies durch eine widerspenstige<br />

Frau geschehen sei, könne sie mehr als gut verstehn. Das Bild der Schuld und der<br />

Vertreibung, symbolisiere die Probleme, die mit der Möglichkeit des Erkennens verbunden<br />

sein. Sie liebe die Geschichten. Es seien für sie Bilder wie beim Märchen,<br />

die oft Komplexes verdeutlichten, wozu ein Wissenschaftler dicke Bücher schrieb.<br />

Sie sei ein Kind, in dem was sie erlebe, bei andren sei's nicht anders nur viele stritten's<br />

ab. Sie lebe von den Bildern, die sich ihr zeigten und jeder täte das. Alle Gedanken<br />

erzeugten immer Bilder, die man sich aneigne und mit ihnen agiere. An<br />

Weiterleben nach dem Tode in Form eines Gespensts an realen Orten, da glaubte<br />

sie auch nicht. Es sei ein primitiver Wunsch, aus dem was man hier formulieren<br />

könne. Nur wenn man Himmelreich so definiere, dass es die Wirkung deines Lebens<br />

sei, die bliebe, dann könnte es ganz sinnvoll sein. „Welchen Sinn soll denn alles haben,<br />

als trotz intelligentem Denken möglichst viel Paradies zu finden. Nur dazu sind<br />

die Menschen nicht von Grund aus angelegt. Ihr Denken, Handeln, Wirken erzeugt<br />

genauso oft das Gegenteil. Und das ist für mich das, wozu man Hölle sagen könnte.<br />

Es steht Entwicklungen zum Glück von Einzelnen und Allgemeinheit stark entgegen.<br />

Was die Kirchen sagen, sind Worte von Schriftgelehrten, die sind nicht mehr als alle<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 25 von 34


andren auch. Die Weihnachtsmesse bedeutet für mich ein emotionale Ritual für die<br />

Idee.“ erklärte Léane sich. Da lagen wir auch gar nicht mal weit auseinander, nur<br />

diese Vorstellungen von einem Gott und alles was damit zusammenhing, die wollte<br />

ich nicht mehr. Wenn es ihn gab, war es nicht möglich über ihn etwas zu sagen,<br />

denn was gesagt worden war, konnte auch alles anders sein. Wozu brauchte man<br />

einen Gott, um sinnvolles Handeln zu begründen? Der war nur für Missbrauch sehr<br />

bequem. Léane vertrat die Ansicht, ich nähme damit eine höhere Warte ein, die den<br />

Anschein erwecke, darüber zu stehen, doch auch das sei ein Bild aus dieser Zeit, in<br />

der ich lebe. Gespräche darüber hatte ich außer mit meiner kleinen Robinie noch<br />

nie mit jemandem geführt. Ich wollte das auch gar nicht, weil bei andren stets der<br />

Bedarf besteht, dich von den eignen Ansichten zu überzeugen. Doch ja, mit <strong>Abbi</strong><br />

hatte ich schon mal davon gesprochen, nur da war es mit ein paar Sätzen klar. Er<br />

wisse nicht, ob es so etwas gebe, und glauben solle er bei jedem Zauberkünstler<br />

auch. Ich selber war mir schon bewusst, dass meiner Wahrnehmung und meinem<br />

Wissen nur ein sehr begrenztes Spektrum zur Verfügung stand, ein wenig mehr<br />

gab's wenn man Mathe und Physik studierte, da konnte man mit Formel einiges erklären,<br />

doch zu glauben, dass es auf den Kern verwies, war Wunsch und blieb doch<br />

Illusion.<br />

Léane und Félicien sollten nicht wieder fahren, wir brauchten sie doch und sie uns.<br />

Natürlich wollte man auf die Auvergne nicht verzichten, wir lebten ein Jahr hier das<br />

nächste dort. Es waren Ausgeburten, Pläne, die aus der Hölle kommen mussten, die<br />

dafür sorgten, das für Menschen, die sich mochten, dies nicht möglich war. Nach<br />

Weihnachten wollten die beiden fahren, jedoch sie blieben bis zum letzten Tag. Ich<br />

wollte nur mal gut französisch lernen und hatte große Angst, als ich Düsseldorf verließ.<br />

Ein neues Leben hatte ich gewonnen, nicht nur für mich, für alle war es so.<br />

Doch daran dachte ich nicht Tag und Nacht, es war so und ich lebte es.<br />

Michelle<br />

Im Februar gab's eine Fète. Nicht Karneval sondern Auvergne war das Thema. Oh<br />

je, was hatten wir uns abgemüht, um möglichst viel Auvergne-typisches zu vermitteln.<br />

Die <strong>Freund</strong>e Fabiens waren mehr als die von Danielle. Den Damen am Lycée<br />

francaise stand sie meist eher reservierter gegenüber. Nicht wenige empfand sie als<br />

arrogant und simpel und bei den Männern war es nicht viel anders. Michelle war<br />

auch gekommen, allein und ohne ihren <strong>Freund</strong>. Fast ständig standen, saßen sie zusammen,<br />

Michelle und Fabien. Verliebte Blicke oder etwas in der Richtung sah man<br />

nicht. Sie diskutierten ernst und heftig miteinander und lachten dabei häufig. Als<br />

Michelle ging, strich sie Fabien mit ihren Fingerrücken über die Wange. Natürlich<br />

musste Fabien sofort erklären, was das war. „Ich mag dich sehr, mein Auvergnate,<br />

weißt du das?“ habe sie zu ihm gesagt. Er wusste gar nicht, was das zu bedeuten<br />

hatte. Natürlich mochten sie sich, sie sprachen ja auch häufig miteinander, so sah<br />

es Fabien. Doch alle andren hatten Lust dort mehr Bedeutung hinein zu interpretieren.<br />

Auch wenn jeder andere Nuancen sah, dass es Beginn von Liebe war galt als<br />

Konsens. Der arme Fabien wurde beraten in Liebesdingen und wie weiter vorzugehen<br />

sei. Der größte Liebesratgeber war <strong>Abbi</strong>, wodurch er bei mir Lachkrämpfe erzeugte.<br />

Sie sollten jetzt die Klappe halten, er könne's nicht mehr hören, meinte Fa-<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 26 von 34


ien. Auf seine Kosten lustig machen, darum ging's uns, das sei unser Spaß. Über<br />

Michelle würde niemals jemand mehr von ihm was hören.<br />

Das ließ sich aber nicht komplett vermeiden. Michelle hatte natürlich ihren <strong>Freund</strong>,<br />

doch schien sie mehr und mehr Kontakte zu Fabien zu suchen. Gemeinsam schrieben<br />

sie ein Referat und trafen sich auch sonst bei uns mal zum Kaffee. Natürlich<br />

sprach sie nicht nur mit Fabien. Sie war nicht nur sehr schön, sie war auch klug und<br />

konnte lustig sein. Ein tolles Mädchen für ihr Alter, so sah ich sie auch. Nach einem<br />

Gespräch mit Fabien, wollte sie mich mal sprechen, ganz allein. „Ich weiß nicht was<br />

ich tun soll.“ sagte sie, „Das wird doch immer stärker mit Fabien. Was ich von ihm<br />

will, das weiß ich gar nicht. Es ist nur einfach klasse, wenn er da ist. Ich fühl mich<br />

wohl und happy und mehr nicht. Na ja, ich rede gern mit ihm. Das ist sehr interessant<br />

für mich und wir vestehn uns ausgezeichnet. Ich glaube besser als mit meinem<br />

<strong>Freund</strong>. Ich liebe Max und möcht' das nicht verlieren. Mit Fabien, das ist was<br />

anderes. Mit Max ist's schön, mit Fabien das brauch ich. Max ist sehr nett und es ist<br />

auch sehr lustig, nur das Gespräch mit Fabien, das gibt mir mehr. Max will mir oft<br />

die Welt erklären, er weiß ja auch nicht Weniges. Und Fabien, der hört mir zu, will<br />

mich verstehn, und das bedeutet mir viel mehr. Durch Fabien ist mir erst aufgefallen,<br />

wie oft mir Max von sich erzählt. Fabien hat mir noch niemals ungefragt von<br />

sich erzählt und was er alles weiß und kann. Ich denke oft er ist mir viel, viel näher<br />

als Max, von dem ich meine, ihn zu lieben.“ Ich blies die Luft durch meine Lippen<br />

aus. „Michelle ich werde dir nicht sagen: 'Tue dies oder vielleicht besser jenes'. Das<br />

ist in dir, und nur der Weg, der sich dir selber zeigt, kann für dich gangbar sein.<br />

Dann sprachen wir über Liebe, Sex, Beziehung, und Michelle blieb zum Abendbrot.<br />

Sie wollte nochmal mit mir reden. Als sie gegangen war, fragte Fabien sofort. „Oh,<br />

Fabien, wenn du nicht weißt, dass das, was Frauen miteinander reden, stets ihr Geheimnis<br />

bleibt, und Männern keinesfalls verraten wird, dann bist du ja noch gar<br />

nicht reif für große Liebe.“ fuhr ich auf, lachte und umarmte ihn. „Nein, nein, Michelle,<br />

die mag dich schon gut leiden. Mach keine Dummheiten, sprich weiter wie<br />

bisher mit ihr. Sie ist dein guter <strong>Freund</strong>, gleichgültig ob sie eine Frau ist, am besten<br />

siehst du's so und handelst auch danach.“ war meine Ansicht, die ich Fabien mitteilte.<br />

Ob sie Fabien auch liebe, wisse sie gar nicht richtig, erklärte mir Michelle, sie wisse<br />

nur, dass es ihr außerordentlich gefalle, ihn zu sehen und sich mit ihm zu unterhalten.<br />

Natürlich freue sie sich auch auf Max, nur sei es gegenüber Fabien sehr oberflächlich.<br />

Sie könne doch nicht zwei haben, einen für's Schmusen und für's Bett und<br />

einen, um mit ihm zu reden. Sie denke oft an Fabien, wenn sie mit Max zusammen<br />

sei und habe manchmal das Gefühl ihn zu betrügen. Michelle war jetzt sehr oft bei<br />

uns. Sie liebte auch die Atmosphäre. Wenn sie bei uns sei, das sei eine Burg. Mit<br />

Max erscheine es ihr wie ein Wochenendhaus. Sie achtete Max nicht mehr und sie<br />

kritisierte ihn in vielen Punkten, nur auf die Zärtlichkeiten und den Sex wollte sie<br />

nicht verzichten. Nur mir erzählte sie das, nichts dazu an Fabien.<br />

„Ich will das alles nicht mehr.“sagte sie eines Tages, „Das ist pervers und mir gefällt's<br />

nicht mehr. <strong>Mein</strong> bester <strong>Freund</strong> ist ganz eindeutig Fabien und ich besuche Max<br />

zum Ficken. Das will ich nicht und kann es nicht mehr länger, auch wenn ich gar<br />

nicht weiß, wie ich denn zärtlich zu Fabien sein sollte.“ Sie fragte ihn, ob er sie lie-<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 27 von 34


en würde, und Fabien war völlig konsterniert. „Natürlich liebe ich dich.“ hätte er<br />

gesagt, „Ich freu mich immer, wenn du kommst, das weißt du doch.“ Sie habe ihm<br />

erklärt, dass sie auch etwas andres meine, das habe ihn jedoch noch mehr verwirrt.<br />

Er habe alles nachgefragt, was das bedeuten würde. Er habe es nicht fassen können<br />

und sie gefragt, warum sie so was wolle. „Willst du es nicht, Fabien? Nur diskutieren,<br />

wäre dir das lieber?“ habe sie gefragt. Wenn sie es beide wollten, müssten sie<br />

sich auch mal küssen, habe sie erklärt, dann sei er wundervoll zärtlich zu ihr gewesen.<br />

„Ist eben ein Franzose.“ fügte Michelle noch lachend an.<br />

Oh je, Fabien ging bald zurück nach Aurillac. Und diese Liebe, die komplett auf Beieinandersein<br />

und dem Gespräch basierte, wie sollte sie denn tausend Kilometer<br />

überbrücken? Bei uns am Küchentisch saß man und überlegte. Zu skypen und sich<br />

Mails zu schicken, nein das brachte's nicht. Fabien in Deutschland bleiben und das<br />

Abitur hier machen, Mam und wir alle hätten's gern gesehn. Die andre Möglichkeit<br />

wär, Michelle mit in die Auvergne. Nur ging das nicht als Schüleraustausch mehr.<br />

Sie hätte sich für Abi oder Baccalauréat entscheiden müssen. Dass sie es schaffen<br />

würde, daran gab es keine Zweifel. Immer wieder wurden Bedingungen, Bedeutungen<br />

und Auswirkungen diskutiert. Michelles Eltern kamen zu uns, um es zu besprechen.<br />

Dass sie Max hatte fallen lassen und sich in Fabien verliebt, gefiel den Eltern<br />

nicht besonders gut. Max galt als strebsam, kompetent und fleißig, von Fabien da<br />

wusste man ja nichts. Und Liebe konnte sein, entscheidend für sie war jedoch ein<br />

Leben für Erfolg und gut geordnet. Das war auch das Primäre, was sie wissen wollten,<br />

und Danielle malte die Perspektiven blumig aus. Letztendlich zeigten sie sich<br />

einverstanden, doch worum es Michelle tatsächlich ging, das würden sie doch nie<br />

begreifen, meinte dies selbst.<br />

Léane und Félicien waren total glücklich und brannten darauf, Michelle selbst zu<br />

sehn. Sie nahmen sich eine Woche Urlaub und kamen zu uns mit Parisbesuch. Dass<br />

sie sich mögen würden, war wohl ziemlich sicher. Michelle war von Léane ganz angetan<br />

und freute sich noch mehr. In Französisch hatte sie sich nicht besonders engagiert,<br />

aber die Aussicht selbst eine französische Frau werden zu können, reizte<br />

sie enorm. Das Bild einer französischen Frau in Eleganz und Charme verkörperte<br />

Léane ja auch total. Michelle war jetzt fast immer bei uns. Manchmal kam sie tagelang<br />

nicht nach Haus. Sie unterhielt sich viel mit Danielle und mir und wollte alles<br />

wissen. Wir meinten schon, sie müsse viel Französisch pauken, die Mädels im Lycée<br />

die wären alle besser drauf als hier. Und das gelte besonders stark für Literatur.<br />

Eine französische Woche spielten wir für sie. Das Leben bei den Chavallets kopierten<br />

wir. Mam tat sich ziemlich schwer Léane zu spielen, die Rolle übernahm meist<br />

Danielle. Michelle wär, glaube ich, ganz gern bei uns geblieben. Sie war so glücklich<br />

und oft albern und freute sich und lachte immerzu. Sie flogen nach Aurillac, wir<br />

brachten sie nicht rüber, besuchten sie aber in den Ferien.<br />

Danielle und Uli<br />

Danielle wurde oft von Männern angesprochen, doch Uli hatte eine Marge festgelegt,<br />

die andre Männer nicht erreichen konnten. Unsinn, Beziehung war ja keine Ratingskala<br />

auf der die Männer Rangplätze belegen konnten, es handelte sich ja um<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 28 von 34


die Art und Stärke der gegenseitigen Anerkennung, aus der die Gestalt und Intensität<br />

deines Bedürfnisses erwächst. Und davon hatte Danielle ja ein klares Bild. Für<br />

etwas anderes existierte gar kein Bedarf. Sie fand's auch lästig und sie ließ sich gar<br />

nicht darauf ein. Sie war nicht nur auch weiterhin begeistert vom Theater, fast fanatisch<br />

baute sie ihr Wissen aus. Die deutschen Stücke las sie wie im Rausch. Von<br />

Brecht bis Kleist und Dürrenmatt, sie kannte bedeutend mehr als ich und lernte dabei<br />

ungeheuer viel. Ihre Entscheidung gegen Uli schien sie damit zu kompensieren.<br />

Dass sie Theaterwissenschaften studieren würde, stand längst fest. Nach der Rückkehr<br />

aus Aurillac rief sie Uli an und fragte ihn mehr scherzhaft, ob er noch öfter an<br />

sie denke. Sie trafen sich und wiederholten es. „Das hat doch alles keinen Sinn.“<br />

sagte sie mir, „Ulrich ist da und lässt sich nicht vertreiben. Im Gegenteil, er dehnt<br />

sich ständig aus. Nicht Wonneträume sind es die ich fantasiere. Er ist nicht da, weil<br />

ich gern schmusen und mit ihm ins Bett will. Das ist es nicht, was mich für ihn bewegt.<br />

In der Person von ihm liegt es, was mich nicht loslässt, was es genau ist,<br />

weiß ich nicht. Es quält mich nur, vom ihm getrennt zu sein. Ich fühl mich einsam<br />

ohne ihn. Natürlich bist du letztlich immer einsam, doch damit lebst du, das ist<br />

ganz normal. Es stellen sich mir immer Bilder, in denen Uli bei mir wäre, und dann<br />

ist er's nicht. Ich bin allein. Ich sitz am Tisch und lese, und stell mir vor, Uli säße<br />

neben mir. Er ist nicht da, ich bin allein. Immer ist er da und fehlt. Das macht dich<br />

trüb und lässt dich sonderbare Fragen stellen. Um glücklich sein zu können,<br />

brauchst du zunächst mal Uli, das andere kommt dann, und ohne Uli geht es nicht.<br />

Dass sich das ändern könnte, kann ich nicht erkennen, es nimmt nur zu und dehnt<br />

sich aus. Durch Worte und durch Rationales, Einfluss zu nehmen, lächerlich. Mag<br />

sein, dass es mich auch für manches blind macht, doch Horror einer Trennung seh'<br />

ich nicht. Dafür sind wir beide zu erfahren oder wissen zuviel über Beziehungen.“<br />

Jedoch mein Vater riet ihr immer ab, und Danielle wollte ihn überzeugen. Sie trafen<br />

sich jetzt immer öfter, primär ging's darum ob oder ob nicht. Doch sprachen sie<br />

auch über vieles andre, und Danielle faszinierte ihr Zusammensein immer mehr.<br />

„Danielle, wir sind verrückt.“ habe mein Vater schließlich dann gesagt, „Das ist doch<br />

Kasperletheater, was wir hier inszenieren. Du bist erwachsen, ich bin nicht dein Vater.<br />

Du wirst es selbst entscheiden, was du willst. Bin ich verrückt, dir auszureden,<br />

mich zu lieben?“ Jetzt war Danielle in jeder freien Minute bei Uli. Unsre Gespräche<br />

reduzierten sich enorm. Sie redete ständig mit Uli und Danielle war begeistert. Es<br />

sei fast ähnlich wie bei uns, nur wär' das Thema eben meist Theater. Erst kurz vor<br />

Weihnachten gingen sie gemeinsam ins Bett. <strong>Mein</strong> Vater kam jetzt häufig auch zu<br />

uns und meine Mutter störte's nicht. Sie war ja involviert in die Entwicklung und in<br />

die quälende Tragödie von Danielle. Sie sah's eher so, dass sie für ihn ganz froh<br />

war, denn Danielle sei ja 'ne wundervolle Frau. Und er sei ja an sich kein übler<br />

Mann, so habe sie ihn nie gesehen. Dass Danielle nicht glücklich mit ihm werden<br />

könne, da gab es für sie keinen Grund. Der Unterschied im Alter blieb ihr jedoch<br />

nicht geheuer.<br />

Wir fuhren Weihnachten nicht ins Cantal und Chavallets wollten Weihnachten mit<br />

Michelle in Aurillac erleben. Ein wenig kurios empfand ich's schon bei uns am Weihnachtstisch.<br />

Mam und Dad und noch fünf andre, das war nicht ganz gewöhnlich. Ich<br />

hatte Lust daran, die beiden zu ärgern und Dad war ungewöhnlich freundlich zu<br />

Mam. Am Weihnachtsabend gingen wir gemeinsam ins Theater und Hannah irritier-<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 29 von 34


te Dad noch mehr als mich. Ob das ein Zustand war, den man sich zu erleben<br />

wünschte? Ich denke mal eher nicht. In Bildern deiner Kindheit gehörten Mam und<br />

Dad zusammen, und das blieb trotz allem emotional ein Wunsch. Danielle überlegte,<br />

ob sie nicht zu Uli ziehen solle, es wäre nicht nur schön, sondern erleichtere ungeheuer<br />

viel. Sie tat es Anfang Februar und ließ mich ganz allein. Telefonate ersetzten,<br />

das wir uns immer sahen. Ich freute mich ja auch über ihr Glück. Allein, so<br />

war's ja nicht, wir waren in der Regel ja zu Fünft. Hannah studierte auch in Düsseldorf<br />

und Phil war ständig bei uns. Er und <strong>Abbi</strong> hatten jetzt eigne Arbeitszimmer,<br />

denn <strong>Abbi</strong> ging auch nur sehr selten noch nach Haus. Wir warn ja keinesfalls allein,<br />

doch als Danielle und Fabienne noch da warn, herrschte mehr Leben und es war lebendiger.<br />

Das alte Ehepaar<br />

<strong>Abbi</strong> und ich erlebten unsre intensive Phase. Wir sahn uns stärker als zuvor. In der<br />

Klasse waren wir das alte Ehepaar, wohl weil wir nie Verliebtheitsattitüden zeigten<br />

und unser Umgang miteinander abgeklärte Züge trug. Tatsächlich waren wir uns<br />

keinesfalls selbstverständlich geworden. Was seine Anwesenheit für mich bedeutete<br />

vergaßen meine Emotionen keinen Tag. Das ging nicht, konnte nicht so werden, wie<br />

einer Mutter stets die Liebe gegenwärtig ist, wenn sie ihr Kind erblickt. Ich brauchte<br />

<strong>Abbi</strong> nicht betätscheln, um zu lieben, doch tat ich's gern und ihm gefiel es auch. Ein<br />

schönes Gefühl ist es, das zu berühren, was du zu dir sprechen siehst. Ob man sich<br />

dadurch näher ist, ich weiß es nicht genau. Doch mehr scheint mir das Wahrgenommene<br />

schon zu sein, wenn du es auch befühlen kannst, und Zuneigung signalisiert<br />

es allemal. Von Sex und den Problemen in Beziehungen platzen ja Beratungen und<br />

Hilfen für das Paar. Das konnte bei uns nie zum Thema werden. Es war unser gemeinsames<br />

Vergnügen, das unser Sexualtrieb wünschte. Liebe und Verbundenheit<br />

residierten anderswo. Wir konnten daher auch mit allem völlig locker umgehen. Nie<br />

wäre uns der Gedanke gekommen, etwas Beziehungsmäßiges hinein zu interpretieren.<br />

Alles war ganz selbstverständlich geworden. Wir brauchten nie mehr bis zum<br />

Morgengrauen. Am häufigsten war die Literaturmethode, wir lasen beide und einer<br />

klappt sein Buch schon zu, während der andere noch liest. Er lässt den Lesenden<br />

seine Zuneigung taktil spüren, bis der sich nicht mehr konzentrieren kann. Dann<br />

klappt auch er das Buch zu, und beide legen nur noch aufs gegenseitige Sich-spüren.<br />

Es ereignet sich aber auch aus allen möglichen anderen Situationen, nur lesen<br />

wir beide eben abends gern im Bett.<br />

Abitur<br />

Wir mussten beide viel arbeiten, denn an guten Abiturnoten war uns schon gelegen.<br />

Romanist oder Germanistik oder beides wollte ich gern studieren. <strong>Abbi</strong> hätte gerne<br />

Kunst studiert, doch eine Chance sah er für sich nicht, da er hauptsächlich geschaut<br />

und viel zu wenig praktiziert hatte. Kunstgeschichte passte eigentlich auch besser,<br />

doch dazu musste er nach Köln wie Danielle auch. Dass Danielle hier wohnen blieb<br />

und fuhr, war selbst verständlich. <strong>Abbi</strong> sollte es auch so machen. Ich hätte ja auch<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 30 von 34


in Köln Romanistik studieren können, aber hier bleiben gefiel uns aus vielen Gründen<br />

besser.<br />

Endlich! Es wars geschafft. Natürlich hatten wir uns gegenseitig zu den offiziellen<br />

Abi-Fèten eingeladen, doch das war langweilig und viel Kinderkram. Danielle, <strong>Abbi</strong><br />

und ich wollten eine relativ kleine Privatfète machen. Bei Danielle und Uli sollte sie<br />

stattfinden. Danielle und ich wir trafen uns jetzt wieder täglich und wenn's nur auf<br />

'nen Kaffee war.<br />

WG-Pläne<br />

Ich hatte ihr's zwar auch am Telefon erzählt, wie sehr sich alles durch ihren Umzug<br />

verändert habe. Jetzt sagte sie: „Ja glaubst du, mir gefällt es, dass wir nicht mehr<br />

zusammen sind. Mit Uli ist's mir niemals langweilig oder dergleichen, nur das hat<br />

damit nichts zu tun.“ „Warum wohnen wir denn nicht zusammen? Wir haben damals<br />

theoretisch drüber diskutiert. Was war's denn praktisch bei uns anders als eine<br />

große WG?“ fragte ich. „Na klar, warum denn eigentlich nicht. Wir sind anscheinend<br />

manchmal etwas dämlich.“ reagierte Danielle. „Obwohl, ich mit Uli? Keinesfalls hab'<br />

ich etwas gegen ihn. Nur, ob er für mich nicht immer Daddy bleiben wird?“ wandte<br />

ich ein. „Ma chere, du musst dich mal von deinen Eltern lösen. Ich liebe nicht deinen<br />

Papa. Das ist der Uli, und das wirst du sehr schnell auch so sehn.“ entgegnete<br />

Danielle. Nur brauchten wir dann eine andere Wohnung, denn dafür reichte es bei<br />

Uli nicht.<br />

Als ich davon Fabien erzählte, war er neidisch und traurig. Er würde auch mit uns<br />

zusammen wohnen wollen. „Und mit Michelle, das ist doch nicht vorbei?“ fragt ich.<br />

„Nein, nein, die ist hier meine Frau Gemahlin. Sie findet es hier gut und fühlt sich<br />

wohl. Léane und sie sind dicke <strong>Freund</strong>innen. Nur mit den Mädchen im Lycée klappt's<br />

nicht so einwandfrei. Die haben als Landmädel Minderwertigkeitskomplexe und meinen<br />

Michelle wollt was Besseres sein. Sie hat an sich nur eine gute <strong>Freund</strong>in und<br />

sieht sich öfter ausgegrenzt. Léane und ich wir fangen das schon auf. Sie ist nicht<br />

unglücklich und unzufrieden, doch nach dem Baccalauréat möchte sie gern zurück.<br />

Mir ist es ziemlich gleichgültig, ob ich in Köln studiere oder Montpellier. Wenn ich jedoch<br />

auch bei euch wohnen könnte, dann wäre mir das keinesfalls egal. Und Michelle,<br />

kannst du dir nicht denken, dass es für sie ein Traum sein müsste.“ Uli fand's<br />

gut. Er möge <strong>Abbi</strong>, nur bei mir da sei er nicht ganz sicher. Wie er mich kenne,<br />

gäb ich immer Widerworte und hörte nicht auf ihn, wenn er mir was befehle. Mit einem<br />

Wort, ich sei zu frech. Ich erzählte was ich von Fabien erfahren hatte. „Bien<br />

sûr, pourquoi ne pas?“ erklärte Danielle sofort, „Michelle ist eine tolle Frau, ich mag<br />

sie absolut, das weißt du doch.“ „Und deine Eltern sind dann ganz allein in Aurillac.“<br />

gab ich zu bedenken. „Marion, meine Süße, das sind sie sowieso. Das wussten sie<br />

schon lange. In Aurillac oder St. Flour kann niemand studieren und zu Hause wohnen.“<br />

entgegnete Danielle. „Wir werden sie ganz oft besuchen müssen, ich kann<br />

Léane nicht einsam traurig sehen, für dich ist sie die Mutter und du siehst sie distanzierter.<br />

Für mich ist sie nur <strong>Freund</strong>in und das ziemlich intensiv.“ war meine Reaktion<br />

darauf. „Für's Abibac soll ich ein kleines Autochen bekommen, damit ich keinen<br />

Grund mehr habe, sie nicht zu besuchen.“ berichtete Danielle.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 31 von 34


Michelles Rückkehr<br />

Als wir Michelle zum ersten Mal sahen, erweckte sie den Eindruck sich cool, vielleicht<br />

ein wenig überheblich zu geben. Möglicherweise wirkte sie immer noch so, wir<br />

konnten es nur überhaupt nicht mehr so sehen, weil wir sie kannten, völlig anders<br />

kannten. Wie kannst du jemanden als arrogant und abweisend sehen, wenn du ihn<br />

offen, vertraulich und glücklich scherzend erlebt hast. Es war ja noch ein Jahr hin<br />

für sie. Dass sie gern nach Deutschland zurück wollte stand für sie fest. Nur machte<br />

sie dieser Wunsch nicht direkt glücklich. Eigentlich hatte sie sich eine Zukunft in<br />

Frankreich gewünscht. Vor allem die Erfahrungen im Lycée aber auch manches andere<br />

hatten diese Wunschvorstellung destruiert. Daher barg der Rückkehrwunsch<br />

auch eine Enttäuschung in sich, Enttäuschung ihres Traumes als Französin in Frankreich<br />

das Glück zu sehen. Vielleicht bestand er aus einem zu großen Konglomerat<br />

aus Illusionen, das nicht begleitet war vom notwendigen Maß an Kenntnis der Realität.<br />

Was sich denn wie für sie in Deutschland dann gestalten würde, war auch völlig<br />

offen. Träume, Wünsche, Freude darauf gab es nicht. Höchstwahrscheinlich würde<br />

sie Romanistik studieren, aber wo hätte sie von Fabien abhängig gemacht. Léane<br />

liebte sie über alle Maßen. Sie würde Michelle am liebsten mitgenommen haben. Sie<br />

sei ihre liebste Mutter und allerbeste <strong>Freund</strong>in hatte sie erklärt. Léane verlassen zu<br />

müssen, wirkte sich auch nicht fördernd auf ihren Rückkehrwunsch aus. Sie konnte<br />

in Frankreich keine wünschenswerte Perspektive sehen, aber wieder nach Deutschland<br />

zu kommen, war auch nicht mit positiven Emotionen besetzt. Als Fabien ihr erklärte,<br />

dass Uli, <strong>Abbi</strong>, Danielle und ich zusammen wohnen wollten, und wir uns<br />

freuten, wenn er und sie auch dazukommen könnten, sei sie völlig ausgerastet und<br />

habe drei Tage lang getanzt. Eine Sonne der Hoffnung sei es gewesen, die für sie<br />

aufgegangen sei. Michelle hatte nur sehr selten etwas von sich hören lassen, jetzt<br />

mailte sie permanent und wollte alles wissen. Wir sagten ihr immer nur, wie sehr<br />

wir uns auf sie freuten. Malen Bilder für die Zukunft und riefen Erinnerungen<br />

wach.Nur wussten wir konkret ja auch nicht mehr, als dass wir eine große Wohnung<br />

oder ein Haus suchen mussten.<br />

Keine Chance<br />

Alles was wir zunächst sahen und unseren Bedürfnissen entsprochen hätte, war absolut<br />

indiskutabel. Wir studierten ja alle, unsere Eltern würden's bezahlen müssen,<br />

außer Uli, er verdiente zwar nicht schlecht, aber ein Krösus war er keinesfalls. Sehr<br />

schnell wurde uns klar, dass es gar nicht möglich war, über Zeitung und Makler in<br />

Düsseldorf etwas Adäquates für uns zu bezahlbaren Preisen zu finden. Natürlich gab<br />

es Wohnungen und Häuser, die unter dem Durchschnittsniveau lagen, aber wie sollten<br />

wir da ran kommen? Alle Möglichkeiten wurden durchgespielt. Bei allen Bekannten<br />

und überall verbreiteten wir, dass und was wir suchten. Es dauerte und nichts<br />

tat sich. Wir studierten alle längst und waren nicht weit davon entfernt, unsere<br />

Idee, unseren Wunsch als nicht realisierbar zu beerdigen.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Freund</strong> <strong>Abbi</strong> – Seite 32 von 34


Gemeinsames Haus<br />

Die Vorfreude war schon längst durch die zu erwartende Enttäuschung überlagert,<br />

als Uli erfuhr, dass ein größeres Haus in D-Derendorf verkauft werden sollte. Das<br />

konnte nur unbezahlbar sein oder direkt neben Rheinmetall liegen. Beides war nicht<br />

der Fall nur wohnten außer der Besitzerin, die ins Seniorenhaus zog noch zwei weitere<br />

Familien in dem Haus. Die Besitzerin und auch ihre Tochter, eine Professorin in<br />

Oldenburg, waren ausgesprochen nette Personen, die sich über unsere Absicht, das<br />

Haus zu verwenden, freuten. Uli war der offizielle Finanzier und wir bedienten durch<br />

unsere Mieten die Kredite. Auch alles noch ein wenig kompliziert. Ende Mai konnten<br />

wir endlich einziehen. Jedes Paar hatte eine eigene Etage, komfortabel, aber da<br />

mussten wir noch einiges ändern. Michelle und Fabien waren schon da und konnten<br />

gleich bei der Umgestaltung helfen. Das waren Arbeiten, die noch nie jemand von<br />

uns gemacht hatte. Umso mehr Spaß machte es. Ein <strong>Freund</strong> von Uli war Architekt,<br />

alleine hätten wir ja von uns aus nichts entscheiden können.<br />

<strong>Mein</strong>e kleine Robinie<br />

Die Einzugsfète gestaltete sich zu einem rauschenden Fest. Léane war überglücklich<br />

und hatte bald ein wenig zu viel getrunken. „Das ist mir noch nie passiert.“ sagte<br />

sie immer wieder, konnte nur noch weinen und ließ sich von allen umarmen und<br />

trösten, obwohl sie keineswegs traurig war, sondern ihre glücklichen Empfindungen<br />

sie übermannt hatten. Es wollte mir erscheinen, dass uns etwas fehlen würde, wenn<br />

Léane nicht auch dazu gehörte. Nicht weil sie Danielles und Fabiens Mutter war, das<br />

wäre unsinnig und lächerlich. Doch ohne sie und was sie mir zunächst gegeben,<br />

wäre da alles undenkbar und hätte sich so nicht entwickeln können. Ja, ja, sie hatte<br />

sicher viel für's 'Himmelreich' bewirkt. Sie hat es vorgelebt, uns mitgegeben. Wir<br />

trugen es in uns. Ob Ulrich das auch in Danielle erkannte? Für mich war er bei uns<br />

der Félicien. Léane und Félicien, sie wurden unsere Außenstelle im Cantal und wir<br />

zur Dependance von Aurillac in Düsseldorf.<br />

<strong>Mein</strong>e kleine Robinie, sie fehlte mir schon. Sie war nicht mit umgezogen in mein<br />

neues Leben. Ich musste mich von ihr lösen. Mich ohne sie allein zurecht finden.<br />

<strong>Mein</strong>e Angelegenheiten selbständig ohne ihren Rat entscheiden können. Die rauhen<br />

Stürme kennen, das kann jeder, der leichte Wind verrät dir die Geheimnisse. Ihn<br />

selber spüren und seine Botschaften verstehen, das musste ich jetzt alleine können<br />

ohne meinen Baum. Ob ich auch den erkannte, der so leicht war, dass man ihn<br />

nicht registrierte? Ich wusst' es nicht, ich wollte achtsam sein. Doch nach dem Sinn<br />

des Lebens fragen, das würde ich doch sowieso nicht tun. Wenn sechs <strong>Freund</strong>e<br />

überzeugt sind, ihn gefunden zu haben, muss man's denn da nicht einfach glauben,<br />

auch wenn die letzten mathematischen Beweise dafür fehlen?<br />

FIN<br />

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En amour, les jeunes paient pour ce qu'il font, les vieux pour ce<br />

qu'ils ne font pas<br />

„Du bist nur einfach für dein Alter viel zu alt geworden.“ hatte ihre Mutter gemeint.<br />

Eine große Entwicklungsgeschichte mit vielen Personen, Veränderungen,<br />

Verwirrungen und wundervollen Beziehungen. An einem Freitagabend waren wir<br />

alle am Küchentisch sitzen geblieben, hatten bei Wein und Käse immer weiter<br />

erzählt und gelacht. Eine wunderschöne Stimmung und vertrauliche Atmosphäre.<br />

„Komm mit, <strong>Abbi</strong>, willst du?“ hatte ich gefragt als wir ins Bett gehen wollten. Ja,<br />

natürlich wollte er. Wir küssten, drückten, rieben uns. Ich war schon ganz erregt<br />

und hätte sagen können: „<strong>Abbi</strong>, ich will ficken.“ Es sollte aber alles ganz gemütlich,<br />

zart und einfühlsam geschehen. Es war ja unser erstes mal. Wir wollten doch den<br />

Körper langsam streichelnd feinfühlig erfahren. Unsrer Liebe wollten wir elegische<br />

Körperlichkeit vermitteln. Ja, schön, so kann man träumen, es wär ja auch nicht<br />

schlecht. Und irgendwann, da würden wir's bestimmt so machen. Nur jetzt war's so,<br />

ich wollte gar nicht warten und <strong>Abbi</strong> tat, als ob er's gar nicht wollte. Er wollte<br />

schon, er traute sich nur nicht, zu gar nichts. „<strong>Abbi</strong>, mach doch!“ musst ich ihn ermahnen.<br />

Ich setzte mich und lehnte mich ans Kopfende vom Bett. Lachend mit weinerlichem<br />

Unterton erklärte ich: „<strong>Abbi</strong>, so wird das nix. Du willst es doch, dann<br />

musst du auch was machen. Ich warte doch darauf und möcht' es gern.“ „Ja, Marion,<br />

es tut mir leid. Ich möchte schon, aber ich kann das gar nicht. Ich glaub', ich<br />

hab' dich ganz entsetzlich lieb“, und er begann zu weinen. <strong>Mein</strong> Körper käme ihm<br />

vor wie der Koh-i-Noor, er traue sich fast nicht ihn zu berühren. Natürlich begehre<br />

er mich ganz stark und es errege ihn ja auch, aber Sex das habe auch immer Konnotationen,<br />

für die ich ihm zu wertvoll und zu schade sei. Oh je, der <strong>Abbi</strong>, mit seiner<br />

großen Klappe, die mir gut gefiel. Dass er sehr feinfühlig sein konnte, wusste<br />

ich natürlich und ich liebte es. Nur jetzt? Na ja grob wollt ich ihn ja auch nicht. Wir<br />

redeten und balgten auch ein wenig und ich machte ihm klar, dass ich es gar nicht<br />

möchte, vom ihm verehrt zu werden.<br />

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