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42 BAUERNZEITUNG TIERHALTUNG<br />
28. WOCHE 2010<br />
Evelin Brüssow arbeitet seit<br />
zwei Jahren in der SZA<br />
Langenlipsdorf der Oehnaland<br />
Agrargesellschaft mbH.<br />
2007 setzte man hier 22 Ferkel je<br />
Sau und Jahr ab, im Frühjahr<br />
2009 waren es schon fast 26.<br />
„Wir mussten uns 2007 entscheiden,<br />
ob wir die Ferkelproduktion<br />
aufrechterhalten wollten“,<br />
erinnert sich Holger Vogt,<br />
erster Geschäftsführer der Oehnaland<br />
AG. „Eine De- und Repopulation<br />
der Herde wäre finanziell<br />
verheerend für uns gewesen.<br />
Wir haben das Leitungspersonal<br />
verstärkt und die Probleme<br />
damit in den Griff bekommen“,<br />
resümiert er heute.<br />
In Evelin Brüssow hat Langenlipsdorf<br />
mit 500 Sauen und<br />
angeschlossenem Flatdeck nun<br />
eine eigene Anlagenleiterin,<br />
vorher gab es für die gesamte<br />
Schweineproduktion nur einen<br />
Chef. Brüssow hat vieles im Management<br />
geändert. So wurde<br />
die Zuchtarbeit überholt. Der<br />
Betrieb reproduziert seine Herde<br />
selbst. Basis ist die Genetik<br />
des Mitteldeutschen Schweinezuchtverbandes<br />
(MSZV). „Wir<br />
haben intensiv mit dem Zuchtverband<br />
über die Zuchtinspekteurin<br />
Sigrun Schröder<br />
zusammengearbeitet“, blickt<br />
die Leiterin zurück. Die Kernsauenherde<br />
aus Deutscher<br />
Landrasse wird mit Deutschem<br />
Edelschwein belegt, die F1-Sauen<br />
mit Piétrain zur Mastläuferproduktion.<br />
Durch gezielte Anpaarungsplanung<br />
unter Nutzung<br />
der aktuellen Ergebnisse<br />
der Zuchtwertschätzung wurden<br />
die Reinzuchtanpaarungen<br />
bei den Mutterlinien über das<br />
Zwiss-System des MSZV optimiert.<br />
Die Zahl der lebend geborenen<br />
Ferkel hat sich je Wurf<br />
seit 2007 von reichlich zehn auf<br />
über 13 erhöht.<br />
Künstliche Ammen als<br />
zusätzliche Hilfe<br />
Bei der Aufzucht der vielen Ferkel<br />
helfen Rescuedecks. Je ein<br />
Deck wird pro Abteil über einer<br />
besetzten Abferkelbucht installiert.<br />
In dieser laut Vogt „beheizbaren<br />
Klimakammer“ werden<br />
abgesetzte Saugferkel mit einem<br />
Management<br />
verbessert<br />
In der brandenburgischen Sauenzuchtanlage<br />
Langenlipsdorf führten Änderungen im<br />
Produktionsablauf zu mehr aufgezogenen Ferkeln.<br />
Anlagenleiterin Evelin Brüssow (l.) hat vieles im Management geändert,<br />
und das Team zog mit: Wolfgang Sprenger, Elisabeth Richter, Anna Jetter<br />
und Andreas Schultze (v. l.).<br />
FOTOS: SABINE RÜBENSAAT<br />
Milchaustauscher, der automatisch<br />
angerührt wird, über Nippeltröge<br />
versorgt. Das Wasser<br />
wird dafür durch einen Boiler erhitzt.<br />
Fünf Rescuedecks kosteten<br />
je 6 500 s inklusive Mischer<br />
und Boiler. In den nur halb abgedeckten<br />
Boxen entwickelten<br />
die kleinen Ferkel allerdings zu<br />
wenig Wärme. Mithilfe von Styroporplatten<br />
hat man die künstlichen<br />
Ammen nun vollständig<br />
verdeckt. Die zum System passende<br />
Milch enthält viele Immunglobuline<br />
aus Blutplasma<br />
und ist für eine längere Haltbarkeit<br />
angesäuert. 150 g sollen laut<br />
Herstellerangaben mit einem Liter<br />
bei 55 °C warmem Wasser<br />
vermischt werden.<br />
In die Rescuedecks kommen<br />
möglichst geschlossene Würfe<br />
aus bis zu zwölf der kräftigsten<br />
Ferkel. An die freien Sauen werden<br />
schwächere Ferkel von anderen<br />
großen Würfen gesetzt.<br />
Oberstes Gebot sei aber der<br />
Wurfausgleich, betont Brüssow.<br />
Zuerst müssen alle Sauen mit<br />
Ferkeln voll bestückt werden.<br />
Die Verluste in den Rescuedecks<br />
tendieren gegen null. Die<br />
Tiere entwickeln sich vital und<br />
kräftig, auch wenn ihre Haut<br />
durch die fettreiche Milch aus<br />
den Nippeln verklebt und<br />
schmutzig aussieht. Nach zwei<br />
Tagen im Flatdeck seien sie von<br />
den anderen Läufern aber nicht<br />
mehr zu unterscheiden, beruhigt<br />
Brüssow. „Die Rescueferkel<br />
sind die besten Fresser. Sie haben<br />
die 300 bis 400 g an Gewichtseinbußen<br />
aus der Abferkelung<br />
schnell kompensiert.“ Ab<br />
viertem Lebenstag bekommen<br />
die Ferkel Beifutter, erst in Mehlform,<br />
ab 12. Lebenstag als Brei.<br />
Das erste Futter ist noch hochwertiger<br />
ausgestattet als ein normaler<br />
Prestarter. Im Flatdeck erhalten<br />
die Läufer in den ersten<br />
14 Tagen das Futter auch als<br />
Brei, danach trocken.<br />
Ausgefeiltes<br />
Abferkelmanagement<br />
Das Abferkelmanagement ist<br />
auf das Ziel ausgerichtet, möglichst<br />
zwölf Ferkel je Sau abzusetzen.<br />
Die Sauen werden in der<br />
Abferkelbucht geduscht, das sei<br />
weniger stressig für die Tiere<br />
und das Personal, so Brüssow.<br />
Ab erstem Tag in der Abferkelung<br />
erhalten die Sauen durchgängig<br />
hochwertiges Laktationsfutter,<br />
auch am Abferkeltag.<br />
Während der Laktation werden<br />
sie dreimal täglich gefüttert und<br />
zusätzlich jeweils mit Wasser<br />
versorgt. Die Futtermenge wird<br />
ab erstem Tag nach der Abferkelung<br />
kontinuierlich erhöht.<br />
Ab 114. Tag erfolgt eine Geburteninduktion.<br />
Depotocin wird<br />
Oehnaland AG mbH<br />
rund 4 000 ha LN<br />
470 Milchkühe<br />
Mastläuferproduktion mit insgesamt<br />
1 000 Sauen an zwei<br />
Standorten<br />
3 200 Flatdeckplätze<br />
7 500 Mastplätze<br />
Biogasanlagen mit Fernwärmeleitung<br />
zur Beheizung der<br />
Sauenanlagen<br />
Rescuedeck über einer belegten<br />
Abferkelbucht.<br />
„Beheizbare Klimakammer“ samt Trögen mit Tränkenippeln für bis zu<br />
zwölf kräftige Ferkel möglichst aus einem Wurf.
28. WOCHE 2010 TIERHALTUNG BAUERNZEITUNG 43<br />
ab 115. Tag gespritzt, falls dann<br />
noch kein Geburtsvorgang zu<br />
beobachten ist. Abendliche Ferkelwachen<br />
gibt es je nach Bedarf<br />
an den Hauptabferkeltagen.<br />
An eine Sau werden, abhängig<br />
von vorherigen Aufzuchtleistungen,<br />
bis zu 13 Ferkel gesetzt.<br />
Nach der Abferkelung erhält eine<br />
Ammensau mit möglichst<br />
kleinen Zitzen (meist eine Jungsau)<br />
einen Sammelwurf aus bis<br />
zu 16 untergewichtigen Ferkeln,<br />
um diesen Tieren eine Überlebenschance<br />
zu geben. Der Sammelwurf<br />
wird als solcher auf der<br />
Karte und im Sauenplaner vermerkt.<br />
Die Erstgeborenen (oder<br />
beißende Ferkel) werden nach<br />
der ersten Kolostrumaufnahme<br />
in eine mit einem Lappen ausgekleidete<br />
Kiste gesperrt, die auf<br />
das warme Ferkelnest gestellt<br />
wird, damit nachfolgende Ferkel<br />
ebenfalls zügig Kolostrum aufnehmen<br />
können.<br />
Drei Pulver kommen in der<br />
Abferkelung zum Einsatz: Mistral<br />
als Nesteinstreu vor dem Abferkeln,<br />
das pflanzliche und mineralische<br />
Feuchtigkeitsbinder<br />
enthält, das Zellulosekonzentrat<br />
Arbocel zum Trockenreiben der<br />
Neugeborenen, sowie das chlorangereicherte<br />
Scanhyg nach der<br />
Kastration.<br />
Einfache Dokumentationshilfen<br />
erleichtern die Arbeit. So<br />
kann über Wanduhren im Abferkelabteil<br />
die Geburtsdauer auf<br />
den Sauenkarten rasch dokumentiert<br />
werden. An den Abferkelabteiltüren<br />
hängt eine Karte<br />
mit den Abferkeldaten jeder Sau<br />
wie lebend und tot geborene,<br />
Mumien oder Geburtsgewichte<br />
und die Behandlungen. Das ergibt<br />
sofort eine gute Übersicht<br />
über die gesamte Sauengruppe.<br />
Gezielte Zootechnik bei<br />
Jung- und Altsauen<br />
Im Jungsauenaufzuchtstall stehen die Zuchtläufer nach Altersgruppen<br />
zusammen. Hinten die Einzelstände für die ältesten Jungsauen, die vor<br />
der Besamung extra konditioniert werden. Dort wurden ebenso wie in der<br />
Besamung Lichtleisten über den Köpfen der Tiere nachgerüstet.<br />
Wartestall: Bis zum 40. Trächtigkeitstag<br />
Einzelhaltung.<br />
Im Zuchtläufer- und Jungsauenstall<br />
stehen die Zuchttiere entsprechend<br />
der Altersgruppen<br />
zusammen. Am 160. und 180.<br />
Tag werden sie eingestuft. Die<br />
erste Einstufung übernimmt der<br />
MSZV, die zweite Kontrolleinstufung<br />
Evelin Brüssow. Die ältesten<br />
Jungsauen werden kurz<br />
vor der Besamung in Einzelständen<br />
mit einem speziellen Jungsauenfutter<br />
konditioniert. Nach<br />
zwei bis drei dokumentierten<br />
zyklischen Rauschen kommen<br />
sie in die Besamung, nachdem<br />
sie ab dem 160. Tag ein intensives<br />
Zootechnikprogramm mit<br />
Eberkontakt, mehrfachem Umtreiben<br />
und Lichtleisten über<br />
den Köpfen der Sauen durchlaufen<br />
haben.<br />
Auch in der Besamung hat<br />
sich vieles geändert. Dienstag<br />
früh werden die Sauen in der Abferkelung<br />
zum letzten Mal gefüttert.<br />
Ab Mittwochnachmittag erhalten<br />
sie im Deckbereich dreimal<br />
1 kg Laktationsfutter und<br />
einmal 1 kg Ferkelfutter. Ab<br />
Donnerstag wird zweimal 20 Minuten<br />
lang mit vier bis fünf<br />
Ebern Kontakt hergestellt.<br />
Besamt wird ausschließlich<br />
duldungsorientiert. Die ersten<br />
Sauen werden schon Sonntagnachmittag<br />
belegt, Montag früh<br />
alle Sauen, die ohne Eber dulden.<br />
Die, die nur mit Eber „stehen“,<br />
werden nachmittags belegt.<br />
Die Sauen, die erst Dienstag<br />
früh mit Eber dulden, werden<br />
ebenfalls nachmittags besamt.<br />
Zusätzliche Wasserversorgung der<br />
Sauen in der Abferkelung erhöht<br />
die Futteraufnahme.<br />
Erst danach kommen sie in die<br />
Gruppenhaltung.<br />
Mittwoch früh wird die letzte<br />
Rauschekontrolle durchgeführt.<br />
Sollte eine Sau dreimal dulden,<br />
wird sie auch dreimal belegt.<br />
Im ersten Wartebereich mit<br />
170 Kastenständen erhalten die<br />
Sauen zweimal am Tag ihr Futter,<br />
Wasser wird durchgängig ad<br />
libitum über den Haupthahn<br />
angeboten. Bis zum 40. Trächtigkeitstag<br />
scannt man zweimal die<br />
Trächtigkeit. Dann erst kommen<br />
die Sauen in die Gruppenhaltung.<br />
Das Impfregime wurde an das<br />
Erregerprofil des Betriebes angepasst.<br />
Die Ferkel erhalten eine<br />
Dokumentationshilfe: Abferkeldaten<br />
der Sauengruppe an jeder<br />
Abteiltür.<br />
Mykoplasmen- und PCV2-Impfung,<br />
die Jungsauen neben Parvo/Rotlauf<br />
die Influenza- und<br />
Coliimpfung sowie eine Endo-/<br />
Ektoparasitenbehandlung, die<br />
Altsauen eine Influenza- und<br />
Coliimpfung.<br />
Verbessert wurde das Hygieneregime.<br />
Eine externe Firma<br />
nahm dafür eine Bestandsanalyse<br />
auf, zeigte Schwachstellen,<br />
erarbeitete einen Hygieneplan<br />
und schulte die Mitarbeiter.<br />
Mit Schweinen Geld<br />
verdienen ein Muss<br />
Rund 21 000 Mastläufer der<br />
Agrargesellschaft gehen pro Jahr<br />
mit etwa 30 kg in die Tochterfirma,<br />
den Märkischen Schweinehof,<br />
der nur 800 m Luftlinie von<br />
der Sauenanlage Langenlipsdorf<br />
entfernt steht. In eine kleine Selektionsmast<br />
kommen nur die<br />
kleinsten Läufer. Alle 14 Tage<br />
werden rund 720 Mastschweine<br />
über die Erzeugergemeinschaft<br />
Flämingfleisch vermarktet. In<br />
der Mast setzt man betriebseigenes<br />
Futter mit Maisfeuchtkornsilage<br />
als Hauptkomponente<br />
ein. Die Sauen und Läufer bekommen<br />
nur Fertigfutter, die<br />
Mischfutterlieferanten werden<br />
dafür mit Getreide beliefert.<br />
„Mit der Schweineproduktion<br />
müssen wir Geld verdienen, hier<br />
orientieren wir uns am Schweinepreis“,<br />
verdeutlicht Geschäftsführer<br />
Vogt. Die Ferkelproduktion<br />
schafft dafür mit<br />
mehr Ferkeln bei reduziertem<br />
Sauenbestand die Basis. Mit<br />
dem Umbau der Abferkelabteile<br />
hat Langenlipsdorf auch mehr<br />
Platz, um die größere Zahl geborener<br />
Ferkel aufzuziehen (BauernZeitung<br />
24/2010, S. 38 f.).<br />
Reduziert werden konnte zudem<br />
der Aufwand. Die Gesundheitskosten<br />
wurden allein bis<br />
2009 um über 10 s je Sau und<br />
Jahr gesenkt. Ende April 2010<br />
hatte man die 27 abgesetzten<br />
Ferkel je Sau und Jahr erreicht.<br />
„28 sind künftig ein Muss“, so<br />
Evelin Brüssow.<br />
SUSANNE GNAUK<br />
Die bedarfsgerechte Fütterung<br />
bereitet Jung- und Altsauen zielgerichtet<br />
auf viele Ferkel vor.