98 Bef<strong>und</strong>en logisch abgeleitet o<strong>der</strong> erschlossen werden. Was aber den Inhalt <strong>der</strong> hypothesenfreien reinen Erfahrung angeht, <strong>der</strong> faktisch vorgef<strong>und</strong>en wird, so ist bei Volkelt eine vergleichbare Kontinuität zwischen 1886 <strong>und</strong> 1918 nicht mehr, o<strong>der</strong> nur noch teilweise vorhanden. Davon werden wir wie gesagt noch zu sprechen haben. Wie Sie jedenfalls sehen ist es, nur theoretisch genommen, einigermassen schwierig, den Weg zu einem wirklich voraussetzungslosen Beginn des <strong>Philosophie</strong>rens zu finden, <strong>und</strong> sich all dessen zu entschlagen, was dort nicht hingehört. Und was findet <strong>der</strong> mit diesem Rüstzeug ausgestattete Erkenntnistheoretiker, wenn er sich aller ungeprüften Erkenntnisse enthält? - Nun, er findet nach Volkelts Auffassung von 1886 vor allem Unordnung in seinem Seelenleben respektive in seinen Erfahrungen. So weit es dort Ordnung gibt, ist sie nach Volkelt vom Denken nachträglich in das Vorgef<strong>und</strong>ene hineingebracht <strong>und</strong> ihm zugeschrieben worden. Und zwar, <strong>und</strong> das ist jetzt entscheidend, mit Mitteln <strong>und</strong> anhand von Begrifflichkeiten, für die es auf <strong>der</strong> reinen Erfahrungsebene laut Volkelt nichts Entsprechendes zu beobachten gibt. Ordnung <strong>und</strong> Regelmässigkeit sind keine ursprünglich im Seelenleben veranlagten <strong>und</strong> dort auffindbaren Inhalte des reinen Erlebens. Ebensowenig wie Verursachung (Kausalität) <strong>und</strong> Kontinuität. Für den Volkelt von 1886 muss, wer Ordnung <strong>und</strong> Verursachung im Bereich seiner (inneren) Erfahrung annimmt, auf etwas <strong>zur</strong>ückgreifen, was er innerhalb <strong>der</strong> Erfahrung selbst nicht findet. Damit ihm jetzt nicht die ganze Erfahrungswelt philosophisch in ein zusammenhangloses Chaos versinkt, ist er genötigt, Regelmässigkeit <strong>und</strong> Verursachung in die Erfahrung hineinzudenken, bzw sie zu postulieren. Hat aber dafür keine auffindbare empirische Legitimation. Also muss er an ihr Vorhandensein glauben, kann es aber nicht wissen. Damit ist er 1886 über Hume <strong>und</strong> Kant nicht hinausgekommen. "Die For<strong>der</strong>ung des Erkennens nach Allgemeinheit hängt aufs engste mit seinem Streben zusammen, kausale Verknüpfung, Gesetzmäßigkeit o<strong>der</strong> doch Regelmäßigkeit zu entdecken." So schreibt er auf S. 81 von Erfahrung <strong>und</strong> Denken. Weiter dann: "Die Hoffnung, diese Vorzüge, nach <strong>der</strong>en Auffindung alle Wissenschaft strebt, an den Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> materiellen o<strong>der</strong> psychischen Außenwelt unmittelbar wahrzunehmen, ist ein für allemal abgeschnitten. Sollen sie irgendwo erfahrbar sein, so kann diese Gunst nur <strong>der</strong> Boden des eigenen Bewußtseins gewähren. Man müßte nur, wenn sich diese Phänomene in <strong>der</strong> That in dem eigenen Bewußtsein aufzeigen ließen, um ja nicht in Transsubjektive zu verfallen, die Darstellung zuerst gleichsam monologisch halten, die ganze Untersuchung wie eine Privatangelegenheit betreiben. Wäre dies einmal geglückt, dann würde dieser Erfolg für die Feststellung <strong>der</strong> ferneren Erkenntnisprinzipien, die zu <strong>der</strong> Erfahrung hinzukommen müssen, von großer Bedeutung sein. Die Erfahrung wäre dann um ein gewaltiges Stück leistungsfähiger, als in dem Falle, wo jene Eigenschaften den Bewußtseinsvorgängen als solchen abzusprechen wären." Da in <strong>der</strong> Aussenwelt die Kausalität nirgends gef<strong>und</strong>en werden kann - Sie erinnern sich an Humes Problem aus unserem obigen Kapitel 5i) - ist die Frage laut Volkelt zu stellen, ob möglicherweise in <strong>der</strong> Innenwelt, - allgemeiner: auf <strong>der</strong> reinen Erfahrungsebene -, des Menschen überhaupt etwas Vergleichbares zu entdecken ist. Davon macht er vieles abhängig. "Die Erfahrung", so sagt er, "wäre dann um ein gewaltiges Stück leistungsfähiger, als in dem Falle, wo jene Eigenschaften den Bewußtseinsvorgängen als solchen abzusprechen wären." Es hängt in seinen Augen also ausserordentlich viel von <strong>der</strong> Tatsache ab, ob es für Humes Problem im menschlichen Seelenleben im Rahmen <strong>und</strong> auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Erfahrung eine Lösung gibt. Damit sind nun alle diejenigen Fragen auf den Tisch gebracht, die wir von Wilhelm Dilthey (stellvertretend oben auch von Wimmenauer) im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Kausalität erörtert fanden. Wo überhaupt findet sich Kausalität o<strong>der</strong> Regelmässigkeit, wenn nicht im Menscheninnern? Und Steiner sah, wie Sie sich ebenfalls erinnern werden, in <strong>der</strong> Schrift Goethes Weltanschauung im Menscheninneren den einzigen Ort, wo Wirkendes <strong>und</strong> Bewirktes verlässlich zu beobachten sind. Die sich darum rankenden philosophischen Problemstellungen sind auch für Volkelt die wichtigsten seiner Zeit. "Die Frage, zu <strong>der</strong> wir hiermit gelangt sind, verdient in einem eigenen Kapitel behandelt zu werden." schreibt er auf S. 82 von Erfahrung <strong>und</strong> Denken. "Sie lautet: ist es möglich, kausalen Zusammenhang, Gesetzmäßigkeit o<strong>der</strong> auch nur Regelmäßigkeit aus bloßer Erfahrung zu erkennen? M. a. W.: gehören die bezeichneten Verhältnisse zu dem, was mir das Wissen von meinem Bewußtsein unmittelbar darbietet?"
99 Und was sagt jetzt Volkelt 1886 im Folgekapitel auf <strong>der</strong> immanent-psychologischen Basis <strong>der</strong> reinen Erfahrung dazu? Fortsetzung folgt
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3 Ein Blick in die Psychologie der
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5 Ohne Zweifel lässt sich sachlich
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7 seiner im menschlichen Lebensbegi
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9 Im weiteren Sinne geht es Kant da
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11 Art Goethes, sondern Denkprozess
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13 Kapitel 3 Kurzer Exkurs zu den L
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19 für das selbstbewußte Ich dasj
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21 dem reinen erfahrungsfreien Denk
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