24.11.2013 Aufrufe

Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

94<br />

Laufe seines Lebens neben zahlreichen Fachaufsätzen auch eine Reihe anspruchsvoller<br />

Schriften dazu veröffentlicht. 124<br />

Immanent psychologischer Ausgangspunkt <strong>der</strong> Erkenntnistheorie Volkelts<br />

"Dem Sprödetun gegen die Metaphysik hat sich heutigen Tages das Sprödetun gegen die Psychologie<br />

hinzugesellt. Für die philosophische Literatur <strong>der</strong> Gegenwart ist die Furcht vor dem Verdacht des Psychologismus<br />

geradezu charakteristisch. Auf Schritt <strong>und</strong> Tritt begegnet man Versicherungen von <strong>der</strong><br />

Art: das Gesagte sei beileibe nicht psychologisch zu verstehen; aus dem Ergebnis dürfe um keinen<br />

Preis eine psychologische Folgerung gezogen werden; die Psychologie habe schlechtweg nichts drein<strong>zur</strong>eden;<br />

die Psychologie sei so recht die Ver<strong>der</strong>berin <strong>der</strong> Problemstellungen. Angesichts <strong>der</strong> ängstlich<br />

geflissentlichen Abwehr des Verdachtes, auf den Bahnen <strong>der</strong> bösen Psychologie zu wandeln, ist es oft<br />

schwer nicht spöttisch gestimmt zu werden. Manchmal ist es, als fürchte <strong>der</strong> junge philosophische<br />

Schriftsteller sich bloßzustellen, wenn er <strong>der</strong> Psychologie nicht ihre Untergeordnetheit <strong>und</strong> Nebensächlichkeit<br />

zu fühlen gebe. [] Die Methode <strong>der</strong> Selbstbesinnung hat nach allem Gesagten zweifellos<br />

eine psychologische Seite. Alle Aussagen, die <strong>der</strong> Erkenntnistheoretiker auf Gr<strong>und</strong> des Selbstinneseins<br />

über die verschiedenen Arten <strong>der</strong> Gewißheit tut, könnten ebensogut von einem Psychologen, falls er<br />

nur sich auf diese bestimmten Gebiete des seelischen Lebens mit seinem Beschreiben verlegt, gemacht<br />

werden. Es sind psychologisch feststellbare Tatsachen, die von dem Erkenntnistheoretiker in jenen<br />

Aussagen beschrieben werden. [] Hierin ist aber nicht im entferntesten eine Abhängigkeit <strong>der</strong> Erkenntnistheorie<br />

von <strong>der</strong> Psychologie enthalten. Die Psychologie ist nicht als eine <strong>der</strong> Erkenntniswissenschaft<br />

vorausgehende Wissenschaft vorausgesetzt. Ebensowenig soll gesagt sein, daß innerhalb <strong>der</strong> Erkenntnistheorie<br />

die Psychologie in einem voranstehenden Abschnitte die psychologische Gr<strong>und</strong>lage zu<br />

legen habe, an die dann die eigentlich erkenntnistheoretischen Untersuchungen anzuknüpfen seien.<br />

Vielmehr psychologisiert <strong>der</strong> Erkenntnistheoretiker, indem er jene Aussagen macht, sozusagen auf eigene<br />

Rechnung. Seine Aussagen über die Gewißheitstypen, beruhen auf sich selbst. Sie sind nicht unter<br />

die Berufung auf die Psychologie <strong>und</strong> ihre Ergebnisse gemacht. Daß es eine Psychologie gibt, ist<br />

für das Gelten dieser Aussagen vollkommen belanglos. Der Erkenntnistheoretiker gibt vielmehr die<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Gewißheitstypen rein im Dienste <strong>der</strong> erkenntnistheoretischen Fragestellung, ohne<br />

dabei irgend etwas von <strong>der</strong> Psychologie Geleistetes <strong>zur</strong> Begründung heranzuziehen. Ich darf insofern<br />

von einer immanent-psychologischen Seite an den erkenntnistheoretischen Untersuchungen sprechen."<br />

So spricht sich Volkelt 1918 über das Verhältnis zwischen Erkenntnistheorie <strong>und</strong> Psychologie aus. 125<br />

Damit haben wir bewusst zeitlich weit vorgegriffen. In betonter Absicht, denn an <strong>der</strong> psychologischen<br />

Methodik <strong>der</strong> Erkenntnistheorie, wie er sie oben skizziert, hat sich im Verlauf dreier Jahrzehnte seit<br />

1886, dem Erscheinungsjahr von Erfahrung <strong>und</strong> Denken, bei Volkelt nichts verän<strong>der</strong>t. Bei <strong>der</strong> Bewertung<br />

<strong>und</strong> Einschätzung einzelner auf dem Wege <strong>der</strong> erkenntniswissenschaftlichen Untersuchung aufgef<strong>und</strong>ener<br />

psychologischer Sachverhalte, <strong>und</strong> zwar ziemlich gravieren<strong>der</strong> Sachverhalte, allerdings<br />

schon. Das ist insofern bemerkenswert, da für Volkelt, wie er 1906 in Anlehnung an Carl Stumpf betont,<br />

nicht psychologisch falsch sein könne, was erkenntnistheoretisch wahr ist. 126 Vor dem Hinter­<br />

124<br />

Siehe dazu etwa folgende Schriften Volkelts:<br />

Eine relativ breite Übersicht <strong>der</strong> bei archive.org im Internet zugänglichen Arbeiten finden Sie hier.<br />

Darunter hervorzuheben sind unter erkenntniswissenschaftlichen Gesichtspunkten etwa:<br />

Johannes Volkelt, Immanuel Kants Erkenntnistheorie nach ihren Gr<strong>und</strong>principien analysiert, Leipzig<br />

1879.<br />

Johannes Volkelt, Erfahrung <strong>und</strong> Denken, Hamburg <strong>und</strong> Leipzig 1886.<br />

Johannes Volkelt, Die Quellen <strong>der</strong> menschlichen Gewißheit, München 1906.<br />

Johannes Volkelt, Vorträge <strong>zur</strong> Einführung in die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Gegenwart, München 1892.<br />

Johannes Volkelt, Das Unbewußte <strong>und</strong> <strong>der</strong> Pessimismus, Berlin 1873.<br />

Johannes Volkelt, Gewißheit <strong>und</strong> Wahrheit, München 1918.<br />

Johannes Volkelt, Die Gefühlsgewißheit, München 1922.<br />

125<br />

Johannes Volkelt, Gewißheit <strong>und</strong> Wahrheit, München 1918, S. 38 f.<br />

126<br />

Siehe Johannes Volkelt, Die Quellen <strong>der</strong> menschlichen Gewißheit, München 1906, S. 77: "Die Unabhängigkeit<br />

<strong>der</strong> Erkenntnistheorie von <strong>der</strong> Psychologie wird häufig dahin übertrieben, als ob die Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Erkenntnistheorie keine psychologische Bedeutung hätten. Ich bin <strong>der</strong> Meinung, die Stumpf kurz

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!