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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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93<br />

ebenso kennt wie ich, diese Tatsache definitiv nicht öffentlich <strong>zur</strong> Kenntnis nimmt <strong>und</strong> weiter<br />

verfolgt, sich stattdessen ausgiebig <strong>und</strong> frei schwebend über <strong>Steiners</strong> Begriff des Gegebenen<br />

in <strong>der</strong> Dissertation bzw. Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft auslässt, ohne als <strong>Philosophie</strong>historiker<br />

über die entscheidenden genetischen <strong>und</strong> psychologischen Hintergründe ein Wort zu verlieren,<br />

so ist das also sachlich nicht mehr nachvollziehbar. Mit gründlicher <strong>und</strong> unvoreingenommener<br />

Untersuchung <strong>und</strong> Analyse des <strong>Steiners</strong>chen Frühwerks jedenfalls hat das herzlich wenig zu<br />

tun. Und entsprechend ist <strong>der</strong> Löwenanteil dessen, was Traub in seinem Buch zum Verständnis<br />

<strong>Steiners</strong> vorträgt, wegen <strong>der</strong> komplett ausgeblendeten historisch-psychologischen<br />

Perspektive weitgehend Makulatur. Es mag ein gewisses vor<strong>der</strong>gründiges intellektuelles<br />

Interesse noch befriedigen, aber zum methodischen Kern, <strong>und</strong> damit zum Verständnis <strong>der</strong><br />

ganzen Angelegenheit, ist er gar nicht vorgedrungen. Seine spärlichen verzweifelten<br />

Versuche, irgend etwas Sinnhaltiges über <strong>Steiners</strong> spätere Anthroposophie auszusagen, sind<br />

dann auch danach.<br />

Abgesehen von seiner psychologischen Orientierung, die uns hier interessiert, galt Volkelt in<br />

seiner Zeit auch im übrigen als Gegner Kants. Dort siedelt ihn Hans Vaihinger in seinem umfangreichen<br />

Kommentar <strong>zur</strong> Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft von 1922 auf S. 18 an. 122 Volkelts<br />

Schrift Immanuel Kants Erkenntnistheorie nach ihren Gr<strong>und</strong>principien analysiert von 1879<br />

war entsprechend einer eingehenden Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Kant gewidmet. In den<br />

Gr<strong>und</strong>linien einer Erkenntnistheorie <strong>der</strong> Goetheschen Weltanschauung von 1886 bezieht sich<br />

Steiner auf S. 14 auf beide hier genannten Volkeltschen Werke <strong>und</strong> schreibt dort zwar kritisch,<br />

aber an <strong>der</strong> entscheidenden Stelle ihm zustimmend: "Nach unserer Überzeugung ist es Johannes<br />

Volkelt vorzüglich gelungen, das in scharfen Umrissen zu zeichnen, was wir reine Erfahrung<br />

zu nennen berechtigt sind. Schon vor fünf Jahren in seinem Buche über «Kants Erkenntnistheorie»<br />

ist sie vortrefflich charakterisiert <strong>und</strong> in seiner neuesten Veröffentlichung: «Erfahrung<br />

<strong>und</strong> Denken» hat er die Sache dann weiter ausgeführt. Er hat das nun freilich <strong>zur</strong> Unterstützung<br />

einet Ansicht getan, die von <strong>der</strong> unsrigen gr<strong>und</strong>verschieden ist <strong>und</strong> in einer wesentlich<br />

an<strong>der</strong>en Absicht, als die unsere gegenwärtig ist. Das kann uns aber nicht hin<strong>der</strong>n, seine<br />

vorzügliche Charakterisierung <strong>der</strong> reinen Erfahrung hierher zu setzen. Sie schil<strong>der</strong>t uns einfach<br />

die Bil<strong>der</strong>, die in einem beschränkten Zeitabschnitte in völlig zusammenhangloser Weise<br />

vor unserem Bewußtsein vorüberziehen." 123 <strong>Steiners</strong> Kritik an Volkelt enzündete sich vor allem<br />

an dem von Volkelt behaupteten Vorstellungscharakter <strong>der</strong> reinen Erfahrung. Eine nach<br />

<strong>Steiners</strong> Auffassung auf dieser Ebene <strong>der</strong> Erkenntnistheorie ganz unzulässige subjektivistische<br />

Einschätzung. Vollends einverstanden mit Volkelt war er also schon 1886 nicht, was ihn allerdings<br />

nicht hin<strong>der</strong>te, etliche Jahre später in <strong>der</strong> Dissertation respektive in Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

in entscheidenden Gr<strong>und</strong>fragen erklärtermassen neuerlich auf ihm aufzubauen. Was<br />

kaum etwas an<strong>der</strong>es bedeuten kann, als dass es in <strong>Steiners</strong> Augen <strong>zur</strong> damaligen Zeit bei allem<br />

Dissens in Detailfragen keinen Geeigneteren als Volkelt gab. Und keine geeignetere methodische<br />

Ausgangsposition, an die er hätte anknüpfen können, als diejenige des psychologisch<br />

orientierten Volkelt. Und dementsprechend hat er sich darauf gestützt.<br />

So weit nur einige Fe<strong>der</strong>striche zu den Hintergründen. Ich möchte hier mehr auf Volkelts empirisch<br />

psychologische Methode schauen, die Steiner so weit entgegenkam, dass er sich in<br />

dieser Frage auf ihn berufen konnte, wenn sie ihn auch bisweilen zu an<strong>der</strong>en Resultaten führte.<br />

Dass Volkelt für Steiner ganz beson<strong>der</strong>s fruchtbar war erklärt sich aus dem Umstand, dass<br />

er ebenso wie Steiner als Philosoph <strong>und</strong> Erkenntnistheoretiker vorzugsweise in den Grenz<strong>und</strong><br />

Übergangsregionen von <strong>Philosophie</strong> <strong>und</strong> Psychologie operierte. Und so hat Volkelt im<br />

122<br />

Kommentar zu Kants Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft, von Dr. H. Vaihinger, herausgegeben von Dr. Raym<strong>und</strong><br />

Schmidt, erster Band, zweite Auflage, Stuttgart, Berlin, Leipzig, 1922.<br />

123<br />

Siehe in <strong>der</strong> Dornacher GA: Rudolf Steiner, Gr<strong>und</strong>linien einer Erkenntnistheorie <strong>der</strong> Goetheschen Weltanschauung,<br />

GA-2, Dornach 1979, S. 33.

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