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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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92<br />

achtung ernsthaft befasst <strong>und</strong> an <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion darüber teilgenommen. 120 Dass<br />

er in all seiner Psychologieorientierung vom zeitgenössischen Diskurs <strong>und</strong> Forschungsstand<br />

<strong>der</strong> Psychologie, wie er von Külpe in seinem Beitrag im Sammelband von Paul Ziche skizziert<br />

wird, bei seinen erkenntniswissenschaftlichen Untersuchungen im Verlauf <strong>der</strong> Jahrzehnte<br />

seines Schaffens völlig unberührt geblieben ist, fällt schwer zu glauben <strong>und</strong> scheint mir unrealistisch.<br />

Bei Steiner werden in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>und</strong> in den früheren Schriften<br />

noch keine in diese Richtung gehenden qualitativen Methodenfragen erläutert. Es ist erst Thema<br />

<strong>der</strong> späteren Anthroposophie.<br />

Und damit kommen wir jetzt zu Johannes Volkelt, von dem ich oben sagte, dass er vom selben<br />

psychologischen Geist <strong>der</strong> Erkenntniswissenschaft beseelt war wie Steiner <strong>und</strong> Dilthey. Volkelt<br />

ist für unsere Fragestellung insofern erhellend <strong>und</strong> aussagekräftig, weil er einmal von<br />

Steiner in <strong>der</strong> Dissertation bzw. Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft als gr<strong>und</strong>legende Quelle für seinen<br />

Begriff des Gegebenen genannt wird. Und zum an<strong>der</strong>en, weil an ihm auch <strong>der</strong> psychologische<br />

Kontrast zu Steiner beson<strong>der</strong>s ins Auge fällt. Deswegen, weil laut Volkelt das im Hervorbringen<br />

des Gedankens bei Steiner anzutreffende kausale o<strong>der</strong> erwirkende Element gerade<br />

nicht anzutreffen ist. Die erkenntnistheoretische Einschätzung eines kardinalen psychologischen<br />

Sachverhalts ist trotz aller psychologischen Orientierung bei beiden also ausgesprochen<br />

divergent. Damit wird natürlich erneut die Frage virulent, wie <strong>der</strong>art unterschiedliche Einschätzungen<br />

auf <strong>der</strong> seelischen Ebene möglich waren.<br />

In <strong>der</strong> Einleitung zu Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft (S. 15) bzw in <strong>Steiners</strong> Dissertation gleich auf<br />

<strong>der</strong> allersten Seite, findet sich <strong>der</strong> entsprechende, gleichlautende Hinweis auf Volkelts Schrift<br />

Erfahrung <strong>und</strong> Denken von 1886 mit den Worten: "Dabei ist allerdings anzuerkennen, daß<br />

ohne die gr<strong>und</strong>legenden Vorarbeiten Volkelts mit ihren gründlichen Untersuchungen über den<br />

Erfahrungsbegriff die präzise Fassung des Begriffes des «Gegebenen», wie wir sie versuchen,<br />

sehr erschwert worden wäre."<br />

Dass Steiner diesen Hinweis gleich auf <strong>der</strong> ersten Seite <strong>der</strong> Dissertation platziert, - übrigens<br />

als einzigen dort -, macht hinreichend deutlich, welche bedeutende Rolle Volkelt allen voran<br />

für die Abfassung dieser Arbeit spielte. Und was das vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Umstandes<br />

heisst, dass sich die Erkenntnistheorie Volkelts ausdrücklich als psychologisch orientiert <strong>und</strong><br />

vorgehend versteht. Zudem spielte Volkelt schon in den Jahren zuvor eine herausragende Rolle<br />

bei Steiner, insofern dieser ihn hinsichtlich des Begriffs <strong>der</strong> reinen Erfahrung in <strong>der</strong> Schrift<br />

Gr<strong>und</strong>linien einer Erkenntnistheorie <strong>der</strong> Goetheschen Weltanschauung von 1886 (GA-2) nicht<br />

nur ausgiebig zitiert, son<strong>der</strong>n sogar ganz massgeblich dort auf Volkelts Begriff <strong>der</strong> reinen Erfahrung<br />

aufbaut. Somit <strong>der</strong> Rückgriff auf diesen Philosophen ein unstreitig werkprägendes<br />

Moment beim frühen Steiner ist. Dass Steiner Volkelts Schrift Immanuel Kants<br />

Erkenntnistheorie nach ihren Gr<strong>und</strong>principien analysiert von 1879 in den Einleitungen in<br />

Goethes naturwissenschaftliche Schriften dahingehend qualifiziert, dass sie "zu dem Besten<br />

gehört, was die neuere <strong>Philosophie</strong> hervorgebracht hat", haben wir weiter oben schon gesagt,<br />

<strong>und</strong> ist unter den genannten Umständen fast überflüssig zu erwähnen. 121<br />

Philosophisch gesehen ist Volkelt für <strong>Steiners</strong> erkenntnistheoretischen Empirismus folglich<br />

eine Grösse, die man als professioneller Bearbeiter von <strong>Steiners</strong> Werk besser nicht vernachlässigen<br />

sollte. Tut man dies trotzdem, so lässt sich das nur als gravieren<strong>der</strong> handwerklicher<br />

Kunstfehler qualifizieren. Wenn nun ein philosophischer Fachmann wie Hartmut Traub, <strong>der</strong><br />

natürlich die Gr<strong>und</strong>schriften <strong>Steiners</strong> kennt, wenn auch nicht alle gleichrangig behandelt, <strong>und</strong><br />

demgemäss auch die genannten Volkelt betreffenden Verhältnisse wenigstens im Gr<strong>und</strong>satz<br />

120<br />

Siehe dazu etwa Johannes Volkelt, Psychologische Streitfragen, = Zeitschrift für <strong>Philosophie</strong> <strong>und</strong> philosophische<br />

Kritik, Bd. 90 (o.J.), S. 1 ff.<br />

121<br />

Siehe Rudolf Steiner, Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, GA-1, Dornach 1973, S. 146<br />

im Kapitel IX, Goethes Erkenntnistheorie.

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