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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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86<br />

gungen Volkelts ohne ein einziges sachhaltiges Gegenargument, son<strong>der</strong>n einzig <strong>und</strong> allein mit<br />

<strong>der</strong> pauschalen <strong>und</strong> ziemlich üblen Behauptung erledigt, nicht einmal ein Wahnsinniger glaube<br />

von seinen Begriffen <strong>und</strong> Ideen, sie seien ohne seine Tätigkeit hervorgebracht worden. In<br />

<strong>der</strong> Tat ziemlich übel, denn damit siedelt er implizit <strong>und</strong> bei Lichte besehen mit Volkelt stellvertretend<br />

den an<strong>der</strong>es meinenden zeitgenössischen philosophisch-psychologischen Wissenschaftsbetrieb<br />

noch unter dem Niveau eines Wahnsinnigen an. Ein für eine Dissertation ganz<br />

ungeheuerlicher Affront in je<strong>der</strong> Hinsicht. Nicht nur dem Inhalt <strong>der</strong> Behauptung nach, son<strong>der</strong>n<br />

viel mehr noch <strong>der</strong> vollständig argumentationslosen Verfahrensweise nach. <strong>Steiners</strong> etwa<br />

48 Seiten lange Dissertation macht, an<strong>der</strong>s als etwa die ähnlich orientierte <strong>und</strong> auch nicht sehr<br />

umfangreiche Dissertation Wimmenauers, die wir oben im Kapitel 5i) etwas erläutert haben,<br />

nicht entfernt den Versuch, seine These bewusstseinsphänomenologisch zu diskutieren <strong>und</strong><br />

kritisch zu erläutern. Was man zumindest bei seinem exponierten Verweis auf Volkelt hätte erwarten<br />

müssen. Steiner blendet stattdessen die entsprechenden Gegenpositionen vollständig<br />

aus. Ein für eine Doktorarbeit einigermassen dreistes <strong>und</strong> wissenschaftlich natürlich mehr als<br />

fragwürdiges Proce<strong>der</strong>e. Die damaligen Gutachter <strong>der</strong> <strong>Steiners</strong>chen Dissertation müssen dies<br />

dann auch, an<strong>der</strong>s als die meisten heutigen Leser, die davon in <strong>der</strong> Regel nicht einmal als ausgewiesene<br />

Fachwissenschaftler etwas wissen (siehe Hartmut Traub), als eklatanten wissenschaftlichen<br />

Mangel empf<strong>und</strong>en haben. Entsprechend ist auch nicht zu erwarten, dass sie <strong>Steiners</strong><br />

Doktorarbeit mit summa cum laude bewertet haben. 113<br />

113<br />

Bekanntlich ist <strong>Steiners</strong> Dissertation mit <strong>der</strong> denkbar schlechtesten Note rite bewertet worden. Dazu trug sein<br />

Umgang mit <strong>der</strong> obenstehenden Frage vielleicht nicht allein bei. Aber wie mir scheint, weil vieles dafür spricht,<br />

doch in einem beträchtlichen Umfang. Denn was Steiner dort vorführte, war einfach eine kolossale <strong>und</strong> nicht<br />

hinzunehmende wissenschaftliche Entgleisung. Siehe ganz knapp dazu auch Mitteilungen, Anthroposophie<br />

weltweit. Ausgabe 1-2/Februar 2012, S. 5. Siehe auch die Onlineausgabe <strong>der</strong> Zeitschrift Erziehungskunst.<br />

Vortragsweise spricht Steiner weit später (1921) davon, dass es ausserordentlich schwierig sei, philosophisch<br />

<strong>zur</strong> Anerkennung von Denkaktivität zu kommen: "Dennoch ist es außerordentlich schwierig, auf diesem<br />

Wege rein philosophisch hinzukommen zu <strong>der</strong> Erfassung <strong>der</strong> Aktivität des Denkens, <strong>und</strong> ich kann es vollständig<br />

verstehen, daß Geister wie Richard Wahle, <strong>der</strong> sich einmal klar vor die Seele gestellt hat, wie das Wahrnehmen<br />

eigentlich nur Chaotisches vor unsere Seele hinsetzt, <strong>und</strong> wie solche Denker, die wirklich nur dasjenige vor sich<br />

haben, was Johannes Volkelt mit Recht genannt hat die einzelnen nebeneinan<strong>der</strong>gesetzten Fetzen des äußeren<br />

Wahrnehmens, die das Denken erst ordnen muß - ich kann es verstehen, wie solche Denker dann, weil sie sich<br />

ganz einleben in das Wahrnehmen, nicht dazu kommen, sich auch einleben zu können in die aktive Wesenheit<br />

des Denkens, sich nicht aufschwingen können dazu, anzuerkennen, daß wir, indem wir die Aktivität des Denkens<br />

erleben, in einer Tätigkeit ganz drinnenstehen, <strong>und</strong> weil wir ganz drinnenstehen, sie mit unserem Bewußtsein<br />

völlig verbinden können. Ich kann mir gut vorstellen, wie unbegreiflich es solchen Denkern ist, wenn man ihnen<br />

aus dem vollen Erleben dieser Aktivität des Denkens die Worte entgegnet: Im Denken haben wir das Weltgeschehen<br />

selber an einem Zipfel erfaßt! -, wie ich es in meiner «<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>» ausgesprochen habe." GA-<br />

78, Dornach 1968, S. 39 ff. Vortrag vom 30. August 1921.<br />

Steiner selbst ist diese philosophische Anerkennung von Denkaktivität mit Blick auf seine Dissertation<br />

allerdings auch nicht in einer Weise gelungen, dass man sagen könnte, sie sei wissenschaftlich abgesichert. Er<br />

zeigt nur auf den entscheidenden Punkt, sichert ihn aber nicht ab. Gerade in <strong>der</strong> Dissertation (Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft)<br />

findet diese Absicherung ja erkennbar nicht statt, weil er dort auf den Forschungsstand seiner Zeit gar<br />

keinen Bezug nimmt. Die philosophische Absicherung hätte nur im Rahmen einer (umfänglichen) Diskussion<br />

kontroverser Standpunkte bestehen können. Davon aber kann bei Steiner keine Rede sein, son<strong>der</strong>n er beschränkt<br />

sich wie gezeigt auf eine bloss persönliche Behauptung, die sich nicht einmal mit den eigenen divergierenden<br />

Quellen (Volkelt) in dieser Angelegenheit auseinan<strong>der</strong>setzt. Und die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> versteht sich schon<br />

gar nicht mehr als ein Werk, das die zeitgenössischen psychologischen Auffassungen von Denkaktivität breit diskutiert.<br />

Sie aber installiert auf dem fraglichen Hervorbringen den archimedischen Hebel <strong>der</strong> Welterklärung. Auf<br />

einem psychologischen Faktum folglich, das zu <strong>Steiners</strong> Zeit mehr als umstritten war, <strong>und</strong> von Steiner vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> nie eingehen<strong>der</strong> diskutiert wurde. Ensprechendes gilt von <strong>Steiners</strong> Anliegen, das menschliche<br />

Selbstbewusstsein wie<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> äusseren Natur zu verbinden. Was natürlich kaum stringent möglich ist, wenn<br />

über den massgeblichen Aspekt <strong>der</strong> inneren Kausalität keine Klarheit herrscht. <strong>Steiners</strong> Wunsch von 1915 in <strong>der</strong><br />

Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) nach einem psychologischen Laboratorium, um dort beste Gr<strong>und</strong>lagen zu legen,<br />

ist also mehr als berechtigt. Es war absolut notwendig den Dingen ausführlich weiter nachzugehen, <strong>und</strong> er<br />

schätzt damit die Angelegenheit sehr realistisch ein. Denn an <strong>der</strong> fehlenden Absicherung <strong>der</strong> Dissertation <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> hängt nicht nur <strong>Steiners</strong> Erkenntnistheorie, son<strong>der</strong>n, wie wir hinlänglich gezeigt haben,<br />

auch seine ganze <strong>Freiheit</strong>sphilosophie. Noch viel mehr gilt dies für die geistige Forschung des späteren Stei­

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