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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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baren Seelenlebens selbst liegt, <strong>und</strong> dort auf dem Wege <strong>der</strong> Erfahrung respektive des unmittelbaren<br />

Erlebens aufgef<strong>und</strong>en werden kann. Hartmanns Kausalerklärung durch das Unbewusste<br />

wird hingegen aus einer sachfremden Sphäre, von aussen als erklärendes Moment an das<br />

Denken herangetragen <strong>und</strong> nicht an den unmittelbaren Erfahrungen des Denkens gewonnen;<br />

<strong>und</strong> kann somit ihren Zweck, - so hätte Dilthey das bewertet -, unmöglich erfüllen. Wobei hinzuzufügen<br />

ist, dass sich bei Eduard von Hartmann <strong>zur</strong> idealistisch verankerten Hypothese<br />

vom unbewussten Kausalverursacher des Denkens noch die in Diltheys Augen ebenfalls ganz<br />

untaugliche assoziationspsychologische Hypothese <strong>der</strong> Denkvorgänge hinzugesellt. Das sind<br />

zunächst zwei sehr verschiedene <strong>und</strong> von einan<strong>der</strong> unabhängige Hypothesengebilde, die bei<br />

Hartmann allerdings gemeinsam auftreten. Wir es also bei ihm mit einer beson<strong>der</strong>s kruden<br />

Kombination von metaphysischen <strong>und</strong> assoziationspsychologischen Hypothesenbildungen zu<br />

tun haben, von denen jede schon für sich allein dafür sorgt, tätige Denkakte entwe<strong>der</strong> als nicht<br />

existent wegzudefinieren (Assoziationspsychologie), o<strong>der</strong> <strong>zur</strong> blossen Täuschung zu erklären<br />

(Theorie des Unbewussten). Die bei Hartmann auftretende Kombination von verschiedenen<br />

Hypothesen ist ein beson<strong>der</strong>s charakteristisches Beispiel <strong>der</strong> von Dilthey kritisierten zeitttypischen,<br />

unabschliessbaren psychologischen Hypothesengespinste, gegen die sein Urteil gemünzt<br />

ist: "Hypothesen, überall nur Hypothesen!"<br />

Der Rückgriff auf eine beschreibende Psychologie zeigt sich bei Steiner übrigens auch ganz<br />

explizit in <strong>der</strong> Schrift Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft (GA-3), wenn er dort (S. 63) hervorhebt:<br />

"Die Beschreibung des Denkens ist zugleich die Wissenschaft des Denkens." Er folgt damit,<br />

wie Dilthey eingangs seiner langen Abhandlung auf S. 1309 ausführt, "dem zeitgenössischen<br />

Sprachgebrauch" in <strong>der</strong> Unterscheidung zwischen erklärenden <strong>und</strong> beschreibenden Wissenschaften.<br />

Einem üblichen Sprachgebrauch, an dem sich auch Diltheys Abhandlung (siehe S.<br />

1309) ausdrücklich orientiert. Man muss also nicht unbedingt zwanghaft an die philosophische<br />

Quelle Wilhelm Dilthey denken, wenn man bei Steiner auf <strong>der</strong>artige beschreibenden Elemente<br />

<strong>und</strong> Ausdrücke stösst. Wo <strong>und</strong> wie er das damals aus dem Wissenschaftsbetrieb seiner<br />

Zeit aufgenommen hat werden wir hier auch nicht weiter verfolgen. Es genügt erst einmal <strong>der</strong><br />

Hinweis, dass diese methodische Unterscheidung damals, Dilthey zufolge, üblich war.<br />

Ebenso verhält es sich mit <strong>Steiners</strong> For<strong>der</strong>ung in Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft (S. 59), wonach<br />

das Hervorbringen des Gedankens in aller Unmittelbarkeit wie<strong>der</strong>um gegeben sein müsse:<br />

"Wir müssen uns vollständig klar darüber sein, daß wir dieses Hervorbringen in aller Unmittelbarkeit<br />

wie<strong>der</strong> gegeben haben müssen. Es dürfen nicht etwa Schlußfolgerungen nötig sein,<br />

um dasselbe zu erkennen." Eine sachliche Konsequenz, die vollständig im Rahmen einer beschreibenden<br />

Psychologie o<strong>der</strong> beschreibenden Wissenschaft des Denkens liegt, wonach hypothetische<br />

Elemente innerhalb dieser Beschreibung nach Möglichkeit nichts zu suchen haben.<br />

Und erst recht nicht bei Behandlung so zentraler Fragen, wie sie Steiner hier <strong>und</strong> im dritten<br />

Kapitel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> bespricht. Denn eben diesem Typ beschreiben<strong>der</strong><br />

psychologischer Wissenschaft respektive Wissenschaft des Denkens folgt Steiner wie gesagt<br />

auch im dritten Kapitel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> anlässlich <strong>der</strong> Behandlung vom archimedischen<br />

Hebel <strong>der</strong> Welterkenntnis. Schliesslich haben wir auch in <strong>Steiners</strong> betontem Hinweis<br />

in Kapitel V. <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> (S. 103), wonach <strong>der</strong> naive Realismus einzig bei <strong>der</strong><br />

Erkenntnis des Denkens berechtigt sei, ein beson<strong>der</strong>s klares Beispiel für eine beschreibende<br />

Wissenschaft, was sich durchaus mit seinen Bemerkungen vom beschreibenden Chrakter einer<br />

Wissenschaft des Denkens in Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft deckt. 111<br />

111<br />

Siehe dazu Steiner am Ende von Kapitel V. <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>: "Von durch den Verfasser dieses Buches<br />

sehr geschätzter Seite ist diesem <strong>der</strong> Vorwurf gemacht worden, daß er mit seiner Ausführung über das Denken<br />

bei einem naiven Realismus des Denkens stehenbleibe, wie ein solcher vorliege, wenn man die wirkliche<br />

Welt <strong>und</strong> die vorgestellte Welt für eines hält. Doch <strong>der</strong> Verfasser dieser Ausführungen glaubt eben in ihnen erwiesen<br />

zu haben, daß die Geltung dieses «naiven Realismus» für das Denken sich aus einer unbefangenen Beobachtung<br />

desselben notwendig ergibt; <strong>und</strong> daß <strong>der</strong> für an<strong>der</strong>es nicht geltende naive Realismus durch die Erkenntnis<br />

<strong>der</strong> wahren Wesenheit des Denkens überw<strong>und</strong>en wird."

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