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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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schen Gr<strong>und</strong>lage <strong>Steiners</strong> wird, zum archimedischen Hebel <strong>der</strong> Welterklärung im dritten Kapitel<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, ist angesichts dieser psychologischen Betrachtungsweise<br />

nachvollziehbar.<br />

In diesem geistigen Milieu <strong>der</strong> von Dilthey kritisch erläuterten erklärenden <strong>und</strong> beschreibenden<br />

Psychologie ist an<strong>der</strong>erseits auch Eduard von Hartmanns Wegerklären von durchschaubaren<br />

Denkakten durch eine vorausgesetzte hypothetische Tätigkeit des Unbewussten anzusiedeln,<br />

wie wir sie oben anhand des dritten Kapitels <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> erläutert haben.<br />

Wobei Hartmanns Hypothese des Unbewussten ganz beson<strong>der</strong>s dem von Dilthey kritisierten<br />

Mangel aller erklärenden, konstruktiven Hypothesen verfällt, da sie laut Hartmann<br />

prinzipiell nicht empirisch verifizierbar ist. Sehen Sie sich dazu Hartmanns Argumentationsgang<br />

von weiter oben an:<br />

"Wissenschaft wird die Psychologie erst dann, wenn sie <strong>zur</strong> Feststellung gesetzmässiger Zusammenhänge<br />

fortschreitet, also über die Erfahrung zu Hypothesen weitergeht, durch welche<br />

die Erfahrung erklärt wird. Hier lässt die Beschreibung völlig im Stich; denn Zusammenhänge<br />

werden niemals erfahren, son<strong>der</strong>n immer nur durch Ausdeutung des Erfahrenen hinzugedacht.<br />

Erlebt werden allerdings diese Zusammenhänge, aber nur unbewusst, indem die eigene unbewusst<br />

psychische Thätigkeit es ist, die sie unbewusst setzt; aber bewusst erfahren werden sie<br />

nicht, weil sie in den phänomenalen Produkten <strong>und</strong> Resultaten <strong>der</strong> unbewusst psychischen<br />

Thätigkeit nicht mehr als thätige, lebendige Beziehungen, son<strong>der</strong>n nur noch als aufgehobene<br />

Momente o<strong>der</strong> toter Nie<strong>der</strong>schlag enthalten sind. Substantialität, Kausalität, Finalität, Entwickelung<br />

vom Nie<strong>der</strong>en zum Höheren sind sämtlich Beziehungen, die im gegebenen Bewusstseinsinhalt<br />

we<strong>der</strong> vorkommen noch vorkommen können. [...] Die reine Erfahrung zeigt wohl<br />

Koexistenz <strong>und</strong> Succession, aber we<strong>der</strong> Substanz <strong>und</strong> Accidens, noch Ursache <strong>und</strong> Wirkung,<br />

noch Mittel <strong>und</strong> Zweck, noch Nie<strong>der</strong>es <strong>und</strong> Höheres, sie zeigt nicht einmal Einheit, Allheit<br />

<strong>und</strong> Ganzheit. Es ist eine naiv-realistische Selbsttäuschung, wenn man solche Zusammenhänge<br />

im Bewusstsein zu erfahren glaubt, während man sie doch nur zu dem Erfahrenen als seine<br />

es erzeugenden Antezedentien <strong>und</strong> Zwischenglie<strong>der</strong> hinzudenkt."<br />

Das ist nicht nur vom Sprachgebrauch her (Hypothesen, Erklären, Beschreiben) direkt gegen<br />

Dilthey gerichtet; es steht auch in einem Sachzusammenhang, in dem Hartmann Diltheys Auffassung<br />

(ab S. 20 ff) ausdrücklich kritisch angreift. 109 Und sachlich gesehen richtet er sich damit<br />

direkt auch gegen die Auffassung <strong>Steiners</strong>. Sie finden in diesem Zitat manches von dem<br />

wie<strong>der</strong>, was Hartmann auch gegenüber dem späteren dritten Kapitel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

eingewendet hat, worauf Steiner dann 1918 in einer recht kurzen Replik in den Ergänzungen<br />

zum dritten Kapitel antwortet. Man könnte infolge dieser Kürze <strong>und</strong> Unvollständigkeit<br />

auch sagen: Argumentativ besser <strong>und</strong> soli<strong>der</strong> ausgestattet gegenüber Hartmann ist Wilhelm<br />

Dilthey mit seiner Abhandlung von 1894. Auch deswegen lohnt es sich sehr zum Verständnis<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> Diltheys Abhandlung gründlich zu studieren.<br />

109<br />

Eduard von Hartmann, Die mo<strong>der</strong>ne Psychologie, Leipzig 1901, S. 23.

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