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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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O<strong>der</strong>, um es aus <strong>der</strong> Sicht <strong>Steiners</strong> zu kennzeichnen: es ist <strong>der</strong> gemeinsame Bereich, an dem<br />

sich Anthroposophie <strong>und</strong> Anthropologie treffen müssen, wie es Steiner in <strong>der</strong> Schrift Von Seelenrätseln<br />

(S. 12) schil<strong>der</strong>t. Und dieser nur im Seelischen gelegene, von den naturwissenschaftlichen<br />

Gebieten völlig differente Charakter dieses speziellen Bereichs <strong>der</strong> Geisteswissenschaften<br />

verlangt nach Dilthey eine Methode, die sich den Eigenarten ihres speziellen Untersuchungsobjektes<br />

fügt, <strong>und</strong> nicht in naiver Weise die Methoden <strong>der</strong> Naturwissenschaften<br />

auf ein Gebiet überträgt, auf dem es mehr als fraglich ist, ob sie überhaupt dafür zuständig<br />

sind. Das Gebiet <strong>der</strong> Psychologie zeige nun auch eine vollkommen an<strong>der</strong>e Qualität, als das<br />

<strong>der</strong> Naturwissenschaften, fährt Dilthey (S. 1313 f) fort:<br />

"Nun unterscheiden sich zunächst von den Naturwissenschaften die Geisteswissenschaften<br />

dadurch, dass in jenen die Thatsachen von aussen, durch die Sinne, als Phaenomene <strong>und</strong> einzeln<br />

gegeben sind, wogegen sie in diesen von innen, als Realität <strong>und</strong> als ein lebendiger Zusammenhang<br />

originaliter auftreten. Hieraus ergiebt sich für die Naturwissenschaften, dass in<br />

ihnen nur durch ergänzende Schlüsse, vermittelst einer Verbindung von Hypothesen, ein Zusammenhang<br />

<strong>der</strong> Natur gegeben ist. Für die Geisteswissenschaften folgt dagegen, dass in ihnen<br />

<strong>der</strong> Zusammenhang des Seelenlebens als ein ursprünglich gegebener überall zu Gr<strong>und</strong>e<br />

liegt. Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir. Denn in <strong>der</strong> inneren Erfahrung<br />

sind auch die Vorgänge des Erwirkens, die Verbindungen <strong>der</strong> Emotionen aIs einzelner Glie<strong>der</strong><br />

des Seelenlebens zu einem Ganzen gegeben. Der erlebte Zusammenhang ist hier das Erste,<br />

das Distinguiren <strong>der</strong> einzelnen Glie<strong>der</strong> desselben ist das Nachkommende. Dies bedingt eine<br />

sehr grosse Verschiedenheit <strong>der</strong> Methoden, vermittelst <strong>der</strong>en wir Seelenleben, Historie <strong>und</strong><br />

Gesellschaft studiren von denen, durch welche die Naturerkenntniss herbeigeführt worden ist.<br />

Für die Frage, welche hier erörtert wird, ergiebt sich aus dem angegebenen Unterschied, dass<br />

Hypothesen innerhalb <strong>der</strong> Psychologie keineswegs dieselbe Rolle spielen als innerhalb des<br />

Naturerkennens. In diesem vollzieht sich aller Zusammenhang durch Hypothesenbildung, in<br />

<strong>der</strong> Psychologie ist gerade <strong>der</strong> Zusammenhang ursprünglich <strong>und</strong> beständig im Erleben gegeben:<br />

Leben ist überall nur als Zusammenhang da. Die Psychologie bedarf also keiner durch<br />

Schlüsse gewonnenen untergelegten Begriffe, um überhaupt einen durchgreifenden Zusammenhang<br />

unter den grossen Gruppen <strong>der</strong> seelischen Thatsachen herzustellen. So kann sie auch<br />

da, wo eine Classe von Wirkungen innerlich bedingt <strong>und</strong> doch ohne Bewusstsein <strong>der</strong> innen<br />

wirksamen Ursachen auftritt, wie dies in <strong>der</strong> Reproduction o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Beeinflussung bewusster<br />

Processe von dem unserem Bewusstsein entzogenen erworbenen seelischen Zusammenhang<br />

aus geschieht, die Beschreibung <strong>und</strong> Zerglie<strong>der</strong>ung des Verlaufs solcher Vorgänge <strong>der</strong><br />

grossen causalen Glie<strong>der</strong>ung des Ganzen unterordnen, welche von den inneren Erfahrungen<br />

aus festgestellt werden kann. Und darum ist sie auch nicht genöthigt, wenn sie über die Ursache<br />

solcher Vorgänge eine Hypothese bildet, dieselbe gleichsam in die F<strong>und</strong>amente <strong>der</strong> Psychologie<br />

einzumauern. lhre Methode ist von denen <strong>der</strong> Physik o<strong>der</strong> Chemie gänzlich verschieden.<br />

Die Hypothese ist nicht ihre unerlässliche Gr<strong>und</strong>lage."<br />

Während in den Naturwissenschaften <strong>der</strong> Zusammenhang <strong>der</strong> Erscheinungen erst hypothetisch<br />

erschlossen wird <strong>und</strong> niemals in seiner Ganzheit unmittelbar gegeben ist, verhält es sich<br />

im menschlichen Seelenleben laut Dilthey genau umgekehrt. Der erlebte Zusammenhang ist<br />

"ursprünglich <strong>und</strong> beständig im Erleben gegeben". Deswegen spielen Hypothesen bei <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

des Seelenlebens, wenn sie auch nicht völlig verzichtbar sind, doch bei weitem nicht<br />

die Rolle wie in den Naturwissenschaften. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal ins<br />

Gedächtnis rufen, was wir weiter oben (Kapitel 5. j, Wirkendes <strong>und</strong> Bewirktes <strong>und</strong> <strong>Steiners</strong><br />

Differenz zu Goethe <strong>und</strong> Kant) ausführten anlässlich <strong>der</strong> <strong>Steiners</strong>chen Bemerkungen über die<br />

Erfahrbarkeit eines Kausalzusammenhanges. Für Steiner ist ausserhalb <strong>der</strong> Seelenerlebnisse<br />

nie das Wirkende vorzufinden, son<strong>der</strong>n stets nur das Bewirkte. Das Wirkende selbst bleibt<br />

ausserhalb <strong>der</strong> Wahrnehmung. Nur im menschlichen Seelenleben, speziell beim Denken findet<br />

sich beides, Wirkendes <strong>und</strong> Bewirktes, in einer zusammenhängenden Einheit <strong>und</strong> kann von<br />

dort her auch sicher beurteilt werden. Dass dieser Zusammenhang dann auch <strong>zur</strong> philosophi­

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