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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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Angesichts <strong>der</strong> letzteren Worte <strong>Steiners</strong> kann ich mir nebenbei gesagt den Sarkasmus nicht<br />

verkneifen <strong>und</strong> möchte die Frage stellen, wer von <strong>Steiners</strong> Anhängern eigentlich auf anthroposophischem<br />

Boden steht <strong>und</strong> in einem psychologischen Laboratorium arbeiten will, um dort<br />

beste Gr<strong>und</strong>lagen in dem von Steiner angegebenen Sinn zu schaffen? Sind es etwa die Schüler<br />

Herbert Witzenmanns, wo doch gerade Witzenmann niemals etwas über die Verwandtschaft<br />

<strong>der</strong> damaligen Psychologie <strong>zur</strong> Anthroposophie veröffentlicht hat? Und dieser Frage<br />

selbst dort nie nachgegangen ist, wo sie geradezu mit Händen zu greifen ist: bei <strong>der</strong> Beobachtung<br />

des Denkens. Offensichtlich hat doch auch nicht ein einziger jener Witzenmannschüler<br />

<strong>und</strong> -anhänger, die an <strong>der</strong> Alanushochschule anzutreffen sind, in irgend einem regulierenden<br />

<strong>und</strong> aufklärenden Sinn auf das psychologische Steinerverständnis ihres dort als Dozent beschäftigten<br />

Fachkollegen Hartmut Traub Einfluss genommen o<strong>der</strong> nehmen können, so dass er<br />

sich <strong>der</strong>art hoffnungslos mit seinem Buch verirrt!<br />

Ein Leser, <strong>der</strong> Diltheys, Külpes o<strong>der</strong> speziell <strong>Steiners</strong> Bemerkung das psychologische Laboratorium<br />

betreffend ernstlich <strong>zur</strong> Kenntnis nimmt, wird vielleicht meine Sätze aus dem Kapitel<br />

5. oben erklärlich finden, als ich dort schrieb: "Vollkommen abenteuerlich wäre es infolgedessen,<br />

zu erwarten, dass die von Steiner 1894 programmatisch erhobene Frage nach dem Ursprung<br />

des Denkens in einer einzigen 330 Seiten starken freiheitsphilosophischen Gr<strong>und</strong>schrift<br />

abgehandelt <strong>und</strong> abgearbeitet werden könnte - <strong>und</strong> wäre sie noch weit umfangreicher.<br />

Nur ein ahnungsloser geistiger Desperado <strong>und</strong> Glücksritter könnte dies glauben <strong>und</strong> behaupten.<br />

Ein ernsthafter Philosoph, <strong>der</strong> selbst auch ernst genommen werden möchte <strong>und</strong> mit den<br />

philosophischen Problemstellungen <strong>und</strong> den Forschungsusancen seiner Zeit einigermassen<br />

vertraut ist, wohl auch noch akademische Berufspläne hegt wie <strong>der</strong> Steiner um 1894, mit Sicherheit<br />

nicht. Wenn er recht bei Verstand ist wird er sich hüten, so etwas anzustellen. Er hätte<br />

sich an<strong>der</strong>nfalls schon im allerersten Ansatz wissenschaftlich um Kopf <strong>und</strong> Kragen gebracht.<br />

Wer also glaubt, dass die Frage nach dem Ursprung des Denkens in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

zu Ende beantwortet ist, <strong>der</strong> irrt gar sehr - es ist erst <strong>der</strong> Anfang <strong>und</strong> Einstieg in diese wissenschaftliche<br />

Antwort. Eine umfängliche Antwort darauf findet sich erst in <strong>Steiners</strong> Geisteswissenschaft<br />

- in dem Sinne, wie wir das eingangs dieser Arbeit anhand <strong>der</strong> von Steiner <strong>und</strong><br />

Ita Wegmann herausgegebenen Schrift Gr<strong>und</strong>legendes für eine Erweiterung <strong>der</strong> Heilkunst,<br />

GA-27, exemplarisch dargelegt haben."<br />

Die Abhandlung Diltheys, die ich hier in Auszügen referriere, gelangte <strong>zur</strong> selben Zeit (1894)<br />

an die Öffentlichkeit wie <strong>Steiners</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Und Sie können sicher sein, dass<br />

die von Dilthey skizzierten Problemfel<strong>der</strong> <strong>und</strong> Fragestellungen Steiner nicht unbekannt waren.<br />

Es wäre daher von Steiner ein ausgesprochen unseriöses <strong>und</strong> dilettantisches Vorhaben gewesen,<br />

dies alles gänzlich zu ignorieren, an <strong>der</strong> Zeit- <strong>und</strong> Forschungslage vorbei nach dem<br />

Ursprung des Denkens zu suchen, <strong>und</strong> dabei womöglich auch noch auf wissenschaftliche Zustimmung<br />

seiner <strong>Philosophie</strong>kollegen zu zählen. In einer Weise gar, die seinen damaligen akademischen<br />

Berufsplänen hätte dienlich sein können. Dass Steiner tatsächlich so naiv war, werden<br />

Sie als Leser nicht ernsthaft glauben wollen; <strong>und</strong> damit liegen Sie nach meiner Einschätzung<br />

ziemlich nahe an <strong>der</strong> Realität! Was eben unterstreicht, dass die mit <strong>der</strong> Klärung des Ursprungs<br />

des Denkens abzuarbeitenden wissenschaftlichen Einzelheiten ihres gewaltigen Umfanges<br />

wegen damals für Steiner noch ein akademisches Zukunftsprojekt waren, <strong>und</strong> es auch<br />

nur sein konnten. Dass er <strong>zur</strong> eingehenden Aufarbeitung <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> Anthroposophie<br />

über weite Strecken infolge <strong>der</strong> gänzlich verän<strong>der</strong>ten Lebensumstände dann nicht mehr kam,<br />

demonstrieren seine unmissverständlichen Bemerkungen in <strong>der</strong> Schrift Von Seelenrätseln.<br />

Welche Themen <strong>und</strong> Problemkreise das umfasst können Sie ausgezeichnet exemplarisch an<br />

Diltheys Abhandlung studieren. Es sind dies alles Projekte, die Steiner seinen Nachfolgern<br />

überlassen hat. Dass Fragen dieser Art we<strong>der</strong> von Hartmut Traub noch ernstlich <strong>und</strong> energisch<br />

von anthroposophischer Seite behandelt werden, spricht eigentlich Bände hinsichtlich <strong>der</strong><br />

Qualität <strong>der</strong> fachlichen Rezeption des <strong>Steiners</strong>chen Werkes.

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