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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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74<br />

Unbewusste, das Hartmann bei seinen denkpsychologischen Überlegungen unterstellt, die<br />

sich von <strong>Steiners</strong> so abgr<strong>und</strong>tief unterscheiden, bei Hartmann niemals, ich wie<strong>der</strong>hole ausdrücklich:<br />

niemals empirisch zu verifizieren ist. Sie haben das oben in den Zitaten schon lesen<br />

können; er sagt das ganz explizit. Es ist ein rein hypothetisches Gedankenkonstrukt. Unendlich<br />

fern von je<strong>der</strong> empirischen Zugänglichkeit liegt <strong>der</strong> Gegenstand dieses Hypothesengespinstes<br />

vom Unbewussten im Denken <strong>und</strong> Wollen. Auf immer <strong>und</strong> ewig bleibt das erklärende<br />

Moment im Unbewussten verborgen, <strong>und</strong> nur logische Schlussfolgerungen sollen es einigermassen<br />

plausibel machen. Philosophisch sind Bewusstes <strong>und</strong> Unbewusstes, wie Johannes Volkelt<br />

sagt, trotz aller idealistischen Verankerung bei Hartmann schroff einan<strong>der</strong> gegenüberstehende<br />

<strong>und</strong> unversöhnliche Gegensätze, zwischen denen ein unheilbarer Bruch besteht. 101 Da<br />

liegt aus psychologischer Sicht die Frage natürlich ebenfalls sehr nahe: Was soll uns so ein<br />

Unbewusstes in <strong>der</strong> Psychologie, wenn wir es gr<strong>und</strong>sätzlich niemals empirisch verifizieren<br />

können? An dieser Stelle liegt doch ein ziemlich dicker H<strong>und</strong> begraben! Mindestens ebenso<br />

dick wie Kants bewusstseinsjenseitiges Ding an sich. Denn als Erklärungsgr<strong>und</strong> des Bewusstseins<br />

ist das doch vollkommen untauglich, wenn wir es in Ewigkeiten nicht erreichen <strong>und</strong> empirisch<br />

absichern können. Die empirische Plausibilität eines solchen Ansatzes liegt ziemlich<br />

exakt bei Null Prozent Überzeugungskraft. Und hier setzt Dilthey generell wissenschaftskritisch<br />

an. Nicht nur an Hartmann adressiert ist <strong>der</strong> Ruf: "Hypothesen, überall nur Hypothesen!"<br />

Denn was Hartmann da trieb, war auch ein charakteristischer, weit verbreiteter Zug <strong>der</strong> gesamten<br />

Psychologie seiner Zeit.<br />

Mit Dilthey wären wir schon einmal einen guten Schritt im Verständnis <strong>der</strong> psychologischen<br />

<strong>Steiners</strong>chen Erkenntnistheorie vorangekommen. Die Frage nach dem Unbewussten Hartmanns<br />

wird mit den wissenschaftkritischen Überlegungen Diltheys freilich nicht vollständig<br />

abgedeckt. Wie erwähnt ist auch Steiner in mancherlei Hinsicht ein Philosoph des Unbewussten.<br />

Was ihn darin von Hartmann allerdings gr<strong>und</strong>sätzlich unterscheidet ist die von Steiner behauptete<br />

prinzipielle, wenn vielfach auch allmähliche empirische Zugänglichkeit des Unbewussten.<br />

102 In <strong>der</strong> neueren Zeit hat sich unter den Philosophen John Searle 103 wie<strong>der</strong> mehr<br />

solchen Problemstellungen gewidmet. In <strong>Steiners</strong> Zeit diskutierte Franz Brentano die Frage<br />

des Unbewussten auf S. 133 ff in seiner Psychologie vom empirischen Standpunkt. Und auch<br />

<strong>der</strong> Erkenntnistheoretiker Volkelt schrieb damals ein Buch mit Schwerpunkten über die Geschichte<br />

des Unbewussten, das sich eingehen<strong>der</strong> auch mit Eduard von Hartmann befasst. 104<br />

Das Thema war allgemein im 19. Jh virulent. Mehr vielleicht als in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Gegenwart.<br />

Anthroposophen, die nach fruchtbaren Arbeitsfel<strong>der</strong>n suchen, hätten mit Diltheys<br />

Psychologiekritik <strong>und</strong> <strong>der</strong> philosophisch-psychologischen Problemstellung des Unbewussten<br />

ein Operationsfeld, das sie generationenlang sinnvoll <strong>und</strong> ergiebig beschäftigen könnte.<br />

Kapitel 6a<br />

Erklärende <strong>und</strong> beschreibende Psychologie bei Dilthey<br />

101<br />

Johannes Volkelt, Das Unbewusste <strong>und</strong> <strong>der</strong> Pessimismus. <strong>Studien</strong> <strong>zur</strong> mo<strong>der</strong>nen Geistesbewegung. Berlin<br />

1873, S. 88 ff, insbes. S. 91.<br />

102<br />

Steiner berichtet in seinem Lebensgang über ein Gespräch mit Eduard von Hartmann: "Für ihn lag das Wesen<br />

<strong>der</strong> Dinge im Unbewußten <strong>und</strong> muß für das menschliche Bewußtsein immer dort verborgen bleiben; für mich<br />

war das Unbewußte etwas, das durch die Anstrengungen des Seelenlebens immer mehr in das Bewußtsein heraufgehoben<br />

werden kann." Siehe, Rudolf Steiner, Mein Lebensgang, GA-28, Dornach 1962, S. 155 f.<br />

103<br />

John S. Searle, Geist. Eine Einführung, Frankfurt/M 2006, S. 249 ff.<br />

104<br />

Johannes Volkelt, Das Unbewusste <strong>und</strong> <strong>der</strong> Pessimismus. <strong>Studien</strong> <strong>zur</strong> mo<strong>der</strong>nen Geistesbewegung. Berlin<br />

1873.

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