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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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weil er nicht durchdrang bis zu einer völligen Ausarbeitung <strong>der</strong> in Frage kommenden Vorstellungen.<br />

[] (Vergleiche auch, was ich darüber im zweiten Bande meiner «Rätsel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>»<br />

gesagt habe, {GA 1968], Seiten 567-572.)"<br />

Damit sind wir endgültig bei Diltheys Ideen über eine beschreibende <strong>und</strong> zerglie<strong>der</strong>nde Psychologie<br />

von 1894 angelangt. Ich kann jedem an <strong>Steiners</strong> Weltanschauung interessierten Leser<br />

nur dringend anempfehlen, sich die dortigen Gedanken Diltheys näher anzusehen, damit auch<br />

auf anthroposophischer Seite endlich Butter bei die Fische kommt, wie man hier im nordwestlichen<br />

Deutschland sagt. Denn sie bilden in gewisser Beziehung einen zeitgenössischen Referenzrahmen<br />

für das erkenntnistheoretisch-psychologische Verständnis <strong>Steiners</strong>. Und letzten<br />

Endes auch für das Verständnis <strong>der</strong> anthroposophischen Methodologie, die aus diesem Boden<br />

herausgewachsen ist. Nicht, dass man mit Diltheys Wissenschaftsanalyse Steiner erkenntnistheoretisch<br />

<strong>und</strong> methodisch vollständig <strong>und</strong> in sämtlichen Details erfassen könnte. Aber ohne<br />

diesen Referenzrahmen ist man doch einigermassen hilflos in <strong>der</strong> wissenschaftsgeschichtlichen<br />

Beurteilung <strong>der</strong> <strong>Steiners</strong>chen Erkenntnistheorie wie <strong>der</strong> späteren <strong>Steiners</strong>chen Methode.<br />

Und ohne diesen Rahmen bleibt Steiner selbst bei Anthroposophen eine isolierte philosophische<br />

Insel in <strong>der</strong> Geschichte seiner Zeit. Was er aber in gar keinem Fall war, wie seine vielfachen<br />

Anlehnungsversuche zeigen, auf die sich Hartmut Traub in einer sehr exzessiven, einseitigen<br />

<strong>und</strong> lei<strong>der</strong> auch weitgehend verständnislosen Weise gestürzt hat. <strong>Steiners</strong> erkenntnistheoretische<br />

<strong>und</strong> später auch anthroposophisch-methodologische Verfahrensweise gehört<br />

durchweg dem Typ von Seelenwissenschaft an, die von Wilhelm Dilthey als die beschreibende<br />

<strong>und</strong> zerglie<strong>der</strong>nde bezeichnet wird. Und nur vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist auch das anthroposophische<br />

Forschungsverfahren im Prinzipiellen verständlich zu machen, mit dem Hartmut<br />

Traub, ohne Kenntnis des zugehörigen Referenzrahmens, vollständig <strong>und</strong> wahrhaft grandios<br />

gescheitert ist.<br />

Dilthey hat seine psychologiemethodischen <strong>und</strong> -kritischen Gedankengänge zwar nicht in einem<br />

zusammenhängenden Gesamtwerk publiziert, wie wir oben schon angedeutet fanden,<br />

<strong>und</strong> was ihrer Rezeption sehr hin<strong>der</strong>lich war. Aber ungeachtet dieses Mangels war er für die<br />

akademische Psychologie <strong>der</strong> damaligen Zeit eine ausgesprochen ernst genommene Grösse.<br />

Sie können das schon daran ablesen, dass Eduard von Hartmann in seinem 1901 erschienenen<br />

Buch Die mo<strong>der</strong>ne Psychologie kaum eine Gelegenheit auslässt, sich mit Dilthey kritisch auseinan<strong>der</strong>zusetzen.<br />

Offenbar traf Dilthey ihn mit seinen schwerwiegenden wissenschaftlichen<br />

Kritikpunkten mitten ins Herz, so dass er ein akademisches Hühnchen mit ihm zu rupfen hatte.<br />

Hartmann wie<strong>der</strong>um war weit mehr als mancher an<strong>der</strong>e schon mit seiner <strong>Philosophie</strong> des<br />

Unbewussten damals in aller M<strong>und</strong>e. Ein Werk, das seit seinem ersten Erscheinen 1869 bereits<br />

acht Auflagen bis 1878 erlebt hatte. Das öffentliche <strong>und</strong> philosophische Interesse an diesem<br />

Werk vom Unbewussten war ungeheuer. Nicht nur Steiner, <strong>der</strong> ja gleichfalls in mancher<br />

Beziehung ein Philosoph des Unbewussten ist, wusste Hartmann zu schätzen. Und was wie<strong>der</strong>um<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite etwa Volkelt <strong>und</strong> Hartmann in ihren Schriften über das Denken<br />

schreiben, das hat mit Kant methodisch kaum noch etwas zu tun, wenn sie sich wie Volkelt<br />

<strong>und</strong> Hartmann auch häufiger mit ihm beschäftigen, son<strong>der</strong>n es ist fast alles psychologischer<br />

Natur. Bei Hartmann aber auch eingebettet in metaphysische Vorüberlegungen <strong>und</strong> empirische<br />

Vorwegannahmen - etwa assoziationspsychologische -, <strong>und</strong> das macht die Sache auch so heikel<br />

<strong>und</strong> angreifbar. Es ist eine wissenschaftliche Symbiose aus metaphysischen <strong>und</strong> assoziationspsychologischen<br />

Vorstellungen, mit denen je<strong>der</strong> bewusste Denkakt weg <strong>und</strong> zum Schein<br />

erklärt werden kann. Eine ziemlich krude Mischung aus denkpsychologischen <strong>und</strong> metaphysischen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen. Und nicht nur, weil es die prägenden metaphysischen <strong>und</strong> assoziationspsychologischen<br />

Vorüberlegungen bei ihm gibt ist er angreifbar. Son<strong>der</strong>n vor allem weil das

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