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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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72<br />

übrigens auch zwischen Steiner <strong>und</strong> Johannes Volkelt.) Der eine (Hartmann) behauptet: "Dass<br />

aber wirklich <strong>der</strong> eigentliche Process in jedem, auch dem kleinsten Schritte des Denkens intuitiv<br />

<strong>und</strong> unbewußt ist, darüber kann wohl ... kein Zweifel obwalten." (<strong>Philosophie</strong> des Unbewußten.<br />

Zehnte Auflage, o. J., Leipzig 1890, Bd. 1, S. 275.) Und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e (Steiner): "daß<br />

nur in <strong>der</strong> Betätigung des Denkens das «Ich» bis in alle Verzweigungen <strong>der</strong> Tätigkeit sich mit<br />

dem Tätigen als ein Wesen weiß." (<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, Kap. III., S. 54) Der Zipfel des<br />

Weltgeschehens, "wo wir dabei sein müssen, wenn etwas zustandekommen soll" (Steiner, <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, S. 49) liegt für Hartmann gänzlich ausserhalb je<strong>der</strong> empirisch psychologischen<br />

Reichweite.<br />

Wie ist eine <strong>der</strong>art weit auseinan<strong>der</strong>klaffende denkpsychologische Bewertung desselben<br />

empirischen Sachverhaltes möglich? Dieser auffällige Dissens führt direkt ins Zentrum <strong>der</strong><br />

Psychologie des Denkens <strong>der</strong> damaligen Zeit.<br />

Kapitel 6<br />

Ein Blick in die Psychologie <strong>der</strong> Steinerzeit<br />

"Hypothesen, überall nur Hypothesen!" so lautet <strong>der</strong> etwas provokante Ausruf, mit dem Wilhelm<br />

Dilthey jene Psychologie seiner Zeit charakterisiert, die er die erklärende nennt. 100 Sein<br />

Ruf kann vielleicht ein wenig zum Verständnis <strong>der</strong> zwischen Hartmann <strong>und</strong> Steiner vorliegenden<br />

Beurteilungsdivergenzen beitragen. "Und zwar", fährt Dilthey fort, Hypothesen<br />

"nicht als untergeordnete Bestandtheile, welche einzeln dem wissenschaftlichen Gedankengang<br />

eingeordnet sind. Solche sind ja, wie wir sahen, unvermeidlich. Vielmehr<br />

Hypothesen, welche als Elemente <strong>der</strong> psychologischen Causalerklärung die Ableitung<br />

aller seelischen Erscheinungen ermöglichen <strong>und</strong> an ihnen sich bewähren sollen." Was<br />

Dilthey kritisch aufspiesst, ist <strong>der</strong> Umstand, dass das ganze erklärende Moment einer wissenschaftlichen<br />

Psychologie von Anfang bis Ende aus einem Gespinst von vorausgesetzten wissenschaftlichen<br />

Hypothesen besteht, über die beliebig lange debattiert <strong>und</strong> gestritten werden<br />

kann, während <strong>der</strong> eigentliche seelische Zusammenhang in unmittelbarer lebendiger Erfahrung<br />

vorliegt, <strong>und</strong> man ihn eigentlich nur beobachten <strong>und</strong> beschreiben muss. Wozu die Bereitschaft<br />

unter seinen Zeitgenossen offensichtlich nicht allzu gross war. Letzten Endes geht es<br />

also um die Frage, ob das menschliche Seelenleben aus sich selbst heraus verständlich gemacht<br />

werden kann, o<strong>der</strong> ob man es von an<strong>der</strong>er Seite her (meist von <strong>der</strong> naturwissenschaftlichen)<br />

irgendwie plausibel modellieren muss. Nach Diltheys Überlegungen ist es aus sich heraus<br />

verständlich, wenn man bestimmte heuristische Prinzipien beachtet. Und nicht nur das<br />

menschliche Seelenleben kann damit laut Dilthey verständlich werden, son<strong>der</strong>n die restliche<br />

Welt auch noch, da die eben im Strukturzusammenhang des menschlichen Seelenlebens erst<br />

ihre geeignete Beleuchtung findet. Und ohne Rücksicht auf diesen Strukturzusammenhang<br />

sind philosophische Begriffe, aber auch naturwissenschaftliche wie Kausalität, Teleologie<br />

o<strong>der</strong> Zweckmässigkeit, Schall <strong>und</strong> Rauch. Daher auch seine Kritik an Kant. All diese Begriffe<br />

müssen nach Dilthey auf den erlebbaren Zusammenhang des menschlichen Seelenlebens <strong>zur</strong>ückgeführt<br />

werden. Und das ist ja <strong>der</strong> Punkt, den Steiner in <strong>der</strong> Schrift Die Rätsel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

an ihm erkennbar wohlwollend ab S. 206 ff bespricht. Dass er Dilthey auch in an<strong>der</strong>er<br />

Hinsicht schätzte, macht er in <strong>der</strong> Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, Dornach 1984, S. 149)<br />

deutlich, wenn er dort anlässlich seiner dort vorgestellten Sinneslehre sagt: "Ich glaube, daß<br />

Wilhelm Dilthey mit seinen philosophischen Forschungen auf dem Wege war zu <strong>der</strong>jenigen<br />

Sinnes-Lehre, die ich hier skizziert habe, daß er aber nicht zu einem Ziele kommen konnte,<br />

100<br />

Wilhelm Dilthey, Ideen über eine beschreibende <strong>und</strong> zerglie<strong>der</strong>nde Psychologie, in Sitzungsberichte <strong>der</strong><br />

königl preuss. Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften, Jahrgang 1894, zweiter Halbband S. 1313 ff

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