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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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quenzen für das Verständnis des Denkens <strong>und</strong> darin involvierten Bewusstseinsphänomenen.<br />

Kaum weniger gravierend, als sie Thomas Kuhn in seinem Klassiker Die Struktur wissenschaftlicher<br />

Revolutionen ( Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2.<br />

Aufl. Frankfurt 1976) für den Bereich <strong>der</strong> Naturwissenschaften beschreibt. Und mit Blick auf<br />

Dilthey, Steiner <strong>und</strong> Hartmann lässt sich diesbezüglich konstatieren: damit eben auch die Erkenntnistheorie.<br />

Und vor allem, mit beson<strong>der</strong>em Blick auf Steiner <strong>und</strong> Hartmann, die <strong>Freiheit</strong>sphilosophie<br />

im Speziellen, weil sie vom psychologischen Verständnis des Denkens <strong>und</strong><br />

des Erkenntnisprozesses ganz <strong>und</strong> gar abhängig ist. Nirgendwo wird dies deutlicher als in <strong>der</strong><br />

Kontroverse zwischen Steiner <strong>und</strong> Hartmann um die verlässliche Beobachtbarkeit von<br />

Denkakten.<br />

Das heisst auch, die Erkenntnistheorie <strong>und</strong> <strong>Freiheit</strong>sphilosophie <strong>Steiners</strong> ist mit <strong>der</strong>jenigen<br />

Kants - von an<strong>der</strong>en historischen Vorläufern wollen wir gar nicht erst reden - überhaupt nicht<br />

mehr zu vergleichen, weil bei Kant infolge seiner Ablehnung <strong>und</strong> Geringschätzung <strong>der</strong> seelischen<br />

Beobachtung, <strong>und</strong> natürlich auch infolge <strong>der</strong> damaligen wissenschaftsgeschichlichen<br />

Zeitverhältnisse insgesamt, jede empirische Ausrichtung an einer Psychologie des Erkennens<br />

fehlt, bzw diese bestenfalls in ultra homöopathischer Verdünnung bei ihm anzutreffen ist, wie<br />

wir weiter oben zu demonstrieren versuchten. Deswegen ja auch <strong>Steiners</strong> oben zitierter Vorwurf<br />

an Kant, er hätte, bevor er über die Möglichkeit von Erkennen redet, doch besser erst<br />

einmal nachsehen sollen, was es eigentlich ist. Was vor diesem psychologischen Hintergr<strong>und</strong><br />

natürlich voll verständlich ist. Dieses psychologische Nachschauen war für Kant indessen<br />

kaum möglich. Teils wollte er nicht, <strong>und</strong> teils konnte er es auch <strong>der</strong> beschränkten Zeitverhältnisse<br />

wegen gar nicht. Für augenfällige Problemstellungen, die sich aus dieser Tatsache ergeben,<br />

ist Hartmut Traub jedoch weitestgehend unempfänglich. Und dieser eklatante Mangel an<br />

wissenschaftshistorischem Problembewusstsein durchzieht sein ganzes Buch von Anfang bis<br />

Ende. Es ist geradezu <strong>der</strong> rote Faden, <strong>der</strong> durch dieses Buch leitet, <strong>und</strong> macht es wegen <strong>der</strong><br />

wissenschaftsgeschichtlichen Naivität seines Verfassers bei näherer Betrachtung als Auskunftsplattform<br />

für erkenntnistheoretische <strong>und</strong> freiheitsphilosophische Sachfragen nahezu<br />

wertlos. Und nicht nur das, son<strong>der</strong>n sogar ausgesprochen kontraproduktiv, da es die bestehende<br />

Naivität seiner Leser in wissenschaftsgeschichtlichen Dingen auch noch bestätigt <strong>und</strong> beför<strong>der</strong>t.<br />

Das letztere ist ganz unabhängig von <strong>der</strong> Behandlung <strong>Steiners</strong> zu sehen.<br />

Und wie gesagt: Wer als Historiker <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> solche psychologischen Fragen <strong>der</strong> Erkenntnistheorie<br />

wissenschaftsgeschichtlich nicht behandelt, <strong>der</strong> trägt zum Verständnis <strong>Steiners</strong><br />

nichts bei, weil er den massgeblichen empirischen Aspekt ständig unterschlägt, indem er so<br />

tut, als sei <strong>der</strong> nebensächlich. An<strong>der</strong>s gesagt: Er drischt überwiegend nur leeres Stroh. Das gilt<br />

wohlgemerkt für alle am Diskurs Beteiligten. Bei Hartmut Traub ist die ganze riesengrosse<br />

Scheune nahezu randvoll von solchem leeren Stroh.<br />

Dass ein Laie die Relevanz <strong>der</strong> von Külpe angeführten wissenschaftsgeschichtlichen Tatsachen<br />

nicht erkennen <strong>und</strong> bewerten kann, ist verständlich, wenn auch ärgerlich. Wenn allerdings<br />

ein philosophischer Fachmann wie Hartmut Traub das auch nicht kann, <strong>und</strong> von diesen<br />

ganzen Hintergründen auch nichts zu wissen scheint, dann ist das nicht nur ärgerlich, <strong>und</strong><br />

nicht nur ein professionelles Armutszeugnis, son<strong>der</strong>n eine ausgemachte Katastrophe. Auch<br />

aus diesem Gr<strong>und</strong> erwähne ich hier ausdrücklich noch einmal <strong>Steiners</strong> Wunsch aus <strong>der</strong> Schrift<br />

Von Seelenrätseln (GA-21, Dornach 1976, S. 170 f) in einem psychologischen Laboratorium<br />

arbeiten zu können, um dort die "beste Gr<strong>und</strong>lage" zu schaffen, für den gemeinsamen Treffpunkt<br />

von Anthropologie <strong>und</strong> Anthroposophie. Ohne den Einblick in den psychologischen<br />

Charakter <strong>der</strong> <strong>Steiners</strong>chen Erkenntniswissenschaft ist so ein Wunsch überhaupt nicht zu verstehen.<br />

Für <strong>Steiners</strong> Weg ist <strong>Philosophie</strong> von Psychologie nicht zu trennen. Und <strong>Philosophie</strong><br />

ohne korrespondierende empirische Psychologie daher kaum mehr als ein fruchtloses metaphysisches<br />

Glasperlenspiel mit Begriffen. Erst die innere Erfahrung verleiht den Begriffen

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