Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...
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zwischen äusseren Tathandlungen <strong>und</strong> ihrem kausalen Verursacher, son<strong>der</strong>n, was noch viel<br />
entscheiden<strong>der</strong>, weil zentraler, auch zwischen inneren Tathandlungen wie Denkprozessen<br />
<strong>und</strong> ihrem verursachenden Element. Auch <strong>der</strong> Verursacher von Denkvorgängen bleibt für<br />
Hartmann im Unbewussten verborgen. Dass wir Gedanken selbsttätig hervorbringen, <strong>und</strong><br />
davon auch noch ein volles Bewusstsein dieses ursächlichen Verhältnisses (des Hervorbringens)<br />
haben, so wie Steiner das im dritten Kapitel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> beurteilt, ist<br />
für Hartmann ein Ding <strong>der</strong> Unmöglichkeit. Bzw dieser Glaube, <strong>der</strong> Urheber <strong>der</strong> Erscheinung<br />
von Gedanklichem zu sein, basiert nach Hartmann auf einer Selbsttäuschung. Mit<br />
dem letzteren Punkt hat sich Steiner ja ganz explizit am Ende des dritten Kapi tels <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> in den Überarbeitungen von 1918 auseinan<strong>der</strong>gesetzt.<br />
Ich hoffe, dem Leser wird an den obigen Abschnitten neuerlich klar geworden sein, wie ungeheuer<br />
weit <strong>Steiners</strong> erkenntnistheoretische Position von je<strong>der</strong> bloss logisch formalistisch<br />
orientierten entfernt ist. Denn die zentrale Frage, die er im dritten Kapitel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> aufwirft lautet: Ist <strong>der</strong> Vorgang des Hervorbringens von Gedanken ursächlich<br />
klar zu beurteilen, o<strong>der</strong> hat Eduard von Hartmann Recht mit seiner Behauptung, es gäbe<br />
keine zwei Bewusstseinstatsachen, zwischen denen eine unmittelbare <strong>und</strong> beobachtbare<br />
kausale Beziehung vorliegt? An<strong>der</strong>s gefragt: Bin ich es, <strong>der</strong> Gedanken <strong>zur</strong> Erscheinung<br />
bringt, o<strong>der</strong> irgend ein Unbewusstes in mir? Bin ich also bloss in <strong>der</strong> fatalen Lage die vorangehenden<br />
<strong>und</strong> die Zwischenglie<strong>der</strong> nicht beobachten zu können?<br />
Dies sind, wie Sie sehen, obwohl zunächst rein psychologische Fragen, doch solche mit gewaltigen<br />
erkenntnistheoretischen <strong>und</strong> freiheitsphilosophischen Implikationen. Man kann<br />
auch hier dem Leser nur anraten, sich diese Fragen in seinem eigenen empirischen Denkbewusstsein<br />
vorzulegen <strong>und</strong> empirisch darin zu überprüfen. Denn an<strong>der</strong>swo als im eigenen<br />
empirischen Bewusstsein sind sie überhaupt nicht zu klären.<br />
Dass Hartmut Traub Fragen dieser Art in seinem Buch in keiner ernst zu nehmenden Weise<br />
nachgeht zeigt, wie wenig er von dem verstanden hat, was man als das zentrale erkenntnis <br />
theoretische <strong>und</strong> psychologische Anliegen in <strong>Steiners</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> zu bezeichnen<br />
hat. Deswegen fällt ihm auch nicht von Ferne ein, dass Problemstellungen dieser Art<br />
nur auf <strong>der</strong> empirisch psychologischen Ebene zu klären <strong>und</strong> zu beurteilen sind, <strong>und</strong> nicht<br />
auf einer abstrakt philosophisch-theoretischen, die sich dieser inneren Empirie gar nicht<br />
erst aussetzt. Einer empirisch psychologischen Ebene, von <strong>der</strong> Traubs Polemik Lichtjahre<br />
entfernt zu sein scheint. Hier liegt, wie oben schon angemerkt, ein kardinaler Webfehler<br />
von Traubs gesamter Untersuchung vor. Nicht einmal mit dem Begriff <strong>der</strong> Beobachtung<br />
des Denkens weiss er irgend etwas empirisch Nennenswertes anzufangen, <strong>und</strong> versteigt<br />
sich infolgedessen auch hier zu lauter kuriosen intellektuellen Konstruktionen, die keinerlei<br />
Zusammenhang mehr erkennen lassen, zwischen <strong>Steiners</strong> Intentionen <strong>und</strong> Traubs Verständnis<br />
davon. 92<br />
Seitenlang hat sich Hartmut Traub in seinem Buch (etwa S. 148 ff) auch mit <strong>der</strong> möglichen<br />
Beziehung <strong>Steiners</strong> zu Wilhelm Dilthey auseinan<strong>der</strong>gesetzt. So schreibt er auf S. 148 f:<br />
"Für die Gr<strong>und</strong>legung von Rudolf <strong>Steiners</strong> philosophischer Weltanschauung ist Dilthey<br />
nicht nur wegen des von ihm eingeführten Begriffs <strong>der</strong> Weltanschauung, son<strong>der</strong>n auch wegen<br />
des von ihm gewählten wissenschafttheoretischen Ausgangspunkts von Bedeutung.<br />
Weniger in seiner Dissertation, dann aber prominent in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> macht<br />
92<br />
Eine dieser abwegigen intellektuellen Konstruktionen Traubs ist seine Behauptung vom angeblichen unendlichen<br />
Regress, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Beobachtung des Denkens einsetzen müsste. Siehe dazu Traub S. 350 ff; S. 359 f. Auf<br />
so etwas kann nur verfallen, wer sich niemals dem psychologischen Versuch unterzogen hat, sein faktisches Denken<br />
auch zu beobachten. Damit demonstriert Traub nur, dass er entwe<strong>der</strong> nichts von dem verstanden hat, was<br />
Steiner sagen will, o<strong>der</strong> dass er nicht gewillt ist, <strong>Steiners</strong> Ausführungen auch empirisch nachzugehen.<br />
Einige Bemerkungen Diltheys <strong>zur</strong> Beobachtung von Denkakten können Sie hier (S. 1368) nachlesen.