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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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63<br />

vom empirischen Standpunkt auf S. 159 ff können Sie einiges dazu studieren, was sich durchaus<br />

lohnt, weil Steiner etliches davon in <strong>der</strong> Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) aufgreift.<br />

Diese Hintergründe etwas zu kennen scheint mir vor allem deswegen hilfreich <strong>und</strong> notwendig,<br />

weil sich <strong>der</strong> heutige Zeitgenosse kaum eine Vorstellung davon macht, wie eminent in <strong>der</strong><br />

<strong>Steiners</strong>chen Zeit - übrigens erstmalig in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>geschichte in dieser empirischen<br />

Form, denn vorher gab es nichts Vergleichbares - um diese Dinge wissenschaftlich gerungen<br />

wurde, wie wenig klar sie waren, <strong>und</strong> wie sehr Steiner mit seiner Auffassung damals um die<br />

1880er <strong>und</strong> 1890er Jahre bis über die Jahrh<strong>und</strong>ertwende hinaus auch ausserhalb des psychologischen<br />

<strong>und</strong> philosophischen Mainstreams lag. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ist die innere Aktivität<br />

<strong>und</strong> die Frage ihrer empirischen Beobachtbarkeit ein Schlüsselthema <strong>der</strong> <strong>Steiners</strong>chen Weltanschauung.<br />

Nicht nur, so weit sie philosophisch ihre Gr<strong>und</strong>lagen erbaut, auch nicht nur, soweit<br />

es um die Aufklärung <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>sfrage geht, son<strong>der</strong>n sie spielt in methodischer Hinsicht dieselbe<br />

Rolle auch bei dem, was von Steiner dann als anthroposophische Geistesforschung weit<br />

bekannter wurde als ihre philosophische Gr<strong>und</strong>legung.<br />

Wer sich einmal die Mühe gemacht hat nachzuzählen, wie oft im dritten Kapitel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> von <strong>der</strong> Tätigkeit des Denkens die Rede ist, dem kann daran schon quantitativ<br />

deutlich werden, welche enorme Bedeutung diese innere Aktivität für <strong>Steiners</strong> Welterklärung<br />

<strong>und</strong> <strong>Freiheit</strong>sverständnis hat. Das gipfelt bei Steiner bekanntlich (S. 46) in dem prägnanten<br />

Satz des dritten Kapitels, dass die Beobachtung des Denkens die allerwichtigste sei, die<br />

<strong>der</strong> Mensch machen könne. "Denn er beobachtet etwas, dessen Hervorbringer er selbst ist; er<br />

sieht sich nicht einem zunächst fremden Gegenstande, son<strong>der</strong>n seiner eigenen Tätigkeit gegenüber.<br />

Er weiß, wie das zustande kommt, was er beobachtet. Er durchschaut die Verhältnisse<br />

<strong>und</strong> Beziehungen. Es ist ein fester Punkt gewonnen, von dem aus man mit begründeter<br />

Hoffnung nach <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> übrigen Welterscheinungen suchen kann."<br />

Mit dieser psychologischen Beobachtung hat Steiner den Finger gleichermassen auf den zentralen<br />

Punkt von Erkenntnistheorie <strong>und</strong> <strong>Freiheit</strong>sphilosophie gelegt. Denn die Frage, ob <strong>der</strong><br />

ursächliche Zusammenhang zwischen meiner Tätigkeit <strong>und</strong> dem Erscheinen des gedanklichen<br />

Inhalts wirklich sicher beobachtbar ist, hat für beide Fel<strong>der</strong> (Erkenntnistheorie <strong>und</strong> Ethik) <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> entscheidende Bedeutung. Infolgedessen hat Steiner in den Ergänzungen von<br />

1918 zum dritten Kapitel einige Mühe darauf verwandt, diesen ursächlichen Zusammenhang<br />

gegen Einwände seines vielleicht grössten zeitgenössischen Kontrahenten in dieser Auffassung<br />

zu verteidigen - gegen Eduard von Hartmann, den Philosophen des Unbewussten. 90 Dieser<br />

Umstand demonstriert <strong>und</strong> illustriert auch den vorhin schon angedeuteten Sachverhalt,<br />

dass die zeitgenössische Erkenntnistheorie in starker Abhängigkeit von psychologischen Methodenfragen<br />

<strong>und</strong> ihrer wissenschaftlichen Entwicklung allgemein stand. Und mit <strong>der</strong> Erkenntnistheorie<br />

auch die <strong>Freiheit</strong>sphilosophie. Warum das so ist wollen wir nachfolgend ein<br />

wenig beleuchten.<br />

Gleich im ersten Kapitel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, im Anschluss an die Behandlung Spinozas,<br />

kommt Steiner (S. 20) kritisch auf die Seiten 451 f aus Eduard von Hartmanns Schrift<br />

Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins zu sprechen. Speziell auf dessen Auffassung,<br />

dass selbst wenn wir Vorstellungen bewusst zu Motiven unseres Handelns erheben, wir dies<br />

keineswegs willkürlich täten, "son<strong>der</strong>n nach <strong>der</strong> Notwendigkeit unserer charakterologischen<br />

Veranlagung, also nichts weniger als frei". 91 Also selbst wenn wir mit vollem, wachem Bewusstsein<br />

Vorstellungen o<strong>der</strong> Gedanken zu Motiven unseres Handelns machen, tun wir dies<br />

90<br />

Eine übersichtliche Zusammenfassung <strong>der</strong> kritischen Kommentare Hartmanns zu <strong>Steiners</strong> Erstausgabe <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> von 1894 nebst einigen Hintergr<strong>und</strong>betrachtungen dazu findet sich in: Beiträge <strong>zur</strong> Rudolf<br />

Steiner Gesamtausgabe. Veröffentlichungen aus dem Archiv. Heft Nr. 85/136 Michaeli 1984.<br />

91<br />

Eduard von Hartmann, Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins, Berlin 2. Auflage 1879, S. 451 f<br />

im Internet erreichbar unter:<br />

http://ia600308.us.archive.org/10/items/phnomenologiede01hartgoog/phnomenologiede01hartgoog.pdf

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