24.11.2013 Aufrufe

Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

56<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite vollzieht sich in <strong>der</strong> Beobachtung des Denkens mit <strong>der</strong> Freilegung von<br />

Wirkendem <strong>und</strong> Bewirkten auch ein wesentlicher Schritt <strong>der</strong> neuerlichen Verknüpfung des<br />

menschlichen Selbstbewusstseins mit dem Naturbild <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Naturwissenschaft, wie<br />

wir das weiter oben als eines <strong>der</strong> Kernanliegen <strong>Steiners</strong> in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>und</strong> in<br />

den Rätseln <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> (GA-18) ausgeführt haben. Bei Anbetracht <strong>der</strong> Bedeutung von<br />

Kausalität für das allgemeine Welt- <strong>und</strong> Naturverständnis ist das augenfällig. Denn wenn klar<br />

ist, dass die ganze Kausalitätsproblematik, <strong>und</strong> damit die <strong>der</strong> Erklärung von Natur generell,<br />

überhaupt nur auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> faktischen inneren Erlebnisse des menschlichen Selbstbewusstseins<br />

lösbar ist, dann hat das gravierende Folgen auch für das naturwissenschaftlich geprägte<br />

Weltverständnis. Denn dieses krankt daran, dass für die entscheidende Kategorie <strong>der</strong><br />

Kausalität in <strong>der</strong> äusseren Natur selbst überhaupt keine auffindbare Gr<strong>und</strong>lage vorhanden ist,<br />

an <strong>der</strong> man dieses Prinzip fest <strong>und</strong> sicher verankern könnte. Denken Sie an Humes Problem<br />

von oben, das später zum Problem Kants wird. Und von Kant einigermassen wirklichkeitsfremd<br />

als verdünnter Saft von blosser Vernunft, um mit Wilhelm Dilthey zu sprechen, im verzweifelten<br />

Rückgriff auf vermeintliche apriorische Bedingungen des Vernunftgebrauchs zu lösen<br />

gesucht wird.<br />

Mit Blick auf die universelle Bedeutung von Kausalität als Prinzip <strong>der</strong> Welterklärung ist <strong>der</strong><br />

Sachverhalt <strong>der</strong> unmittelbaren Beobachtung von Wirkendem <strong>und</strong> Bewirktem also gar nicht<br />

mehr zu überschätzen. Und es ist einleuchtend, dass eine Welterklärung, die wesentlich auf<br />

diesem Prinzip <strong>der</strong> Kausalität aufbaut, genötigt ist, zuallererst jenen Punkt aufzusuchen <strong>und</strong><br />

aufzuzeigen, wo es gar keinen Zweifel darüber geben kann, was wirkt, <strong>und</strong> was das Bewirkte<br />

ist, <strong>und</strong> wie diese beiden Elemente miteinan<strong>der</strong> zusammenhängen. Der aber liegt eben in gar<br />

keinem Fall in <strong>der</strong> äusseren Natur, son<strong>der</strong>n im Innern des Menschen selbst - womit wir, das<br />

aber hier nur nebenbei bemerkt, wie<strong>der</strong> die Brücke zu Wilhelm Diltheys genetischer Fragestellung<br />

(siehe oben) haben.<br />

Den fraglichen Punkt <strong>der</strong> Beobachtung von Wirkendem <strong>und</strong> Bewirktem näher zu beleuchten<br />

ist ja das zentrale Thema im dritten Kapitel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> anlässlich <strong>der</strong> Vorstellung<br />

vom archimedischen Hebel <strong>der</strong> Welterklärung. Deswegen ist es erhellend zu sehen,<br />

wie Steiner dasselbe Motiv in <strong>der</strong> drei Jahre später erscheinenden Schrift über Goethes Weltanschauung<br />

erneut aufgreift. Zwar in einem an<strong>der</strong>en, Goethes Idealismus entsprechenden philosophischen<br />

Sprachduktus gefasst als die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, aber im Kern läuft sie,<br />

was die <strong>Freiheit</strong>sfrage betrifft, auf dieselben Konsequenzen hinaus: Die Beobachtung des faktischen<br />

Denkens ist nicht nur <strong>der</strong> Schlüssel <strong>zur</strong> Erklärung <strong>der</strong> Welt, son<strong>der</strong>n auch zum Verständnis<br />

<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>.<br />

Weiter wird an <strong>der</strong> oben zitierten Passage augenfällig, dass Steiner zwecks Welterklärung seinen<br />

Blick dabei, obwohl er vor<strong>der</strong>gründig <strong>und</strong> scheinbar den selben Gegenstand behandelt<br />

wie Kant, - das Denken, Erkennen <strong>und</strong> die menschliche <strong>Freiheit</strong> -, in eine vollkommen entgegengesetzte<br />

Richtung lenkt wie Kant. Er sucht die Prinzipien dieser Erklärung nicht in irgendwelchen<br />

nebulosen apriorischen Erkenntnisbedingungen, wie Kant beispielsweise im Falle<br />

<strong>der</strong> Kausalität. Son<strong>der</strong>n in dem, was empirisch im Seelenleben greifbar ist: in <strong>der</strong> produktiven<br />

Kraft des Menschen. Und zwar keiner deduzierten, logisch postulierten, o<strong>der</strong> metaphysisch<br />

sonstwie ausgedachten, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> wirklich in Tätigkeit befindlichen. Und das ausgerechnet<br />

auch noch mittels eines Verfahrens, vor dem sich Kant förmlich bekreuzigt hat: <strong>der</strong> psychologischen<br />

Beobachtung von faktischen seelischen Vorkommnissen.<br />

Von Kant sagt Jürgen Bona Meyer in seinem Buch Kants Psychologie, Berlin 1870, S. 287<br />

im Rückgriff auf Kants Einschätzung <strong>der</strong> Psychologie in <strong>der</strong> Vorrede zu den Metaphysischen<br />

Anfangsgründen <strong>der</strong> Naturwissenschaft: "Kant verlangt also apodiktische Gewissheit des<br />

Wissens von einer im strengsten Sinne so zu nennenden Wissenschaft. Diese Gewissheit vermag<br />

uns nur die Vernunfterkenntniss selbst zu geben; ein Bewusstsein unbedingter Nothwen­

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!