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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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51<br />

auf vernunftkritischer Ebene ansiedelte, <strong>und</strong> fernab von je<strong>der</strong> seelischen Empirie zu klären<br />

unternahm. O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s gesagt: Er macht aus einem empirischen Problem irrtümlich ein metaphysisches<br />

<strong>der</strong> apriorischen Denkvoraussetzungen, weil ihm <strong>der</strong> empirische Zugang <strong>zur</strong> seelischen<br />

Ebene fehlt, auf <strong>der</strong> es lösbar ist.<br />

Auch an dieser Stelle stossen Sie sachlich sofort auf <strong>Steiners</strong> Vorhaltungen gegenüber Kant,<br />

dass dieser sich nicht vorrangig gefragt habe, was Erkenntnis eigentlich sei (siehe oben).<br />

Denn für Steiner hat Erkenntnis als faktischer Prozess sehr viel mit erlebter Kausalität zu tun.<br />

Ein Sachverhalt, <strong>der</strong> gar nicht aufzufinden ist, wenn man diesem Was <strong>der</strong> Erkenntnis nicht<br />

ernsthaft seelisch beobachtend mit empirischen Mitteln nachgeht, son<strong>der</strong>n nur mit logischen<br />

Mitteln den vermeintlichen apriorischen Bedingungen des Vernunftgebrauchs nachspürt. Sehen<br />

Sie sich in <strong>Steiners</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> - das gilt jetzt nur für die Zweitauflage von<br />

1918 - einmal an, wie sehr er in den Überarbeitungen von 1918 im dritten Kapitel Wert darauf<br />

legt, das tätige Denken von den rein passiven Seelenerscheinungen, etwa unwillkürlichen Gedankenbil<strong>der</strong>n<br />

<strong>und</strong> Gefühlsäusserungen, abzugrenzen. Immer geht es dort darum, das verursachende<br />

<strong>und</strong> aktiv Tätige beim Denken psychologisch erlebnismässig in den Blick zu bekommen.<br />

Was diesen Charakter <strong>der</strong> durchgehenden Aktivität nicht hat, ist in seinen Augen gar<br />

kein Denken. Und das sind ja, obgleich sehr zentrale <strong>und</strong> wichtige, dennoch erst relativ bescheidene<br />

Anfänge einer weit tiefer reichenden psychologischen Charakterisierung des Denkens.<br />

Verursachung im Seelenleben ist eben nur zu konstatieren, wenn man sich beobachtend den<br />

Erscheinungen des Seelenlebens auch zuwendet. Ein Philosoph, <strong>der</strong> die Methode <strong>der</strong> inneren<br />

Beobachtung von vornherein skeptisch bis ablehnend beurteilt wie Kant, weil er aus mancherlei<br />

Gründen nichts davon hält, nimmt sich damit auch von vorn herein jede Möglichkeit, diesem<br />

begrifflichen Ursprung <strong>und</strong> einem möglichen unmittelbaren Kausalitätserlebnis auf den<br />

Gr<strong>und</strong> zu gehen. Das heisst, er verstellt sich den Weg einer natürlichen, objektangemessenen<br />

Erklärung <strong>und</strong> Aufhellung von Humes Problem. Und er wird eben wie Kant den Weg in die<br />

allgemeine Vernunft- <strong>und</strong> Metaphysikkritik wählen, ohne den genetischen <strong>und</strong> natürlichen<br />

Aspekt jemals ernsthaft ins Auge zu fassen <strong>und</strong> ihm nachzugehen. Wie weit die Zeitverhältnisse<br />

bei Kant <strong>und</strong> Hume zudem überhaupt die Möglichkeiten <strong>und</strong> methodischen Mittel bereit<br />

hielten, <strong>zur</strong> Klärung solcher Problemstellungen beobachtend in das Innere des menschlichen<br />

Seelenlebens einzudringen, ist eine ganz an<strong>der</strong>e, aber verständlicherweise ebenfalls sehr entscheidende<br />

Frage. Für Kant haben wir das oben schon wie<strong>der</strong>holt angedeutet. Für Hume gilt<br />

vergleichbares. In <strong>der</strong> unten angegebenen Literaturliste finden Sie in <strong>der</strong> ausgedehnten Studie<br />

von Jürgen Bona Meyer (Kants Psychologie, Berlin 1870) einige Kant betreffende<br />

Erklärungen dazu, warum Kant die Psychologie so gering schätzte, <strong>und</strong> von ihr auch keinen<br />

energischen Gebrauch machen wollte.<br />

Auf welche Psychologie Hume bei seinen Untersuchungen über den menschlichen Verstand<br />

<strong>zur</strong>ückgriff, können Sie diesem Werk selbst entnehmen. 76 Diltheys Charakteriserung dessen,<br />

die zugleich eine Art exemplarischen Fall beschreibt, wie sich Philosophen <strong>und</strong> Psychologen<br />

einen <strong>der</strong> Naturwissenschaft entlehnten Mechanismus des seelischen <strong>und</strong> geistigen Lebens bis<br />

in die nahe Gegenwart hinein vorstellten, <strong>und</strong> woran sie sich dabei orientierten, sieht folgen<strong>der</strong>massen<br />

aus:<br />

"David Hume, welcher über zwei Generationen nach Spinoza dessen Werk fortsetzte, verhält<br />

sich zu Newton genau so wie Spinoza zu Galilei <strong>und</strong> Descartes. Seine Assoziationstheorie ist<br />

ein Versuch, nach dem Vorbild <strong>der</strong> Gravitationslehre Gesetze des Aneinan<strong>der</strong>haftens von Vorstellungen<br />

zu entwerfen. «Die Astronomen», so erklärt er, «hatten sich lange begnügt, aus den<br />

sichtbaren Erscheinungen die wahren Bewegungen, die wahre Ordnung <strong>und</strong> Größe <strong>der</strong> Him­<br />

76<br />

Siehe David Hume, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, in <strong>der</strong> Übersetzung von C. Nathansohn,<br />

Leipzig 1893. Im Internet erreichbar unter:<br />

http://archive.org/stream/eineuntersuchun00humegoog#page/n2/mode/2up

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