Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...
Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...
Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
49<br />
nismus hinein." Ich schätze, Sie erkennen die allgemeine Verwandtschaft dieser Gedankengänge<br />
Diltheys <strong>und</strong> <strong>Steiners</strong>.<br />
In <strong>der</strong> Naturwissenschaft hat <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Kausalität nach Dilthey dann eine sehr spezialisierte,<br />
verän<strong>der</strong>te <strong>und</strong> verengte Form angenommen, die jetzt nicht wie<strong>der</strong> rückwärts auf das<br />
menschliche Seelenleben übertragen werden kann, weil er in dieser naturwissenschaftlich verengten<br />
<strong>und</strong> spezialisierten Form darauf gar nicht mehr anwendbar ist. Woraus zu entnehmen<br />
ist, seelische Verursachung im menschlichen Seelenleben ist mit rein naturwissenschaftlichen<br />
Begriffen gar nicht mehr zu fassen. Es müssen dazu eigene <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e her. Bei Steiner geht<br />
das bezeichnen<strong>der</strong>weise so weit, dass er den Ausdruck <strong>der</strong> Kausalität, <strong>der</strong> ja einen naturwissenschaftlichen<br />
Akzent hat, für vergleichbare Verhältnisse des Seelenlebens meines Wissens<br />
nie anwendet. So spricht er in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> im dritten Kapitel von einem Hervorbringen.<br />
Und in <strong>der</strong> Schrift Goethes Weltanschauung von Wirkendem <strong>und</strong> Bewirktem. Nie<br />
explizit von Kausalität. Was angesichts <strong>der</strong> von Wimmenauer beschriebenen Verhältnisse<br />
durchaus Sinn macht. Wir werden das weiter unten noch verhandeln.<br />
Eine Frage, die sich weiter aus Wimmenauers Text ergibt ist: Setzt sich <strong>der</strong> menschliche Wille<br />
nur mit <strong>der</strong> sinnlichen Aussenwelt auseinan<strong>der</strong>, o<strong>der</strong> nicht auch mit den Erscheinungen seines<br />
übrigen Seelenlebens? Gibt es da nicht ebenso Wi<strong>der</strong>ständiges, gegen das <strong>der</strong> Wille mal erfolgreich<br />
<strong>und</strong> mal weniger erfolgreich o<strong>der</strong> auch völlig machtlos anrennt? Innere Tatsachen,<br />
die er vergleichsweise biegen, dehnen, strecken, verdünnen, auflösen o<strong>der</strong> schaffen kann? Die<br />
er modifizieren, bewirken o<strong>der</strong> auch gar nicht verwandeln kann? Tatsachen, die sich als instabil<br />
<strong>und</strong> variabel o<strong>der</strong> auch als völlig unbeeinflussbar erweisen? Und zwar ausnamslos ebenso<br />
eingebettet in den komplexen Strukturzusammenhang seines gesamten Seelenlebens, mit Fühlen,<br />
Wollen <strong>und</strong> Denken, Erinnern, Hoffen, Wünschen, Erwarten, Tun <strong>und</strong> Leiden, Lust <strong>und</strong><br />
Trauer, Freude <strong>und</strong> Schmerz? So dass eventuell nicht nur, um mit Steiner zu sprechen, die gewöhnliche<br />
sinnliche Aussenwelt wie in Golfen in das menschliche Seelenleben hineinragt,<br />
son<strong>der</strong>n auch eine an<strong>der</strong>e, seelische <strong>und</strong> geistige, wenn man nur den Begriff <strong>der</strong> Sinne an<strong>der</strong>s<br />
fasst, als er gebräuchlich ist?<br />
In seiner beispielhaften Abhandlung Beiträge <strong>zur</strong> Lösung <strong>der</strong> Frage vom Ursprung unseres<br />
Glaubens an die Realität <strong>der</strong> Außenwelt <strong>und</strong> seinem Recht; (Sitzungsberichte <strong>der</strong> Kgl. Preuß.<br />
Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften zu Berlin, Berlin 1890, S. 977 ff) hat Dilthey vorrangig den<br />
Glauben an die sinnliche Aussenwelt auf den komplexen Strukturzusammenhang des menschlichen<br />
Seelenlebens gegründet <strong>und</strong> in ihm verankert gesehen. Nun ist eben das menschliche<br />
Seelenleben durchaus kein homogenes Feld, <strong>und</strong> was Dilthey zu unserem Glauben an die äusseren<br />
Gegenstände in mustergültiger psychologischer Analyse anführt, das lässt sich wie<br />
schon gesagt vergleichbar ebenso gegenüber den übrigen Gegebenheiten des menschlichen<br />
Seelenlebens <strong>zur</strong> Geltung bringen, mit <strong>der</strong> Frage: Können wir nur von einer sinnlichen Aussenwelt<br />
sprechen, o<strong>der</strong> nicht auch von einer seelischen <strong>und</strong> geistigen? So dass die sinnliche<br />
Aussenwelt nur eine von drei sehr verschiedenen wäre, denen das gemeinsam wäre, gegenüber<br />
unserem Ich <strong>und</strong> unserem Willen unabhängig zu sein. Das setzt natürlich voraus, dass<br />
eine vergleichbare Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Erfahrungen <strong>und</strong> Erlebnissen unseres Willens,<br />
wie Dilthey sie für den Glauben an die sinnliche Aussenwelt mustergültig darlegt, auch für<br />
den Bereich des restlichen Innenlebens stattfindet. Eben dies aber vollzieht sich im Rahmen<br />
dessen, was Steiner später als seinen anthroposophischen Übungsweg bezeichnet, wie er ihn<br />
im Skizzenhaften Ausblick (<strong>der</strong> Link führt <strong>zur</strong> Ausgabe von 1914) am Ende <strong>der</strong> Schrift Die<br />
Rätsel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> (GA-18) überblicksartig darlegt. Mit dem einzigen Unterschied, dass<br />
sie dort vom Menschen willentlich gesucht <strong>und</strong> herbeigeführt werden muss, während sie sich<br />
für die sinnliche Aussenwelt in aller Regel in ganz naturgegebener Weise, <strong>und</strong> ohne bewusste<br />
<strong>und</strong> willentliche Entscheidung dazu, im Verlauf seiner natürlichen Entwicklung ergibt.