Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...
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den Zusätzen auf das Gedankengut <strong>der</strong> späteren Anthroposophie <strong>zur</strong>ückgreift. Besser wohl:<br />
dorthin verweist. Man könnte bei Kenntnis <strong>der</strong> Sachlage ebensogut sagen: verweisen muss!<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite zeigt diese etwas unbefriedigende Konstellation auch, dass Steiner mit<br />
Recht hervorhebt, die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> sei die Gr<strong>und</strong>legungsschrift für die spätere<br />
Geisteswissenschaft, was sie mit <strong>der</strong> Frage nach dem Ursprung des Denkens ja auch ist. Das<br />
offenbart allem voran <strong>der</strong>en so nachdrückliche Betonung dort. Die Wissenschaft <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
gründet sich für Steiner letzten Endes auf eine Wissenschaft des Denkens. Die aber nimmt in<br />
<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> erst ihren Anlauf. 67 Man könnte demzufolge ganz pragmatisch<br />
<strong>und</strong> abgeklärt konstatieren: Da war noch einiges in Bewegung. Und das scheint mir auch ganz<br />
erwartungsgemäss für ein inhaltlich so weit gespanntes Einstiegswerk wie dieses.<br />
h) Zwischendurch ein persönlicher Forschungsauftrag an den Leser: Was hat Thomasius<br />
mit <strong>der</strong> Person Rudolf Steiner zu tun?<br />
Bevor wir weiter vorangehen möchte ich Leser, die gern in abgründige Detailfragen <strong>der</strong> Anthroposophie<br />
hineinschauen, noch mit einer Spezialaufgabe betrauen. Nach allem, was man<br />
bisher sagen kann, hat es in <strong>Steiners</strong> Augen die <strong>Philosophie</strong> als gedanklich-logisch operierende,<br />
so weit sie eben nur mit reinen Begriffen argumentierend umgeht, ganz überwiegend mit<br />
dem zu tun, was Steiner oben in GA 20 die gespiegelten Bil<strong>der</strong> eines geistig Wirklichen nennt.<br />
Diese gespiegelten Bil<strong>der</strong> (Begriffe) sind im Verhältnis zu ihren lebendigen Vorbil<strong>der</strong>n völlig<br />
tot. Ein Umstand, auf den Steiner sowohl die Entwicklung des menschlichen Selbstbewusstseins,<br />
als auch die <strong>Freiheit</strong> des Menschen <strong>zur</strong>ückführt. Ein Philosoph, <strong>der</strong> den Weg zum Lebendigen<br />
wie<strong>der</strong> sucht, muss vor allem danach trachten, aus dem Toten <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> den<br />
Weg heraus wie<strong>der</strong> zu finden <strong>und</strong> für an<strong>der</strong>e gangbar zu machen. Er muss sich folglich mit<br />
diesem Toten umfänglich auseinan<strong>der</strong>setzen, um diesen Weg erkennen zu können. Vielleicht<br />
mehr, als ihm lieb <strong>und</strong> zuträglich sein kann. Nun kennzeichnet diese Art von Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
gerade <strong>Steiners</strong> philosophisch-erkenntniswissenschaftliche Bemühungen. Und Erkenntniswissenschaft<br />
ist aus <strong>Steiners</strong> Perspektive vom Bildcharakter des Gedankens eine Disziplin,<br />
die nahezu ausschliesslich mit unlebendigen Dingen hantiert. Auch die eigene. Soweit sie<br />
nämlich argumentativ logisch an Begriffen entlang verfährt, was sie ja muss. <strong>Steiners</strong> <strong>Philosophie</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> ist also davon keineswegs ausgenommen, die sich erklärtermassen den<br />
Weg zum Leben, zum Ursprung des Denkens zu suchen vornimmt. Im Gegenteil: Dieser<br />
Brückenbau vom Toten zum Lebendigen gelingt nur, wenn er sich vorher in die tiefsten Tiefen<br />
<strong>der</strong> toten Gedanken hineinfindet. Dort hinein, wo sie sozusagen am allertotesten sind. Und besteht<br />
über weite Strecken in ausufernden, rein logisch geleiteten Auseinan<strong>der</strong>setzungen, die<br />
per se auf dem Boden <strong>der</strong> leblosen Gedanken <strong>und</strong> mit diesen geführt werden (müssen). Oft für<br />
den Leser nicht nur ermüdend, son<strong>der</strong>n auch ziemlich entnervend. Aber nur so kommt man einigermassen<br />
sicher wie<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Todeszone heraus.<br />
Meine Aufgabe jetzt: Schauen Sie sich in <strong>Steiners</strong> Mysteriendramen (GA-14) einmal die Figur<br />
des Johannes Thomasius an. Was er dort tut, <strong>und</strong> welche Bedeutung das alles für die in<br />
den Dramen beschriebene Gemeinschaft hat. Vor allem auch sehen Sie sich die ersten beiden<br />
Bil<strong>der</strong> aus dem "Hüter <strong>der</strong> Schwelle" (GA-14, Dornach 1998) an. Überlegen Sie einmal, was<br />
die Dramenfigur des Johannes Thomasius, seine Aufgaben <strong>und</strong> die etwas eigentümlichen Gedanken<br />
des Thomasius im zweiten Bild (S. 300 ff) im Gespräch mit Friedrich Trautmann (S.<br />
301 f) mit <strong>der</strong> Person Rudolf Steiner zu tun haben könnten.<br />
*<br />
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Man kann diesen Gedankengang wie gesagt schon in den übrigen <strong>Steiners</strong>chen Gr<strong>und</strong>schriften angelegt sehen.<br />
Von einer "Wissenschaft des Denkens" spricht Steiner explizit in Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft, (GA-3), Kap. V, Erkennen<br />
<strong>und</strong> Wirklichkeit, S. 63.