Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...
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Zusammenhang <strong>der</strong> Triebkräfte gleichsam zusieht. - Sind es so die bewußten Gedanken im<br />
gewöhnlichen Bewußtsein, welche den Menschen frei handeln lassen, so könnte doch dieser<br />
durch das gewöhnliche Bewußtsein von seiner <strong>Freiheit</strong> nichts wissen. Er würde nur auf das<br />
Bild sehen, das ihn bestimmt, <strong>und</strong> müßte diesem die Kraft <strong>der</strong> Ursächlichkeit zuschreiben. Er<br />
tut dies nicht, weil instinktiv im Erleben <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> die wahre Wesenheit <strong>der</strong> Seele in das gewöhnliche<br />
Bewußtsein hereinleuchtet. (Der Verfasser dieser Schrift hat die <strong>Freiheit</strong>sfrage in<br />
seinem Buche «<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>» ausführlich aus <strong>der</strong> Beobachtung <strong>der</strong> menschlichen<br />
Seelenerlebnisse zu beleuchten gesucht.) Die Geisteswissenschaft sucht vom Gesichtspunkte<br />
des schauenden Bewußtseins in dasjenige Gebiet des wahren Seelenlebens hineinzuleuchten,<br />
aus dem heraus in das gewöhnliche Bewußtsein die instinktive Gewißheit von <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
strahlt."<br />
Der Bildcharakter des gewöhnlichen Gedankens kann erst vom schauenden Bewusstsein her<br />
klar <strong>und</strong> sicher beurteilt werden, noch nicht aus dem reinen Denkbewusstsein <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Notwendig dazu ist ein Vergleich des Bildes mit seiner geistigen Ausgangsform.<br />
Das heisst, <strong>der</strong> Untersucher hat zu klären, wie aus einem lebendigen geistigen Ausgangszustand<br />
ein totes, durch die Leibesorganisation gespiegeltes Bild, ein Begriff des gewöhnlichen<br />
Bewusstseins wird, <strong>der</strong> kein ursprüngliches geistiges Leben mehr in sich trägt. Und zwar soll<br />
er das nicht durch philosophisches Nachdenken logisch schlussfolgernd <strong>und</strong> spekulierend ergründen,<br />
son<strong>der</strong>n anhand emprisch erlebter seelisch-geistiger Tatsachen. Keine leichte Aufgabe,<br />
beides, geistiges Urbild <strong>und</strong> gespiegeltes Abbild in den Blick zu nehmen. Eine Bedingung<br />
dazu ist, dass <strong>der</strong> Beobachter zwecks Vergleich ein Stück weit aus seiner Leiblichkeit heraustreten<br />
kann, denn verbliebe er vollständig innerhalb <strong>der</strong>selben, so kämen bei ihm eben nur<br />
Spiegelbil<strong>der</strong> an, nicht aber das, was gespiegelt wird. Einzelheiten dazu in <strong>Steiners</strong> Schrift<br />
Vom Menschenrätsel, (GA-20, Dornach 1984, S. 156 ff); ebenso im Skizzenhaften Ausblick.<br />
An diesem Bildcharakter aber hängt die <strong>Freiheit</strong> des Menschen, weil das Bild durch sich<br />
selbst nichts bewirken kann. Es ist mausetot; das Gegenteil eines lebendigen Gedankens. Und<br />
weil das so ist, <strong>und</strong> es so tot ist <strong>und</strong> unwirksam, muss <strong>der</strong> Mensch sich selbst aktiv aufraffen<br />
<strong>und</strong> von dem Bild respektive Gedanken bestimmen lassen wollen. Das verschafft ihm die<br />
Möglichkeit <strong>zur</strong> <strong>Freiheit</strong>. "Was bloß Bild ist, kann durch sich selbst nichts bewirken. Wenn<br />
durch ein Bild etwas bewirkt wird, so muß dies durch ein Wesen geschehen, das sich durch<br />
das Bild bestimmen läßt." Auf die Leblosigkeit des Bildes gründet sich die menschliche <strong>Freiheit</strong><br />
<strong>und</strong> das menschliche Selbstbewusstsein. Von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gesehen: Ausserhalb <strong>der</strong><br />
Leiblichkeit, in <strong>der</strong> geistigen Wirklichkeit, ist keine <strong>Freiheit</strong> <strong>und</strong> kein Selbstbewusstsein zu<br />
gewinnen, denn dort existieren keine <strong>der</strong>artigen Spiegelbil<strong>der</strong>. 62<br />
62<br />
Siehe dazu <strong>Steiners</strong> Schrift Von Seelenrätseln, GA-21, Dornach 1976 S. 140 f: "Die abstrakte Vorstellung ist<br />
das <strong>zur</strong> Vergegenwärtigung im gewöhnlichen Bewußtsein erstorbene Wirkliche, in dem <strong>der</strong> Mensch zwar lebt bei<br />
<strong>der</strong> Sinneswahrnehmung, das aber in seinem Leben nicht bewußt wird. Die Abstraktheit von Vorstellungen wird<br />
bewirkt durch eine innere Notwendigkeit <strong>der</strong> Seele. Die Wirklichkeit gibt dem Menschen ein Lebendiges. Er ertötet<br />
von diesem Lebendigen denjenigen Teil, <strong>der</strong> in sein gewöhnliches Bewußtsein fällt. Er vollbringt dieses,<br />
weil er an <strong>der</strong> Außenwelt nicht zum Selbstbewußtsein kommen könnte, wenn er den entsprechenden Zusammenhang<br />
mit dieser Außenwelt in seiner vollen Lebendigkeit erfahren müßte. []Ohne die Ablähmung dieser vollen<br />
Lebendigkeit müßte sich <strong>der</strong> Mensch als Glied innerhalb einer über seine menschlichen Grenzen hinausreichenden<br />
Einheit erkennen; er würde Organ eines größeren Organismus sein. Die Art, wie <strong>der</strong> Mensch seinen Erkenntnisvorgang<br />
nach innen in die Abstraktheit <strong>der</strong> Begriffe auslaufen läßt, ist nicht bedingt durch ein außer ihm liegendes<br />
Wirkliches, son<strong>der</strong>n durch die Entwickelungsbedingungen seines eigenen Wesens, welche erfor<strong>der</strong>n, daß<br />
er im Wahrnehmungsprozeß den lebendigen Zusammenhang mit <strong>der</strong> Außenwelt abdämpft zu diesen abstrakten<br />
Begriffen, welche die Gr<strong>und</strong>lage bilden, auf <strong>der</strong> das Selbstbewußtsein erwächst. Daß dieses so ist, das zeigt sich<br />
<strong>der</strong> Seele nach <strong>der</strong> Entwickelung ihrer Geistorgane. Durch diese wird <strong>der</strong> lebendige Zusammenhang (in dem Sinne,<br />
wie das Seite 26 dieser Schrift dargestellt ist) mit einer außer dem Menschen liegenden Geist-Wirklichkeit<br />
wie<strong>der</strong> hergestellt; wenn aber das Selbstbewußtsein nicht bereits ein Erworbenes wäre vom gewöhnlichen Bewußtsein<br />
her: es könnte im schauenden Bewußtsein nicht ausgebildet werden. Man kann hieraus begreifen, daß<br />
das ges<strong>und</strong>e gewöhnliche Bewußtsein die notwendige Voraussetzung für das schauende Bewußtsein ist. Wer<br />
glaubt, ein schauendes Bewußtsein ohne das tätige ges<strong>und</strong>e gewöhnliche Bewußtsein entwickeln zu können, <strong>der</strong>