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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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rücksichtigung sämtlicher in Frage kommenden wissenschaftlichen Teilprojekte theoretischer<br />

<strong>und</strong> methodischer Natur, wie es eben eine an <strong>der</strong> Empirie orientierte ernsthafte Klärung des<br />

Ursprungs des Denkens nötig machte. Der Akzent liegt auf dem Wort ernsthaft. <strong>Steiners</strong><br />

Hauptfrage nach dem Ursprung des Denkens führt thematisch in die spätere Geisteswissenschaft<br />

des Anthroposophen Steiner. Mehr als eine Einführung o<strong>der</strong> Hinführung zu dieser<br />

Geisteswissenschaft aber konnte die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> unter gar keinen Umständen<br />

leisten. Etwas an<strong>der</strong>es anzunehmen wäre bei klarer <strong>und</strong> distanzierter Betrachtung wirklichkeitsfremd.<br />

Auf diese Sachlage verweist auch eine ganz an<strong>der</strong>e Darstellung <strong>Steiners</strong> aus <strong>der</strong> Schrift Vom<br />

Menschenrätsel (GA-20, Dornach 1984), die genau das behauptet: Nur aus dem schauenden<br />

Bewusstsein <strong>der</strong> Geistesforschung heraus ist eine tragfähige Antwort auf die <strong>Freiheit</strong>sfrage<br />

möglich. So schreibt er dort auf S. 167 ff: "Bei <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> menschlichen <strong>Freiheit</strong> zeigt<br />

sich ein eigentümlicher Konflikt <strong>der</strong> Seelenerkenntnis. Das gewöhnliche Bewußtsein kennt<br />

den freien Entschluß als eine innerlich erlebte Tatsache. Und diesem Erlebnis gegenüber kann<br />

es sich eigentlich die <strong>Freiheit</strong> nicht hinweglehren lassen. Und doch scheint es, als ob die naturwissenschaftliche<br />

Vorstellungsart dieses Erlebnis nicht anerkennen könnte. Sie sucht zu je<strong>der</strong><br />

Wirkung die Ursachen. Was ich in diesem Augenblicke tue, erscheint ihr abhängig von<br />

den Eindrücken, die ich jetzt habe, von meinen Erinnerungen, von den mir angeborenen o<strong>der</strong><br />

anerzogenen Neigungen <strong>und</strong> so weiter. Es wirkt vieles zusammen; ich kann es nicht überschauen,<br />

daher erscheine ich mir frei. Aber in Wahrheit bin ich durch die zusammenwirkenden<br />

Ursachen zu meinem Handeln bestimmt. <strong>Freiheit</strong> erschiene somit als eine Illusion. Man<br />

kommt aus diesem Konflikt nicht heraus, solange man nicht vom Standpunkte des schauenden<br />

Bewußtseins in dem gewöhnlichen Bewußtsein nur eine durch die Leibesorganisation bewirkte<br />

Spiegelung <strong>der</strong> wahren Seelenvorgänge erblickt, <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Seele eine in <strong>der</strong> Geisteswelt<br />

wurzelnde, vom Leibe unabhängige Wesenheit. Was bloß Bild ist, kann durch sich selbst<br />

nichts bewirken. Wenn durch ein Bild etwas bewirkt wird, so muß dies durch ein Wesen geschehen,<br />

das sich durch das Bild bestimmen läßt. In diesem Falle aber ist die menschliche<br />

Seele, wenn sie etwas tut, wozu ihr bloß Anlaß ein im gewöhnlichen Bewußtsein vorhandener<br />

Gedanke ist. Mein Bild, das ich im Spiegel sehe, bewirkt nichts, was nicht ich aus Anlaß des<br />

Bildes bewirke. An<strong>der</strong>s ist die Sache, wenn <strong>der</strong> Mensch nicht durch einen bewußten Gedanken<br />

sich bestimmt, son<strong>der</strong>n, wenn er durch einen Affekt, durch den Impuls einer Leidenschaft<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger unbewußt getrieben wird, <strong>und</strong> die bewußte Vorstellung nur dem blinden<br />

daß sie etwas getan haben (empfinden es vielleicht sogar als Anstrengung), was sie aber tun, indem sie die vorbereitende<br />

Tätigkeit üben, als <strong>der</strong>en Resultat <strong>der</strong> Gedanke aufleuchtet, das wissen sie nicht. Aber gerade darauf<br />

kommt es an." Um jetzt das zu veranschaulichen, was getan werden muß, um die Denktätigkeit zu erleben, bietet<br />

die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> in ihrer damaligen Form für Stein offensichtlich keine hinreichende Materialgr<strong>und</strong>lage,<br />

<strong>und</strong> so greift er diesbezüglich auf den methodischen Abschnitt aus den Rätseln <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>zur</strong>ück - im<br />

engeren Sinne auf den Skizzenhaften Ausblick am Ende dieses Buches - <strong>und</strong> zitiert: "«Wenn <strong>der</strong> Mensch denkt,<br />

so ist sein Bewußtsein auf die Gedanken gerichtet. Er will durch die Gedanken etwas vorstellen; er will im gewöhnlichen<br />

Sinne richtig denken. Man kann aber auch auf an<strong>der</strong>es seine Aufmerksamkeit richten. Man kann die<br />

Tätigkeit des Denkens als solche in das Geistesauge fassen. Man kann zum Beispiel einen Gedanken in den Mittelpunkt<br />

des Bewußtseins rücken, <strong>der</strong> sich auf nichts Äußeres bezieht, <strong>der</strong> wie ein Sinnbild gedacht ist, bei dem<br />

man ganz unberücksichtigt läßt, daß er etwas Äußeres abbildet . . . Man kann sich ganz einleben nur in das innere<br />

Tun <strong>der</strong> Seele, während man so verharrt. Es kommt hierbei nicht darauf an, in Gedanken zu leben, son<strong>der</strong>n<br />

darauf, die Denktätigkeit zu erleben.»"<br />

W. J. Steins Aufgreifen des methodischen Verfahrens aus dem Skizzenhaften Ausblick ist vollständig<br />

sachgemäss, wie wir hier schon mehrfach zu demonstrieren versuchten. Dieses Verfahren <strong>Steiners</strong> ist aber in <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> nicht entfernt angedeutet. Man muss also wie W. J. Stein wissen, dass es in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> primär um die Erkenntnis von Wesen <strong>und</strong> Ursprung des Denkens geht, während das zentrale<br />

methodische Verfahren, dorthin zu kommen, erst viel später <strong>und</strong> an ganz an<strong>der</strong>er Stelle, z. B. eben im Skizzenhaften<br />

Ausblick (GA-18), von Rudolf Steiner vorgelegt wird.

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