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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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36<br />

bloßer Denktätigkeit." 50 Die ...tätigkeit müssten wir dabei allerdings streichen. Denn konkrete<br />

<strong>und</strong> wirkliche Denkakte sind nicht Kants Thema. Höchstens gedachte. Und um mit Carl<br />

Stumpf zu sprechen: "Die Vernachlässigung <strong>der</strong> Psychologie ist nicht, wie man sie vielfach<br />

hinstellt, eine nebenhergehende <strong>und</strong> irrelevante Eigenart, son<strong>der</strong>n sie ist ein Gr<strong>und</strong>schaden<br />

des Kant`schen <strong>Philosophie</strong>rens." 51<br />

e) Kants Unterscheidung von Beobachtung <strong>und</strong> Bemerken.<br />

Immerhin aber - <strong>und</strong> das ist wirklich hervorzuheben - trifft Kant gleich zu Beginn von § 4, S.<br />

11 seiner Anthropologie eine bemerkenswerte begriffliche Klarstellung zwischen Beobachten<br />

<strong>und</strong> Bemerken o<strong>der</strong> Wahrnehmen, die dem Steiner <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> alle Ehre gemacht<br />

hätte. Seinen Leser um einige Verwirrung ärmer, <strong>und</strong> manche abstruse Publikation aus<br />

<strong>der</strong> Anhängerschaft <strong>Steiners</strong> überflüssig. Kants Blick geht nämlich gleich als allererstes auf<br />

die Klärung von Beobachten <strong>und</strong> Bemerken: "Das Bemerken (animadvertere) ist noch nicht<br />

ein Beobachten (observare) seiner selbst. Das letztere ist eine methodische Zusammenstellung<br />

<strong>der</strong> an uns selbst gemachten Wahrnehmungen, welche den Stoff zum Tagebuch eines Beobachters<br />

seiner selbst abgiebt <strong>und</strong> leichtlich zu Schwärmerei <strong>und</strong> Wahnsinn hinführt."<br />

Einen solchen klar akzentuierten <strong>und</strong> eindeutig nachvollziehbaren Hinweis auf das Methodische<br />

<strong>der</strong> Beobachtung im Gegensatz <strong>zur</strong> Wahrnehmung wünscht man sich bei Steiner im dritten<br />

Kapitel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> vergeblich, wo <strong>der</strong> Schwerpunkt so sehr auf <strong>der</strong> Wesensgleichheit<br />

von Denken <strong>und</strong> Beobachten liegt, dass das Methodische zwar nicht fehlt, aber<br />

doch ziemlich darin <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Fülle seiner Argumentationszweige untergeht. Bei Kant wie<strong>der</strong>um<br />

fehlt <strong>der</strong> klare Sachhinweis darauf, dass das Methodische <strong>der</strong> Beobachtung natürlich<br />

eine vom Denken geleitete Veranstaltung ist, die - nicht nur "Stoff zu Tagebüchern" als einer<br />

blossen Datensammlung (er formuliert das nicht ganz so, <strong>und</strong> es fehlen dort einige wesentliche<br />

Etappen) abgibt - son<strong>der</strong>n <strong>zur</strong> Begriffsbildung führt, <strong>und</strong> damit <strong>zur</strong> Selbsterklärung bzw<br />

Selbstbeschreibung des Denkens auf <strong>der</strong> Basis konkreter Erfahrungen des Denkens, sofern<br />

das Denken Gegenstand dieser methodischen Veranstaltung ist. Was Steiner ja dort sagen will.<br />

Das heisst Kants methodisch zusammengestellte Tagebücher, wenn man einmal dabei bleiben<br />

will, können o<strong>der</strong> dürfen nicht nur eine grammatisch geordnete <strong>und</strong> strukturierte Zusammenstellung<br />

von blossen inneren Wahrnehmungen sein. Das ist wichtig. Damit wären sie nämlich<br />

ein reiner Erlebnisbericht. O<strong>der</strong>, um an die Schrift Erfahrung <strong>und</strong> Denken von <strong>Steiners</strong> geschätztem,<br />

<strong>und</strong> von Hartmut Traub gänzlich ignoriertem Zeitgenossen <strong>und</strong> Zuträger entscheiden<strong>der</strong><br />

Überlegungen, Johannes Volkelt, anzuknüpfen, versprachlichte <strong>und</strong> aufgeschriebene<br />

reine Erfahrungen. 52 Aber es reicht zum Zwecke <strong>der</strong> methodischen Beobachtung nicht aus,<br />

innere Wahrnehmungen o<strong>der</strong> reine Erfahrungen nur in einem grammatikalisch korrekten<br />

sprachlichen Zusammenhang in Form eines Erlebnisberichtes wie<strong>der</strong>zugeben. Den Strom des<br />

Bewusstseins quasi stenographisch festzuhalten. Karl Bühler hätte dazu gesagt: Derart versprachlichte<br />

innere Wahrnehmungen sind lediglich aufgeschriebene Erlebniskonstatierungen<br />

o<strong>der</strong> Erlebnisprotokolle. Und damit hätten sie keinen o<strong>der</strong> nicht viel Erkenntniswert, son<strong>der</strong>n<br />

eben den einer blossen, rohen Datensammlung. Vergleichsweise den eines Eisbohrkernes im<br />

unreflektierten <strong>und</strong> unanalysierten Rohzustand.<br />

Merijn Fagard hat in seinen diesbezüglichen Beiträgen auf meiner Webseite vorzüglich demonstriert,<br />

wo <strong>der</strong> Unterschied zwischen dieser Datensammlung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Beobachtung liegt.<br />

50<br />

Wilhelm Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaft, Erster Band, Leipzig 1883, Vorrede, S. XVII. Frei erhältlich<br />

bei Archive.org http://archive.org/stream/einleitungindie01diltgoog#page/n21/mode/2up<br />

51<br />

Carl Stumpf, Psychologie <strong>und</strong> Erkenntnistheorie, München 1892, S. 493.<br />

52<br />

Siehe Johannes Volkelt, Erfahrung <strong>und</strong> Denken, Hamburg <strong>und</strong> Leipzig, 1886, S. 53 ff<br />

Im Internet erreichbar unter:<br />

Erfahrung <strong>und</strong> Denken

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