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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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31<br />

Da fragt man sich natürlich, wo Kant eigentlich sein "Ich denke" hergenommen hat, das Zentrum<br />

seiner <strong>Philosophie</strong>, wie uns Hartmut Traub in seinem Buch (S. 47) versichert, wenn es<br />

nicht aus <strong>der</strong> inneren Beobachtung stammt? Daraus aber doch offenbar nicht, denn wie wäre<br />

das mit seinem Wissenschaftsanspruch <strong>und</strong> seinen Ausführungen <strong>zur</strong> Solidität <strong>und</strong> Vertrauenswürdigkeit<br />

<strong>der</strong> inneren Beobachtung zu vereinen? Sollte er es aber doch von dort, von <strong>der</strong> inneren<br />

Beobachtung genommen haben, dann staunt man nur noch über seine Verwegenheit,<br />

dies zum Zentrum seiner <strong>Philosophie</strong> zu erklären. Als glänzendes Resultat einer angeblich<br />

stockblinden Methode? - Ist es also logisch abgeleitet, aus Begriffen deduziert, o<strong>der</strong> empirisch<br />

beobachtet? Resultat einer rationalen o<strong>der</strong> einer empirischen Psychologie? 33 Wie man es<br />

auch dreht, überzeugend <strong>und</strong> realitätsnah wirkt das alles nicht.<br />

Kant stand <strong>der</strong> inneren Beobachtung zwar nicht völlig fremd <strong>und</strong> feindselig, aber doch mit erheblichem<br />

Unbehagen gegenüber, wie sich auch seinem Kapitel Von dem Beobachten seiner<br />

Selbst in <strong>der</strong> Schrift Anthropologie in pragmatischer Hinsicht entnehmen lässt. 34 Dort heisst<br />

es etwa im § 4, S. 14: "Die verschiedenen Acte <strong>der</strong> Vorstellungskraft in mir zu beobachten,<br />

wenn ich sie herbeirufe, ist des Nachdenkens wohl werth, für Logik <strong>und</strong> Metaphysik nöthig<br />

<strong>und</strong> nützlich ..." Ob er sie auch wirklich beobachtet hat geht daraus nicht hervor, <strong>und</strong> Einzelheiten<br />

dazu hört man dort sehr wenig. Stattdessen <strong>und</strong> frappieren<strong>der</strong>weise aber eingangs auf<br />

S. 11 den sofortigen Warnhinweis, dass das Beobachten seiner selbst, - Achtung, Gefahr für<br />

die innere Ordnung! - "leichtlich zu Schwärmerei <strong>und</strong> Wahnsinn hinführt." Ängstliche <strong>und</strong> instabile<br />

Naturen sollten diese Geschichte lieber lassen! Dieser reichlich hypochondrische<br />

Alarm gleich auf dem allerersten Meter, <strong>und</strong> sofort nach dem Start massiv auf die Bremse zu<br />

treten, bevor es überhaupt richtig los geht, zeigt ziemlich unmissverständlich an: so ganz geheuer<br />

schien ihm die Prozedur <strong>der</strong> inneren Beobachtung, auch zu Zwecken <strong>der</strong> Metaphysik<br />

<strong>und</strong> Logik, selbst nicht gewesen zu sein. Und so fühlt er sich genötigt, seinen Leser schon<br />

gleich zu Beginn auf drohende Gefahren für die seelische Ges<strong>und</strong>heit aufmerksam zu machen.<br />

Aus welchen Gründen auch immer, aber energisch anfassen mochte er die Sache augenscheinlich<br />

nicht, sonst wäre <strong>der</strong> thematische Einstieg wohl an<strong>der</strong>s ausgefallen. Ein Ausdruck grosser<br />

Begeisterung für die Methode <strong>der</strong> inneren Beobachtung kommt so ganz gewiss nicht daher.<br />

Eher doch die Absicht sie zu deklassieren. Und die Überzeugung, tunlichst die Finger davon<br />

zu lassen.<br />

Wer sich zwecks Kontrast <strong>und</strong> Vergleich einmal Gedanken zum selben Thema anschauen<br />

möchte, die von einer für ihren Gegenstand entflammten Persönlichkeit stammen, <strong>der</strong> werfe<br />

einen Blick in die Psychologie vom empirischen Standpunkt, <strong>der</strong>en ersten Band Franz Brentano<br />

1874 erscheinen liess. 35 Zwischen den Worten Kants <strong>und</strong> denen Brentanos liegen wahrlich<br />

in je<strong>der</strong> Beziehung Welten. Und ein Zeitabstand von gerade einmal r<strong>und</strong> fünf<strong>und</strong>siebzig Jahren.<br />

36 Es ist für das Verständnis von <strong>Steiners</strong> Wissenschaftsprojekt gut zu wissen, dass Steiner<br />

Brentano schon in jungen Jahren für sich entdeckt hatte, <strong>und</strong> dessen Werk mit grossem Interesse<br />

verfolgte. 37<br />

d) Erkenntnis als seelisches Ereignis <strong>und</strong> <strong>Steiners</strong> Kritik an Kant.<br />

33 Siehe dazu, Alfred Hegler, Die Psychologie in Kants Ethik, Freiburg 1891, S. 6 ff<br />

http://ia600400.us.archive.org/28/items/diepsychologiein00hegl/diepsychologiein00hegl.pdf<br />

34<br />

Siehe, Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, 2. Auflage, Königsberg 1800. Im Internet erreichbar<br />

unter:<br />

http://archive.org/details/anthropologiein02kantgoog<br />

35<br />

Siehe dazu etwa S. 24 ff <strong>und</strong> S. 34 ff.<br />

36<br />

Im Internet erreichbar unter:<br />

http://archive.org/details/psychologievome00brengoog<br />

37<br />

Siehe dazu <strong>Steiners</strong> Schrift Von Seelenrätseln, GA-21 <strong>und</strong> dort den etwa 50 seitigen Nachruf auf Brantano.

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