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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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30<br />

ner? - Die <strong>Freiheit</strong>sfrage auf dem von Steiner anvisierten Wege zu lösen wäre ihm niemals in<br />

den Sinn gekommen. So wenig, wie er in seiner Vernunftkritik darauf sinnt, sich mit wirklichen<br />

Denkakten als lebendigen <strong>und</strong> faktischen Gegebenheiten des menschlichen Bewusstseins<br />

auseinan<strong>der</strong>zusetzen.<br />

Vermutlich hätte er doch eher mit Alois Riehl entschieden darauf bestanden: "Da wir den Verstand<br />

selber nicht beobachten können, so müssen wir uns an die Form <strong>der</strong> Erkenntnisse, seiner<br />

Produkte, halten, wenn wir dasjenige ermitteln wollen, was ursprünglich dem denkenden<br />

Bewusstsein entstammt. Auch handelt es sich nicht um die Entstehung, son<strong>der</strong>n um die Bedeutung<br />

o<strong>der</strong> Funktion <strong>der</strong> in Rede stehenden Begriffe, <strong>und</strong> wir können die Grenzen <strong>der</strong> Gültigkeit<br />

<strong>der</strong> Erkenntnisformen nur aus <strong>der</strong> allgemeinen Bedeutung <strong>der</strong> Urteile ermessen." 31 Das<br />

aktive denkende Bewusstsein ist erschlossen anhand einer Untersuchung <strong>der</strong> Produkte einer<br />

hypothetisch vorausgesetzten Verstandestätigkeit - wie immer die im übrigen aussehen mag.<br />

Wir wissen es ja nicht <strong>und</strong> kennen nur ihre Produkte. So ähnlich hat sich auch Eduard von<br />

Hartmann damals geäussert, <strong>und</strong> nicht nur er. Die aktive Verstandestätigkeit selbst liegt weit<br />

jenseits unserer Beobachtungsmöglichkeiten. Ist eine black box, <strong>der</strong> man rückschliessend Eigenschaften<br />

zuschreibt, die aus ihren Produkten stammen, weil diese logisch Anlass dazu geben.<br />

O<strong>der</strong> wie es Kant in den Metaphysischen Anfangsgründen <strong>der</strong> Naturwissenschaft (S. 7)<br />

selbst formuliert: "Noch weiter aber, als selbst Chemie, muss empirische Seelenlehre je<strong>der</strong>zeit<br />

von dem Range einer eigentlich so zu nennenden Naturwissenschaft entfernt bleiben, erstlich,<br />

weil Mathematik auf die Phänomene des inneren Sinnes <strong>und</strong> ihre Gesetze nicht anwendbar<br />

ist, [...] Aber auch nicht einmal als systematische Zerglie<strong>der</strong>ungskunst o<strong>der</strong> Experimentallehre<br />

kann sie <strong>der</strong> Chemie jemals nahe kommen, weil sich in ihr das Mannigfaltige<br />

<strong>der</strong> inneren Beobachtung nur durch blosse Gedankentheilung von einan<strong>der</strong> abson<strong>der</strong>n, nicht<br />

aber abgeson<strong>der</strong>t aufbehalten <strong>und</strong> beliebig wie<strong>der</strong>um verknüpfen, noch weniger aber ein an<strong>der</strong>es<br />

denkendes Subject sich unseren Versuchen, <strong>der</strong> Absicht angemessen, von uns unterwerfen<br />

lässt, <strong>und</strong> selbst die Beobachtung an sich schon den Zustand des beobachteten Gegenstandes<br />

alterirt <strong>und</strong> verstellt. Sie kann daher niemals etwas mehr als eine historische,<br />

<strong>und</strong>, als solche, so viel möglich systematische Naturlehre des inneren Sinnes, d. i. eine Na ­<br />

turbeschreibung <strong>der</strong> Seele, aber nicht Seelenwissenschaft, ja nicht einmal psychologische<br />

Experimentallehre werden; ..." 32<br />

In Kants Wissenschaftsverständnis passte eine innere, wissenschaftliche Beobachtung, <strong>der</strong> des<br />

aktiven Denkens <strong>und</strong> Erkennens zumal, einfach nicht hinein. Er versucht den Seelenerscheinungen<br />

ein den Naturwissenschaften, speziell <strong>der</strong> Physik entlehntes Methodenverständnis aufzupressen,<br />

merkt, dass dies nicht klappt, <strong>und</strong> verurteilt sie deshalb in Bausch <strong>und</strong> Bogen. Anstatt<br />

diese Beobachtung zum Anlass <strong>der</strong> Frage zu nehmen, ob die Methode <strong>der</strong> Naturwissenschaft<br />

den seelischen Erscheinungen überhaupt zuträglich ist <strong>und</strong> ihnen gerecht werden kann.<br />

Das heisst, nach methodischen Alternativen zu suchen. Dass hierbei neben seinem philosophischen<br />

Erkenntnisverständnis auch spezifische, teils ältere zeitgenössische Anschauungen <strong>und</strong><br />

Vorwegannahmen über die Natur <strong>der</strong> seelischen Phänomene massgeblich beteiligt waren,<br />

möge <strong>der</strong> Leser <strong>der</strong> oben angemerkten Literatur über Kants Beziehung <strong>zur</strong> Psychologie entnehmen.<br />

Dies alles in Kombination führte jedenfalls zu einer ausgesprochen negativen Bewertung<br />

<strong>der</strong> Methode <strong>der</strong> seelischen Beobachtung. Wenn es also um den wissenschaftlichen<br />

Anspruch <strong>der</strong> Chemie in Kants Augen schon reichlich schlecht bestellt war, dann um den <strong>der</strong><br />

inneren, seelischen Beobachtung geradezu grottenschlecht. Weit entfernt von je<strong>der</strong> seriösen<br />

Aussagefähigkeit.<br />

31<br />

Alois Riehl, Der philosophische Kritizismus, Geschichte <strong>und</strong> System, Bd 1, Geschichte des philosophischen<br />

Kritizismus, Leipzig 1908, S. 491<br />

32<br />

Siehe dazu Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe <strong>der</strong> Naturwissenschaft, Vorrede, S. 7.<br />

Im Internet frei zugänglich unter:<br />

http://archive.org/details/metaphysischeanf00kantuoft

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