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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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29<br />

Steiner ist weit entfernt davon einen denktheoretischen Apriorismus zu pflegen wie Kant <strong>und</strong><br />

sich lediglich irgend etwas aus vorhandenen Gedanken scharfsinnig zu erschliessen, was hypothetisch<br />

darauf hindeutet, wo sie vielleicht herkommen. Von Psychologie o<strong>der</strong> seelischer<br />

Beobachtung findet sich auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite in Kants Vernunftkritik, Kants eigenem Selbstverständnis<br />

nach, nicht o<strong>der</strong> kaum eine Spur. Er operiert auf logischem Boden, nicht auf psychologischem.<br />

Die Psychologie des Denkens <strong>und</strong> die Untersuchung wirklicher Denkakte begann<br />

sich hingegen in ernst zu nehmen<strong>der</strong> Form erst im ausgehenden neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

mit einiger Mühe zu etablieren. Den Versuchen Wilhelm Diltheys, <strong>der</strong> in mancher Beziehung<br />

Steiner philosophisch <strong>und</strong> methodisch nahe stand, 28 in Kants epochalen kritischen Untersuchungen<br />

des menschlichen Vernunftvermögens irgend ein psychologisches Moment zu<br />

entdecken o<strong>der</strong> ihnen beizumengen, wurde bezeichnen<strong>der</strong>weise zu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

denn auch mit einigen guten Gründen energisch wi<strong>der</strong>sprochen. 29<br />

Das mögen Debatten <strong>der</strong> Vergangenheit sein <strong>und</strong> in manchen Details vielleicht nicht<br />

mehr hochaktuell, auf jeden Fall aber exemplarische. Und es demonstriert, dass Kant mit Psychologie<br />

<strong>und</strong> empirischer Beobachtung tatsächlicher Denkbewegungen in seiner Vernunftkritik<br />

nicht viel im Sinn hatte. 30 Er selbst äussert sich ziemlich eindeutig <strong>und</strong> ablehnend in ähnlicher<br />

Hinsicht gegenüber <strong>der</strong> inneren Beobachtung. (siehe unten) Deswegen: nicht im Traum<br />

wohl hätte Kant daran gedacht Willensvorgänge im Denken - Denkakte - einer empirischen<br />

Beobachtung, womöglich in einem psychologischen Laboratorium wie später in Oswald Külpes<br />

Schule <strong>der</strong> Denkpsychologie zu unterziehen, <strong>und</strong> die <strong>der</strong>gestalt erhaltenen Resultate etwa<br />

gar in die Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>swo in eine Handlungstheorie des Denkens<br />

einfliessen zu lassen. Und empirisch gar nach dem Ursprung des Denkens suchen wie Stei­<br />

28<br />

Man vergleiche, was Rudolf Steiner in <strong>der</strong> Schrift Die Rätsel <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, S. 567 ff über Dilthey schreibt.<br />

S. 206 in <strong>der</strong> im Internet erhältlichen Ausgabe von 1914. Siehe<br />

http://archive.org/stream/diertsel<strong>der</strong>phi00steiuoft#page/206/mode/2up<br />

29<br />

Diltheys Ansatz, einige Gr<strong>und</strong>begriffe Kants psychologisch zu nehmen, seine Auffassung zum Beispiel, Kants<br />

Spontaneität des Verstandes sei mit dem Willen identisch: weist Hugo Krakauer in einer seinerzeit erschienenen,<br />

lesenswerten Dissertation entschieden <strong>zur</strong>ück. Mit Windelband hält er Dilthey entgegen, dass es sich bei Kant<br />

nicht um die Untersuchung <strong>der</strong> denkenden Tätigkeiten individueller Menschen handele, son<strong>der</strong>n es gehe um Vernunftfunktionen.<br />

Und Kant komme auch nicht, wie Dilthey meint, durch psychologische Selbstbesinnung "zum<br />

Resultat <strong>der</strong> transzendentalen Aesthetik, denn er untersucht nicht die als das Vermögen des<br />

Subjektes, Vorstellungen zu empfangen, son<strong>der</strong>n die Begriffe Raum <strong>und</strong> Zeit, nicht Verstand <strong>und</strong> Vernunft als<br />

Fähigkeiten des Geistes, son<strong>der</strong>n die logischen Einheitsbegriffe in den Urteilen." Siehe, Hugo Krakauer, Diltheys<br />

Stellung <strong>zur</strong> theoretischen <strong>Philosophie</strong> Kants, Breslau 1913, S. 36 f.<br />

Quellenangaben <strong>und</strong> weitere Literatur ebd. Frei erhältlich unter:<br />

http://archive.org/details/diltheysstellung00krak<br />

30<br />

Zum Verhältnis Kants <strong>zur</strong> Psychologie siehe untenstehende Auswahl zeitgenössischer <strong>Studien</strong> <strong>der</strong> Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />

19./20. Jh:<br />

Arthur Apitzsch, Die psychologischen Voraussetzungen <strong>der</strong> Erkenntniskritik Kants dargestellt <strong>und</strong> auf<br />

ihre Abhängigkeit von <strong>der</strong> Psychologie C. Wolfs <strong>und</strong> Tetens' geprüft, nebst allgemeinen Erörterungen über Kants<br />

Ansicht von <strong>der</strong> Psychologie als Wissenschaft. Halle, a.S. 1897<br />

http://ia700306.us.archive.org/35/items/diepsychologisch00apit/diepsychologisch00apit.pdf<br />

Kurt Burchardt, Kants Psychologie im Verhältnis <strong>zur</strong> transzendentalen Methode, Berlin 1911<br />

http://archive.org/details/kantspsychologie00burc<br />

Luise Cramer, Kants rationale Psychologie <strong>und</strong> ihre Vorgänger, Leipzig 1914<br />

http://archive.org/details/kantsrationaleps00cramuoft<br />

Alfred Hegler, Die Psychologie in Kants Ethik, Freiburg 1891<br />

http://ia600400.us.archive.org/28/items/diepsychologiein00hegl/diepsychologiein00hegl.pdf

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