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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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27<br />

gung <strong>der</strong> Seele" mit <strong>der</strong> weitergehenden Intention die Natur in uns wie<strong>der</strong>zufinden. Folglich<br />

richtet sich die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> im Rahmen ihres freitsphilosophischen Anliegens primär<br />

auf eben jenes, was die Natur vollbringt, "wenn sie ihre Wesen <strong>und</strong> Gestaltungen hervorbringt".<br />

Das alles innerhalb des menschlichen Seelenlebens, nicht draussen in <strong>der</strong> Natur wie<br />

bei Goethe. Darin liegt bei aller inneren Verwandtschaft zu Goethe eine f<strong>und</strong>amentale Differenz<br />

zu ihm: "Wir können die Natur außer uns nur finden, wenn wir sie in uns erst kennen."<br />

(<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, Kap II, S. 34) - Das hätte Goethe in <strong>Steiners</strong> Augen so nicht gesehen<br />

o<strong>der</strong> sehen können. (Siehe unten)<br />

Der Frage nach dem Ursprung des Denkens ordnet sich erklärtermassen <strong>der</strong> gesamte gedankliche<br />

Verlauf <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> unter. Das ist <strong>Steiners</strong> zentrales Anliegen, <strong>und</strong> entsprechend<br />

unterstreicht er das ausdrücklich noch einmal am Ende von Kapitel I., S. 25: "Wir<br />

mögen die Sache anfassen wie wir wollen: immer klarer muß es werden, daß die Frage nach<br />

dem Wesen des menschlichen Handelns die an<strong>der</strong>e voraussetzt nach dem Ursprunge des Denkens."<br />

Damit aber zielt er bei Lichte besehen <strong>und</strong> wenn man die Angelegenheit unvoreingenommen<br />

beurteilt, programmatisch in die später so genannte Geisteswissenschaft - dies 1894<br />

schon in Kapitel II., S. 21. Öffentlich <strong>und</strong> eingehend dargestellt wird die konkrete methodische<br />

Einlösung dieses Programms freilich erst später in <strong>Steiners</strong> Geistesforschung. Dass dieser<br />

sachliche Zusammenhang zwischen <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Steiners</strong> Geistesforschung<br />

in <strong>der</strong> Tat besteht, haben wir bereits mehrfach erwähnt. Auch in dem weiter oben genannten<br />

Aufsatz Die Erkenntnis vom Zustand zwischen dem Tode <strong>und</strong> einer neuen Geburt von<br />

1916 weist Steiner darauf hin mit den Worten: "Der Weg in die geistige Welt wird also <strong>zur</strong>ückgelegt<br />

durch die Bloßlegung dessen, was im Denken <strong>und</strong> im Wollen enthalten ist." 25<br />

Letzten Endes ist das die Fortführung dessen, was in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> allgemein<br />

veranlagt ist. Es empfiehlt sich sehr, den genannten Aufsatz darauf hin einmal anzusehen.<br />

Mit <strong>der</strong> freiheitsphilosophischen Leitfrage nach dem Ursprung des Denkens - man muss sie<br />

nur ernst genug nehmen <strong>und</strong> unterstellen, dass Steiner dies auch tat - formuliert Steiner bei<br />

nüchterner Betrachtung in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> ein gewaltiges, umfangreiches Wissenschafts-<br />

<strong>und</strong> Forschungsprogramm mit zahllosen inhaltlichen <strong>und</strong> methodischen Detailfragen,<br />

die abzuarbeiten sind. An<strong>der</strong>s gesagt - sein eigentliches anthroposophisch-geisteswissenschaftliches<br />

Forschungsprogramm. Zumindest den Gr<strong>und</strong>stock dieses Mammutprojektes.<br />

Ein Programm, das dem Zeitgeist zwar nicht gänzlich wi<strong>der</strong>sprach - siehe etwa Johannes Volkelt,<br />

siehe auch Wilhelm Dilthey, siehe Eduard von Hartmann, <strong>und</strong> siehe auch Karl Bühler<br />

<strong>und</strong> Oswald Külpe - ihm darin aber auch nicht unbedingt entgegenkam, <strong>und</strong> auf energischen<br />

Wi<strong>der</strong>stand zu rechnen hatte. Exemplarisch steht dafür Kants Vorrede zu den Metaphysischen<br />

Anfangsgründen <strong>der</strong> Naturwissenschaft. Kants Einschätzung hatte sich in mancherlei Hinsicht<br />

zwar stark überlebt, weil die Wissenschaftsentwicklung nicht ganz so <strong>zur</strong>ückhaltend verlief,<br />

wie er sich das darin vorstellte. In Fragen <strong>der</strong> seelischen Beobachtung allerdings, <strong>der</strong> empirischen<br />

Wissenschaft von <strong>der</strong> (denkenden) Seele, lag er mit seiner pessimistischen Prognose<br />

nicht ganz so gründlich daneben wie im Fall <strong>der</strong> Chemie. 26 Vollkommen abenteuerlich wäre<br />

es infolgedessen, zu erwarten, dass die von Steiner 1894 programmatisch erhobene Frage<br />

nach dem Ursprung des Denkens in einer einzigen 330 Seiten starken freiheitsphilosophischen<br />

Gr<strong>und</strong>schrift abgehandelt <strong>und</strong> abgearbeitet werden könnte - <strong>und</strong> wäre sie noch weit umfangreicher.<br />

Nur ein ahnungsloser geistiger Desperado <strong>und</strong> Glücksritter könnte dies glauben <strong>und</strong><br />

behaupten. Ein ernsthafter Philosoph, <strong>der</strong> selbst auch ernst genommen werden möchte <strong>und</strong><br />

mit den philosophischen Problemstellungen <strong>und</strong> den Forschungsusancen seiner Zeit einigermassen<br />

vertraut ist, wohl auch noch akademische Berufspläne hegt wie <strong>der</strong> Steiner um 1894,<br />

25<br />

Siehe <strong>Steiners</strong> Aufsatz von 1916, Die Erkenntnis vom Zustand zwischen dem Tode <strong>und</strong> einer neuen Geburt, in<br />

GA-35, Dornach 1984, S. 283.<br />

26<br />

Siehe Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe <strong>der</strong> Naturwissenschaft, herausgegeben von Alois Höfler,<br />

Leipzig 1900,Vorrede. Im Internet frei zugänglich unter:<br />

http://archive.org/details/metaphysischeanf00kantuoft

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