Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...
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plarischer mo<strong>der</strong>ner Repräsentant dort Goethe genannt wird. Sie lässt sich auch problemlos<br />
schon aus den Gr<strong>und</strong>linien ... von 1886 ablesen, allerdings an<strong>der</strong>s formuliert <strong>und</strong> entwickelt<br />
als in den beiden übrigen Schriften. Und vor allem auch Goethes Verständnis vom Erkennen<br />
als einem geistigen (Natur) Geschehen, das nach demselben Muster verläuft wie die geistigschöpferischen<br />
Bildevorgänge <strong>der</strong> Natur (siehe oben), greift Steiner in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Freiheit</strong> auf. Für die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> sind das ganz richtungweisende Gedanken.<br />
Es ist also keineswegs so, wie Hartmut Traub auf S. 211 seines Buches anlässlich <strong>der</strong> Emanzipation<br />
<strong>Steiners</strong> von Goethe vermerkt: "Und tatsächlich wird Goethe dann in <strong>der</strong> angekündigten<br />
<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> wenn auch nicht völlig ausgeblendet, so doch überhaupt nur<br />
zweimal, <strong>und</strong> das an nicht unbedingt zentralen Stellen <strong>der</strong> Arbeit, erwähnt." 23 So urteilen kann<br />
man wohl nur, wenn man vorrangig <strong>und</strong> vor<strong>der</strong>gründig an <strong>der</strong> Oberfläche <strong>und</strong> an Namen haftet.<br />
Explizit erwähnt wird Goethe dort vielleicht nicht so oft, seine Gedanken leben aber in <strong>der</strong><br />
Schrift aus guten Gründen in höchster Virulenz weiter. Und es ist eine Sache, Überzeugungen<br />
Goethes zu teilen, <strong>und</strong> eine an<strong>der</strong>e sie zu begründen <strong>und</strong> für ein spezifisches Forschungsfeld<br />
wissenschaftlich fruchtbar zu machen, das Goethe nach <strong>Steiners</strong> Auffassung so gut wie nie<br />
beackert hat, wie wir unten sehen werden, nämlich das <strong>der</strong> Beobachtung des Denkens <strong>und</strong> die<br />
<strong>Freiheit</strong>sphilosophie - im Prinzip beides auch aus den Gr<strong>und</strong>linien ... schon bestens bekannt.<br />
Wer sich vornehmlich an Sachfragen orientiert <strong>und</strong> die Verhältnisse einigermassen kennt, <strong>der</strong><br />
hat alle Veranlassung <strong>Steiners</strong> eigener Einschätzung oben aus <strong>der</strong> Schrift Von Seelenrätseln zu<br />
folgen, die wesentlich zutreffen<strong>der</strong> ist <strong>und</strong> den Realitäten weit mehr gerecht wird als Hartmut<br />
Traub. Und tatsächlich sind die Kernfragen aus den früheren an Goethe orientierten Schriften<br />
<strong>und</strong> Veröffentlichungen <strong>Steiners</strong> ganz dieselben geblieben, wie es aus <strong>Steiners</strong> persönlichen<br />
Worten hervorgeht. Ausgeblendet werden sie sachlich in keiner Weise. Literarisch <strong>und</strong> philosophisch<br />
sind sie in mancher Hinsicht allerdings an<strong>der</strong>s eingekleidet - vielleicht sogar bis <strong>zur</strong><br />
scheinbaren Unsichtbarkeit.<br />
Neu indessen ist <strong>Steiners</strong> Versuch einer wissenschaftlichen Fruchtbarmachung Goethescher<br />
Ideen anhand mo<strong>der</strong>nerer Gedankengänge <strong>der</strong> Steinerzeit wahrhaftig nicht. Bei flüchtigem<br />
Hinsehen hatte schon in den Gr<strong>und</strong>linien einer Erkenntnistheorie <strong>der</strong> Goetheschen Weltanschauung<br />
von 1886 ein Johannes Volkelt mit seiner reinen Erfahrung mit Goethe nicht viel zu<br />
tun, ein Richard Wahle auch nicht, <strong>und</strong> ebenso wenig ein Wilhelm W<strong>und</strong>t. Bisweilen fragten<br />
sich selbst gut informierte Anthroposophen schon öffentlich, wo da eigentlich <strong>der</strong> Bezug zu<br />
Goethe liege. Aber es demonstriert letztlich doch nur, dass es Steiner in diesen Schriften nie<br />
darauf ankam philologische Beiträge <strong>zur</strong> Goetheforschung zu liefern, son<strong>der</strong>n wissenschaftliche<br />
Gr<strong>und</strong>ideen <strong>der</strong> Goetheschen Weltanschauung, die er seinem eigenen Selbstverständnis<br />
nach für tragfähig <strong>und</strong> zukunftsweisend hielt, mit mo<strong>der</strong>neren Mitteln seinen eigenen Erkenntniszielen<br />
<strong>und</strong> dem Weltverständnis dienstbar zu machen. Allen voran das forschende Interesse<br />
Goethes an einer Welt, "die den Sinnen unzugänglich ist". Und das zieht sich hin von<br />
den Gr<strong>und</strong>linien ... <strong>und</strong> den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften über<br />
die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> bis zu den Rätseln <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> mit ihrem Skizzenhaften Ausblick<br />
<strong>und</strong> darüber hinaus. Dass er bei all dem Goethe irgendwo ausgeblendet habe, kann man<br />
bei aller Emanzipation wahrlich nicht behaupten. We<strong>der</strong> implizit noch explizit. Dies alles<br />
scheint Hartmut Traub nicht zu bemerken, <strong>der</strong> sich, - ich bitte um Verzeihung, doch man<br />
möchte manchmal meinen: emsig wie ein Maulwurf, aber auch ebenso blind für <strong>Steiners</strong> Intentionen<br />
- durch <strong>Steiners</strong> Texte gräbt, <strong>und</strong> kaum eine Wahrnehmung für dessen eigentliches<br />
Kernanliegen hat.<br />
b) Die Frage nach dem Ursprung des Denkens: <strong>Freiheit</strong>sphilosophische Kernfrage <strong>und</strong><br />
geisteswissenschaftlicher Programmentwurf <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
23<br />
Hartmut Traub, <strong>Philosophie</strong> <strong>und</strong> Anthroposophie, Stuttgart 2011, S. 211.