Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...
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Für den Philosophen (auch wenn er gelegentlich anthroposophisch orientiert ist) muss dabei<br />
häufig problematisch erscheinen, was Steiner im Skizzenhaften Ausblick <strong>und</strong> an den einschlägigen<br />
an<strong>der</strong>en methodenorientierten Stellen seines Werkes als Gedankenübungen vorstellt,<br />
denn die haben offensichtlich <strong>und</strong> auf den ersten Blick mit einem philosophischen, streng logischen<br />
Denken nicht immer viel zu tun. Das ist auch nicht ihre primäre Aufgabe. Verständlicher<br />
könnte dies werden, wenn man sich mit Blick auf Goethe, den Skizzenhaften Ausblick<br />
<strong>und</strong> den Methodenteil etwa <strong>der</strong> Geheimwissenschaft im Umriss vor Augen führt, worin eigentlich<br />
<strong>der</strong> Sinn <strong>und</strong> die Zielsetzung des Ganzen liegt - nämlich zunächst einmal das geistig<br />
Schöpferische - eben die bildenden <strong>Kräfte</strong>, o<strong>der</strong> in Anlehnung an die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
(Kap I): den produktiven Ursprung des Denkens - <strong>und</strong> weniger das typisch menschlich Logische<br />
daran, das ja ein nachgeordnetes Resultat <strong>der</strong> schöpferischen Bildekräfte ist, in den<br />
Blick zu bekommen. Darin besteht die erste (imaginative) Stufe dessen, was Steiner die höhere<br />
Erkenntnis nennt. Insofern ist es nicht überraschend, wenn Steiner methodisch-meditativ<br />
zunächst vor allem den produktiven, den Tätigkeitsaspekt am Denken ins Auge fasst. O<strong>der</strong> etwas<br />
weiter formuliert: Ins Auge fasst, wie das menschlich Logische aus seinem produktiven<br />
geistigen Quellpunkt hevorgeht. 20 Die Tatsache, dass Steiner den Skizzenhaften Ausblick ex<br />
20<br />
Man beachte zu diesem Punkt zwei bezeichnende Beispiele, die darüber Auskunft geben, wo Steiner die Grenzen<br />
<strong>der</strong> Selbsterhellung des gewöhnlichen philosophisch-logischen Denkens ansiedelt, <strong>und</strong> wie er sie zu überwinden<br />
gedenkt. Eines aus <strong>Steiners</strong> Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft (S. 63) mit dem markanten Spicker-Zitat aus dessen<br />
Lessings Weltanschauung: "Mit Recht sagt daher Gideon Spicker in seinem Buche: «Lessings Weltanschauung»<br />
(S.5): «Dass das Denken an sich richtig sei, können wir nie erfahren, we<strong>der</strong> empirisch, noch logisch.»<br />
Wir können hinzufügen: Beim Denken hört alles Beweisen auf. Denn <strong>der</strong> Beweis setzt bereits<br />
das Denken voraus." Worauf Steiner hier schon aufmerksam macht, ist das menschliche Unvermögen, über die<br />
Grenzen des gewöhnlichen Denkens mit dem gebräuchlichen logischen Denken hinauszukommen, da jedes Denken<br />
an <strong>der</strong> Notwendigkeit des Denkens hängt, <strong>und</strong> sich folglich im Kreise dreht, wenn es nur mit logischen Mitteln<br />
darüber hinaus will. Denn es kann sich als logisches Denken nur innerhalb dieser Denknotwendigkeiten bewegen.<br />
Und dieses Problem bringt Spicker literarisch auf den Punkt. Konsequenterweise zielt Steiner daher<br />
später - programmatisch auch in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> schon - in die genetische Richtung mit <strong>der</strong> Frage:<br />
Wo eigentlich liegt <strong>der</strong> bildende Ursprung des Denkens, <strong>und</strong> wie ist er <strong>der</strong> Erfahrung zugänglich zu machen?<br />
Dies ist für Steiner die einzig mögliche Form <strong>der</strong> qualitativen Selbsttranszendenz des gewöhnlichen Denkens,<br />
auf den er in <strong>der</strong> Schrift Von Seelenrätseln hindeutet (siehe unten).<br />
Zum Vergleich <strong>und</strong> <strong>zur</strong> Demonstration dazu ein an<strong>der</strong>es Zitat, ebenfalls von Gideon Spicker aus dessen,<br />
Am Wendepunkt <strong>der</strong> christlichen Weltperiode, Stuttgart 1910, <strong>und</strong> <strong>Steiners</strong> entsprechende Bemerkungen dazu in<br />
GA-21, S. 137 f: "Gideon Spicker, <strong>der</strong> außer einer Reihe scharfsinniger Schriften auch (1910) das «Philosophische<br />
Bekenntnis eines ehemaligen Kapuziners» geschrieben hat, weist mit Worten, die wahrlich eindringlich genug<br />
sind, auf einen <strong>der</strong> Grenzpunkte des gewöhnlichen Erkennens hin (siehe Seite 30 dieses Bekenntnisses) [Gideon<br />
Spicker, Am Wendepunkt <strong>der</strong> christlichen Weltperiode, Stuttgart 1910, Nachdruck des Georg Olms Verlages,<br />
Hildesheim 1998, S. 22 f, MM]: «Zu welcher <strong>Philosophie</strong> man sich bekenne: ob <strong>zur</strong> dogmatischen o<strong>der</strong><br />
skeptischen, empirischen o<strong>der</strong> transzendentalen, kritischen o<strong>der</strong> eklektischen: alle ohne Ausnahme gehen von einem<br />
unbewiesenen <strong>und</strong> unbeweisbaren Satz aus, nämlich von <strong>der</strong> Notwendigkeit des Denkens. Hinter diese Notwendigkeit<br />
kommt keine Untersuchung, so tief sie auch schürfen mag, jemals <strong>zur</strong>ück. Sie muß unbedingt angenommen<br />
werden <strong>und</strong> läßt sich durch nichts begründen; je<strong>der</strong> Versuch, ihre Richtigkeit beweisen zu wollen, setzt<br />
sie immer schon voraus. Unter ihr gähnt ein bodenloser Abgr<strong>und</strong>, eine schauerliche, von keinem Lichtstrahl erhellte<br />
Finsternis. Wir wissen also nicht, woher sie kommt, noch auch wohin sie führt. Ob ein gnädiger Gott o<strong>der</strong><br />
ein böser Dämon sie in die Vernunft gelegt, beides ist ungewiß.» Also auch die Betrachtung des Denkens selbst<br />
führt den Denker an einen Grenzort des gewöhnlichen Erkennens. Anthroposophie setzt mit ihrem Erkennen an<br />
dem Grenzorte ein; sie weiß, vor <strong>der</strong> Kunst des verstandesmäßigen Denkens steht die Notwendigkeit wie eine<br />
<strong>und</strong>urchdringliche Wand. Für das erlebte Denken schwindet die Undurchdringlichkeit <strong>der</strong> Wand; dieses erlebte<br />
Denken findet ein Licht, um die «von keinem Lichtstrahl» des nur verstandmäßigen Denkens «erhellte Finsternis»<br />
schauend zu erhellen; <strong>und</strong> <strong>der</strong> «bodenlose Abgr<strong>und</strong>» ist ein solcher nur für das Reich des Sinnenseins; wer<br />
an diesem Abgr<strong>und</strong> nicht stehen bleibt, son<strong>der</strong>n das Wagnis unternimmt, mit dem Denken auch dann weiter zu<br />
schreiten, wenn dieses ablegen muß, was ihm die Sinneswelt eingefügt hat, <strong>der</strong> findet in «dem bodenlosen Abgr<strong>und</strong>»<br />
die geistige Wirklichkeit."<br />
In beiden Fällen geht es um die Notwendigkeit des Denkens. Dass Steiner als Gewährsmann in dieser<br />
Frage Gideon Spicker anführt, hat seinen guten Gr<strong>und</strong> darin, dass Spicker sich dieser Frage sehr eingehend gewidmet<br />
hat. Man verwechsele nur nicht wie Hartmut Traub auf S. 100 von <strong>Philosophie</strong> <strong>und</strong> Anthroposophie die