Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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20 zipiell im dort gezeichneten Rahmen. Zum Schluss schliesslich spannt er noch einmal den Bogen von den Griechen (Wahrnehmen der Idee in der Aussenwelt wie ein Bild) bis zu den philosophischen Forderungen eines Gegenwärtigen und Künftigen, nämlich das Naturbild mit dem menschlichen Selbstbewusstsein wieder zu vereinen, so dass der Mensch sich mit seinem Selbstbewusstsein auch im Naturbild wiederfinden kann: "Die griechische Idee ist mit dem Bilde verwandt; sie wird betrachtet wie das Bild. Die Idee der neueren Zeit muß mit dem Leben, dem Lebewesen selbst verwandt sein; sie wird erlebt." Dabei stellt die von Steiner geforderte und mit dem Leben verwandte Idee der neueren Zeit in seiner kurzen Goetheinterpretation eine Brücke dar zwischen dem menschlichen Selbstbewusstsein und der Natur. Diese ihre Brückenfunktion macht Steiner bei Goethe deutlich, wenn er in dem Passus von einem erlebten Reich spricht, "das sich selbst sowohl als auch der Außenwelt angehörig erweist, weil seine Gebilde sich als Abbilder der schöpferischen Mächte bezeugen." Das erlebte Ideenreich Goethes und seine ideellen Gebilde sind nichts subjektiv Ausgedachtes, sondern ein Reich, das sich selbst und der Aussenwelt angehört, "weil seine Gebilde sich als Abbilder der schöpferischen Mächte bezeugen." Man könnte in Anlehnung an die philosophische Sprache Kants sagen: weil sie sich als Abbilder der schöpferischen Bildekräfte bezeugen. Sie sind objektive Abbilder dieser Bildekräfte oder der schöpferischen Naturmächte. Allerdings nicht die Bildekräfte bzw schöpferischen Naturmächte selbst, sondern eben Abbilder davon. Gleichwohl objektiv und keinesfalls illusionäre Begriffserzeugnisse der menschlichen Seele. Und insofern in diesem oder wegen ihrem Abbildcharakter eben auch ein sich selbst angehöriges, nicht subjektives Brückenreich, das etwa nur der menschlichen Seele angehört. Nicht vom Subjekt geschaffen, sondern nur zur Erscheinung gebracht wie vergleichsweise eine mathematische Idee, freilich sich im Unterschied dazu auf lebendige Wesen beziehend. Was durch die Goetheschen Worte unterstrichen wird, dass sie "nicht etwa malerische oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben." In diesem ihrem objektiven Abbild und Aussenweltcharakter liegt die Brücke zur Aussenwelt. Oder, was ja im Zentrum der Steinerschen Gedankenbewegung steht - zur Natur. Das Geistige der Natur wird im Erleben objektiver ideeller Abbilder der schöpferischen Mächte zum menschlichen Innenerlebnis - und über diese Brücke das Innenleben des Menschen mit dem schöpferischen Wesen der Natur wieder verbunden. Entsprechend fasst Steiner zusammen: "Goethe hat eine Vorstellung entwickelt, durch welche das selbstbewußte Ich sich belebt erfühlen kann, weil es sich mit den schaffenden Naturwesenheiten eins fühlt." Ich möchte an dieser Stelle besonders darauf aufmerksam machen, dass Steiner im obigen Passus von Abbildern der schöpferischen Mächte spricht. Das ist für das Verständnis nicht unerheblich, denn in diesem Punkt gibt es eine klare, von Steiner andernorts auch benannte methodische Differenz zwischen ihm und Goethe, insofern, als Steiner sich nicht nur den Abbildern der schöpferischen Mächte zuwendet, sondern diesen schöpferischen Mächten unmittelbar selbst (siehe weiter unten). Dass, und wie das zu geschehen hat erläutert er überblicksartig im Schlusskapitel von GA-18, im Skizzenhaften Ausblick. Wobei ferner darauf hinzuweisen ist: dies in betonter Anbindung an seine Grundschriften Wahrheit und Wissenschaft und Philosophie der Freiheit. Ein Nexus, der im Skizzenhaften Ausblick den Ausführungen zur Methode und ihren geisteswissenschaftlichen Resultaten auf Seite 599 ff vorangestellt wird. Womit ich sagen möchte: es gibt für Steiner eine direkte sachliche Beziehung zwischen diesen Grundschriften und den methodischen Darstellungen im Skizzenhaften Ausblick. Davon weiter unten. Und um das hier etwas anzubahnen, ferner um die Besprechung von Steiners obigem Resumee abzuschliessen, und übergangsweise als weitere Verständnishilfe dazu, eine längere Bemerkung Steiners aus der Schrift Goethes Weltanschauung (GA-6), die auch Steiners methodisches Vorgehen ein wenig erhellen könnte. Dort heisst es (S. 53 f): "Goethe konnte sich

21 dem reinen erfahrungsfreien Denken nicht hingeben, weil er es nicht zu trennen vermochte von der Gesamtheit des Wirklichen. Er wollte nicht einen Gedanken bloß logisch an den andern angliedern. Vielmehr erschien ihm eine solche Gedankentätigkeit von der wahren Wirklichkeit abzulenken. Er mußte den Geist in die Erfahrung versenken, um zu den Ideen zu kommen. Die Wechselwirkung von Idee und Wahrnehmung war ihm ein geistiges Atemholen. «Durch die Pendelschläge wird die Zeit, durch die Wechselbewegung von Idee und Erfahrung die sittliche und wissenschaftiche Welt regiert.» Im Sinne dieses Satzes die Welt und ihre Erscheinungen zu betrachten, schien Goethe naturgemäß. Denn für ihn gab es keinen Zweifel darüber, daß die Natur dasselbe Verfahren beobachtet: daß sie «eine Entwicklung aus einem lebendigen geheimnisvollen Ganzen» zu den mannigfaltigen besonderen Erscheinungen hin ist, die den Raum und die Zeit erfüllen. Das geheimnisvolle Ganze ist die Welt der Idee. «Die Idee ist ewig und einzig; daß wir auch den Plural brauchen, ist nicht wohlgetan. Alles, was wir gewahr werden und wovon wir reden können, sind nur Manifestationen der Idee; Begriffe sprechen wir aus, und insofern ist die Idee selbst ein Begriff.» Das Schaffen der Natur geht aus dem Ganzen, das ideeller Art ist, ins Einzelne, das als Reelles der Wahrnehmung gegeben ist. Deshalb soll der Beobachter: «das Ideelle im Reellen anerkennen und sein jeweiliges Mißbehagen mit dem Endlichen durch Erhebung ins Unendliche beschwichtigen». Goethe ist überzeugt davon, daß «die Natur nach Ideen verfahre, ingleichen daß der Mensch in allem, was er beginnt, eine Idee verfolge ». Wenn es dem Menschen wirklich gelingt, sich zu der Idee zu erheben, und von der Idee aus die Einzelheiten der Wahrnehmung zu begreifen, so vollbringt er dasselbe, was die Natur vollbringt, indem sie ihre Geschöpfe aus dem geheimnisvollen Ganzen hervorgehen läßt. Solange der Mensch das Wirken und Schaffen der Idee nicht fühlt, bleibt sein Denken von der lebendigen Natur abgesondert. Er muß das Denken als eine bloß subjektive Tätigkeit ansehen, die ein abstraktes Bild von der Natur entwerfen kann. Sobald er aber fühlt, wie die Idee in seinem Innern lebt und tätig ist, betrachtet er sich und die Natur als ein Ganzes, und was als Subjektives in seinem Innern erscheint, das gilt ihm zugleich als objektiv; er weiß, daß er der Natur nicht mehr als Fremder gegenübersteht, sondern er fühlt sich verwachsen mit dem Ganzen derselben. Das Subjektive ist objektiv geworden; das Objektive von dem Geiste ganz durchdrungen." 19 Einen Aspekt davon möchte ich hier wegen seiner philosophischen Dimension und seiner Methodenrelevanz besonders unterstreichen. Im Erkennen des Menschen liegt nach Goethes Auffassung derselbe schöpferische Prozess vor, den auch die Natur vollbringt, wenn sie ihre Wesen und Gestaltungen hervorbringt. Oder wie Steiner oben Goethes Ansicht zusammenfasst: "Wenn es dem Menschen wirklich gelingt, sich zu der Idee zu erheben, und von der Idee aus die Einzelheiten der Wahrnehmung zu begreifen, so vollbringt er dasselbe, was die Natur vollbringt, indem sie ihre Geschöpfe aus dem geheimnisvollen Ganzen hervorgehen läßt." Und um noch einmal auf Kant zurückzukommen: Die selben bildenden Kräfte, die im Schaffen der Natur für das Werden und Dasein ihrer (lebendigen) Geschöpfe ursächlich verantwortlich sind, betätigt der Mensch auch in seinem Erkenntnisleben. So versteht Steiner Goethe. Wenn Steiner in der Philosophie der Freiheit (Kapitel III, S. 49, auch in der Erstausgabe von 1894 schon im Kapitel IV, S. 46) davon spricht, dass wir im Denken "das Weltgeschehen an einem Zipfel [halten], wo wir dabei sein müssen, wenn etwas zustandekommen soll", dann liegt das ganz auf dieser Linie. Allerdings hat Goethe dies in Steiners Augen nicht immer mit der nötigen Konsequenz zuende praktiziert, und diese Tatsache an den unmittelbaren Erfahrungen des Denkens und Erkennens selbst philosophisch durchreflektieren und erhellen können, denn diese Art von Beobachtung lag nicht im Horizont seiner Möglichkeiten (siehe unten). In diese Richtung aber geht Steiners eigener Weg, wie er ihn im Skizzenhaften Ausblick fortführt und in GA-18 darlegt. Und massgeblich angelegt ist er in der Philosophe der Freiheit und den übrigen philosophisch ausgerichteten Steinerschen Frühschriften. 19 Rudolf Steiner, Goethes Weltanschauung, (GA-6), Dornach 1990, S. 53 f

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zipiell im dort gezeichneten Rahmen. Zum Schluss schliesslich spannt er noch einmal den Bogen<br />

von den Griechen (Wahrnehmen <strong>der</strong> Idee in <strong>der</strong> Aussenwelt wie ein Bild) bis zu den philosophischen<br />

For<strong>der</strong>ungen eines Gegenwärtigen <strong>und</strong> Künftigen, nämlich das Naturbild mit<br />

dem menschlichen Selbstbewusstsein wie<strong>der</strong> zu vereinen, so dass <strong>der</strong> Mensch sich mit seinem<br />

Selbstbewusstsein auch im Naturbild wie<strong>der</strong>finden kann: "Die griechische Idee ist mit dem<br />

Bilde verwandt; sie wird betrachtet wie das Bild. Die Idee <strong>der</strong> neueren Zeit muß mit dem Leben,<br />

dem Lebewesen selbst verwandt sein; sie wird erlebt." Dabei stellt die von Steiner gefor<strong>der</strong>te<br />

<strong>und</strong> mit dem Leben verwandte Idee <strong>der</strong> neueren Zeit in seiner kurzen Goetheinterpretation<br />

eine Brücke dar zwischen dem menschlichen Selbstbewusstsein <strong>und</strong> <strong>der</strong> Natur.<br />

Diese ihre Brückenfunktion macht Steiner bei Goethe deutlich, wenn er in dem Passus von einem<br />

erlebten Reich spricht, "das sich selbst sowohl als auch <strong>der</strong> Außenwelt angehörig erweist,<br />

weil seine Gebilde sich als Abbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> schöpferischen Mächte bezeugen." Das erlebte Ideenreich<br />

Goethes <strong>und</strong> seine ideellen Gebilde sind nichts subjektiv Ausgedachtes, son<strong>der</strong>n ein<br />

Reich, das sich selbst <strong>und</strong> <strong>der</strong> Aussenwelt angehört, "weil seine Gebilde sich als Abbil<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

schöpferischen Mächte bezeugen." Man könnte in Anlehnung an die philosophische Sprache<br />

Kants sagen: weil sie sich als Abbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> schöpferischen Bildekräfte bezeugen. Sie sind objektive<br />

Abbil<strong>der</strong> dieser Bildekräfte o<strong>der</strong> <strong>der</strong> schöpferischen Naturmächte. Allerdings nicht die<br />

Bildekräfte bzw schöpferischen Naturmächte selbst, son<strong>der</strong>n eben Abbil<strong>der</strong> davon. Gleichwohl<br />

objektiv <strong>und</strong> keinesfalls illusionäre Begriffserzeugnisse <strong>der</strong> menschlichen Seele. Und insofern<br />

in diesem o<strong>der</strong> wegen ihrem Abbildcharakter eben auch ein sich selbst angehöriges,<br />

nicht subjektives Brückenreich, das etwa nur <strong>der</strong> menschlichen Seele angehört. Nicht vom<br />

Subjekt geschaffen, son<strong>der</strong>n nur <strong>zur</strong> Erscheinung gebracht wie vergleichsweise eine mathematische<br />

Idee, freilich sich im Unterschied dazu auf lebendige Wesen beziehend. Was durch<br />

die Goetheschen Worte unterstrichen wird, dass sie "nicht etwa malerische o<strong>der</strong> dichterische<br />

Schatten <strong>und</strong> Scheine sind, son<strong>der</strong>n eine innerliche Wahrheit <strong>und</strong> Notwendigkeit haben." In<br />

diesem ihrem objektiven Abbild <strong>und</strong> Aussenweltcharakter liegt die Brücke <strong>zur</strong> Aussenwelt.<br />

O<strong>der</strong>, was ja im Zentrum <strong>der</strong> <strong>Steiners</strong>chen Gedankenbewegung steht - <strong>zur</strong> Natur. Das Geistige<br />

<strong>der</strong> Natur wird im Erleben objektiver ideeller Abbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> schöpferischen Mächte zum<br />

menschlichen Innenerlebnis - <strong>und</strong> über diese Brücke das Innenleben des Menschen mit dem<br />

schöpferischen Wesen <strong>der</strong> Natur wie<strong>der</strong> verb<strong>und</strong>en. Entsprechend fasst Steiner zusammen:<br />

"Goethe hat eine Vorstellung entwickelt, durch welche das selbstbewußte Ich sich belebt erfühlen<br />

kann, weil es sich mit den schaffenden Naturwesenheiten eins fühlt."<br />

Ich möchte an dieser Stelle beson<strong>der</strong>s darauf aufmerksam machen, dass Steiner im obigen<br />

Passus von Abbil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> schöpferischen Mächte spricht. Das ist für das Verständnis nicht unerheblich,<br />

denn in diesem Punkt gibt es eine klare, von Steiner an<strong>der</strong>norts auch benannte methodische<br />

Differenz zwischen ihm <strong>und</strong> Goethe, insofern, als Steiner sich nicht nur den Abbil<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> schöpferischen Mächte zuwendet, son<strong>der</strong>n diesen schöpferischen Mächten unmittelbar<br />

selbst (siehe weiter unten). Dass, <strong>und</strong> wie das zu geschehen hat erläutert er überblicksartig<br />

im Schlusskapitel von GA-18, im Skizzenhaften Ausblick. Wobei ferner darauf hinzuweisen<br />

ist: dies in betonter Anbindung an seine Gr<strong>und</strong>schriften Wahrheit <strong>und</strong> Wissenschaft <strong>und</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Ein Nexus, <strong>der</strong> im Skizzenhaften Ausblick den Ausführungen <strong>zur</strong><br />

Methode <strong>und</strong> ihren geisteswissenschaftlichen Resultaten auf Seite 599 ff vorangestellt wird.<br />

Womit ich sagen möchte: es gibt für Steiner eine direkte sachliche Beziehung zwischen diesen<br />

Gr<strong>und</strong>schriften <strong>und</strong> den methodischen Darstellungen im Skizzenhaften Ausblick. Davon weiter<br />

unten.<br />

Und um das hier etwas anzubahnen, ferner um die Besprechung von <strong>Steiners</strong> obigem Resumee<br />

abzuschliessen, <strong>und</strong> übergangsweise als weitere Verständnishilfe dazu, eine längere Bemerkung<br />

<strong>Steiners</strong> aus <strong>der</strong> Schrift Goethes Weltanschauung (GA-6), die auch <strong>Steiners</strong> methodisches<br />

Vorgehen ein wenig erhellen könnte. Dort heisst es (S. 53 f): "Goethe konnte sich

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