Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...
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18<br />
<strong>Steiners</strong>che Resümee wie<strong>der</strong>geben, aus dem Traubs Paraphrase stammt. Zuvor aber noch ein<br />
kennzeichnen<strong>der</strong> Blick auf <strong>Steiners</strong> letzte, obenstehende Goethecharakterisierung aus dem<br />
Skizzenhaften Ausblick.<br />
Was Steiner an Goethe vor allem als geistesverwandt empfand, war dessen sehr konkrete, von<br />
einem naturforschenden Geiste impulsierte, <strong>und</strong> im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Urpflanze ausdrücklich<br />
betonte erfahrungswissenschaftliche Suche "nach solchen Erlebnissen, die, indem<br />
sie von <strong>der</strong> Menschenseele erarbeitet werden, zugleich diese Seele in den Bereich <strong>der</strong>jenigen<br />
Wirklichkeit stellen, welche den Sinnen unzugänglich ist." Und das ist ja bei allen im Detail<br />
bestehenden Differenzen zwischen Steiner <strong>und</strong> Goethe im Prinzip zumindest die von Steiner<br />
selbst gesuchte (<strong>und</strong> im Skizzenhaften Ausblick überblicksartig geschil<strong>der</strong>te) geistige Welt.<br />
Folglich erklärt Steiner, dass Goethe "mit solcher Geistesart" - <strong>und</strong> das ist vor allem auch die<br />
erfahrungswissenschaftliche - auf dem Boden <strong>der</strong> von ihm im Skizzenhaften Ausblick aufgezeigten<br />
Fortentwicklung des geistesgeschichtlichen Stromes stehe. Der zu einem Naturbild<br />
führt, in dem die Seele sich auch selbst finden kann. Darin besteht in <strong>Steiners</strong> Augen <strong>der</strong> Generalkonsens<br />
zwischen ihm <strong>und</strong> Goethe. Diese <strong>Steiners</strong>che <strong>und</strong> Goethesche Welt aber, "welche<br />
den Sinnen unzugänglich ist", ist beim besten Willen nicht die Welt, zu <strong>der</strong> Kant sich<br />
einen erfahrungswissenschaftlich erkennenden Zugang verschaffen zu können glaubt. We<strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> Urteilskraft, noch in <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft, noch an<strong>der</strong>swo, etwa in<br />
den Metaphysischen Anfangsgründen <strong>der</strong> Naturwissenschaft. Darüber glaube ich erübrigt sich<br />
jede weitere Diskussion.<br />
Mit dieser den Sinnen unsichtbaren Welt <strong>und</strong> dem empirischen Zugang dorthin aber hängt das<br />
Belebende zusammen, von dem Steiner auf Seite 170 f in GA-18 spricht, wie es auch aus unserem<br />
Exkurs oben erkennbar wird. Denn Goethes empirisches Naturbild bezieht ausdrücklich<br />
etwas ein, was in den übrigen Naturbil<strong>der</strong>n (man sollte vielleicht besser hinzufügen: des naturwissenschaftlichen<br />
mainstreams) seiner <strong>und</strong> unserer gegenwärtigen Zeit nicht berücksichtigt<br />
wird, - die von Steiner gemeinte Welt nämlich, die den Sinnen unzugänglich ist. Goethe<br />
bemüht sich als praktischer Naturforscher um ein geistgemässes Naturbild. Während Kant<br />
sich ausdrücklich <strong>und</strong> entschieden gegen eine mögliche empirische Erschliessung <strong>der</strong> Geistseite<br />
<strong>der</strong> Natur wendet, weil er das für ausgeschlossen hält. In <strong>der</strong> aber nach <strong>Steiners</strong> Auffassung<br />
das wahre Wesen des Menschen wurzelt. Mit <strong>der</strong> von Steiner gekennzeichneten Folge,<br />
dass <strong>der</strong> menschlichen Seele angesichts dieses mo<strong>der</strong>nen (<strong>und</strong> eben auch Kants) Naturbildes<br />
droht, sich eingestehen zu müssen, "daß alles, was sie von sich erkennen kann, auch nur für<br />
sie selbst eine Bedeutung habe <strong>und</strong> keinen Hinweis enthielte auf eine Welt, in <strong>der</strong> sie mit ihrem<br />
wahren Wesen wurzelt. Denn in dem Naturbilde kann sie von sich selbst nichts finden."<br />
(GA-18, S. 32. Siehe auch unseren Exkurs oben) Das Naturbild Goethes sieht da eben sehr<br />
an<strong>der</strong>s aus als das mo<strong>der</strong>ne, <strong>und</strong> sehr an<strong>der</strong>s auch als dasjenige Kants, <strong>und</strong> ist in <strong>Steiners</strong> Augen<br />
weit hoffnungsvoller <strong>und</strong> zukunftsfähiger als diese. 17 Und jetzt die gesamte resümierende<br />
Passage, aus <strong>der</strong> Hartmut Traubs Paraphrasierung stammt.<br />
Auf S. 170 f <strong>der</strong> Gesamtausgabe GA-18 heisst es bei Steiner: "Goethe hatte in <strong>der</strong> «Urpflanze»<br />
eine Idee erfaßt, «mit <strong>der</strong> man ... Pflanzen ins Unendliche erfinden» kann, die «konsequent<br />
sein müssen, das heißt, die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten, <strong>und</strong><br />
nicht etwa malerische o<strong>der</strong> dichterische Schatten <strong>und</strong> Scheine sind, son<strong>der</strong>n eine innerliche<br />
Wahrheit <strong>und</strong> Notwendigkeit haben». Damit ist er auf dem Wege, in dem selbstbewußten Ich<br />
nicht nur die wahrnehmbare, die gedachte, son<strong>der</strong>n die lebendige Idee zu finden. Das selbstbewußte<br />
Ich erlebt in sich ein Reich, das sich selbst sowohl als auch <strong>der</strong> Außenwelt angehörig<br />
erweist, weil seine Gebilde sich als Abbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> schöpferischen Mächte bezeugen. Damit ist<br />
17<br />
Man müsste gerechterweise auch das Naturbild des übrigen deutschen Idealismus (etwa Schelling, Hegel,<br />
Fichte) <strong>und</strong> manche an<strong>der</strong>en Seitenstränge berücksichtigen. Deswegen oben <strong>der</strong> Ausdruck naturwissenschaftlicher<br />
mainstream, damit das Ganze nicht allzu schablonenartig wirkt. Siehe dazu <strong>Steiners</strong> detailliertere Ausführungen<br />
zu den einzelnen Überzeugungssträngen in GA-18.