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Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit - Studien zur ...

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mus, des Realismus, <strong>der</strong> Scholastik, <strong>der</strong> mittelalterlichen Mystik: sie offenbaren diesen<br />

Gr<strong>und</strong>charakter <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> dieses Zeitalters. Die Menschenseele versucht, das Gedankenleben<br />

auf seinen Wirklichkeitscharakter hin zu prüfen." (S. 30) Und gegen Ende dieser<br />

dritten Epoche wird das Selbstbewusstsein <strong>zur</strong> Richtschnur <strong>zur</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Welt: "<strong>Philosophie</strong>n<br />

entstehen nunmehr, welche das Weltbild so gestalten, wie es vorgestellt werden muß,<br />

wenn die durch das Gedankenleben erfaßte selbstbewußte Menschenseele in ihm den angemessenen<br />

Platz haben soll. Wie muß die Welt vorgestellt werden, damit in ihr die Menschenseele<br />

so gedacht werden kann, wie sie gedacht werden muß im Sinne dessen, was man über<br />

das Selbstbewußtsein vorzustellen hat?" (S. 31)<br />

Aus <strong>Steiners</strong> Sicht hat sich, als Ergebnis einer Entwicklung des menschlichen Selbstbewusstseins,<br />

<strong>der</strong> Zugang <strong>zur</strong> Welt von aussen (Griechentum) nach innen verlagert. Die Welt soll nun<br />

dem entsprechen, was <strong>der</strong> Mensch nach Massgabe seines Selbstbewusstseins darüber vorzustellen<br />

hat. Das Selbstbewusstsein wird <strong>zur</strong> Richtschnur über die Welt.<br />

Wie sieht das mit <strong>der</strong> vierten Epoche aus? Es ist nach Steiner (S. 31) diejenige, in <strong>der</strong> er<br />

selbst, auch Goethe schon, <strong>und</strong> wir noch leben. "Unsere Gegenwart [das ist <strong>Steiners</strong> von 1918,<br />

MM] bildet erst ungefähr die Mitte dieses Zeitalters." Sie wird demnach entsprechend <strong>Steiners</strong><br />

Glie<strong>der</strong>ung noch eine Weile anhalten. Und sie ist (S. 32) infolge <strong>der</strong> naturwissenschaftlichen<br />

Entwicklung gekennzeichnet von einem weitgehenden Verlust <strong>der</strong> inneren Sicherheit<br />

<strong>und</strong> des Eigenlebens: "In <strong>der</strong> vierten Epoche setzen die aufblühenden Naturwissenschaften<br />

dem philosophischen Weltbild ein Naturbild an die Seite, das allmählich sich selbständig auf<br />

einen eigenen Boden stellt. In diesem Naturbilde findet sich mit fortschreiten<strong>der</strong> Entwickelung<br />

nichts mehr von <strong>der</strong> Welt, welche das selbstbewußte Ich (die sich als selbstbewußte Wesenheit<br />

erlebende Menschenseele) in sich anerkennen muß. In <strong>der</strong> ersten Epoche [<strong>der</strong> Griechen,<br />

MM] beginnt die Menschenseele sich von <strong>der</strong> Außenwelt loszulösen <strong>und</strong> eine Erkenntnis<br />

zu entwickeln, welche sich dem seelischen Eigenleben zuwendet. Dieses seelische Eigenleben<br />

findet seine Kraft in dem erwachenden Gedankenelemente. In <strong>der</strong> vierten Epoche [unserer<br />

heutigen, MM] tritt ein Naturbild auf, das sich seinerseits von dem seelischen Eigenleben<br />

losgelöst hat. Es entsteht das Bestreben, die Natur so vorzustellen, daß in die Vorstellungen<br />

von ihr sich nichts von dem einmischt, was die Seele aus sich <strong>und</strong> nicht aus <strong>der</strong> Natur selbst<br />

schöpft. So findet sich in dieser Epoche die Seele mit ihrem inneren Erleben auf sich selbst<br />

<strong>zur</strong>ückgewiesen. Es droht ihr, sich eingestehen zu müssen, daß alles, was sie von sich erkennen<br />

kann, auch nur für sie selbst eine Bedeutung habe <strong>und</strong> keinen Hinweis enthielte auf eine<br />

Welt, in <strong>der</strong> sie mit ihrem wahren Wesen wurzelt. Denn in dem Naturbilde kann sie von sich<br />

selbst nichts finden." Das ist wie gesagt <strong>Steiners</strong> Kenzeichnung von Goethes, <strong>Steiners</strong>, <strong>und</strong><br />

unserer heutigen Gegenwart. Im mo<strong>der</strong>nen Naturbild kann die Seele von sich selbst nichts<br />

mehr finden. Innerhalb dieses Naturbildes <strong>der</strong> Jetztzeit, <strong>und</strong> gemessen daran ist die menschliche<br />

Seele eine flüchtige, vergängliche <strong>und</strong> subjektive Belanglosigkeit.<br />

Wesentlich zum Verständnis ist nun, dass Steiner aus dieser geistesgeschichtlichen Beobachtung<br />

heraus (S. 33 f) auf eine Programmatik in Form von Ausblicken hinweist, die er dem<br />

Schluss von GA-18 beigefügt hat. Diese Ausblicke sollen in ein werdendes menschliches Erkenntnisleben<br />

hinweisen, "durch welches die Seele ein Weltbild aus ihrem Selbstbewußtsein<br />

entfalten kann, in dem ihre eigene wahre Wesenheit zugleich mit dem Bilde <strong>der</strong> Natur, das die<br />

neuere Entwickelung gebracht hat, vorgestellt werden kann." Ziel dieses Ausblickes ist, den<br />

mit dem Griechentum einsetzenden Prozess <strong>der</strong> Entfremdung von Ich <strong>und</strong> Welt auf einem höheren<br />

Niveau, nämlich auf <strong>der</strong> Basis des inzwischen erworbenen Selbstbewusstseins <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Selbständigkeit zu beenden. Und die menschliche Wesenheit mit dem Naturbild, die inzwischen<br />

völlig auseinan<strong>der</strong>gefallen sind, wie<strong>der</strong> zu vereinen. Sie freilich nicht auf dem gegenwärtigen<br />

Stand nur kompromissartig aneinan<strong>der</strong>zuheften, son<strong>der</strong>n sowohl das Naturbild, wie<br />

auch das Bild des Menschen auf ein ganz neues Niveau zu heben. Auch das Bild des Gedan­

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