"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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weiß es n<strong>ich</strong>, äh kann m<strong>ich</strong> an n<strong>ich</strong>ts da, entsprechend erinnern=er HAT AUCH NIE: irgendwie<br />
also da irgendeine beson<strong>der</strong>e, Äußerung o<strong>der</strong> sonstwas, gemacht" (30/46)<br />
Die hinnehmende und besonnene Haltung des Vaters, für den als Offizier<br />
<strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> nach Meinung seiner Tochter <strong>zu</strong>m Berufsalltag gehörte, steht in<br />
krassem Gegensatz <strong>zu</strong>r vermeintl<strong>ich</strong> „hysterischen" Reaktion <strong>der</strong> Mutter. Die<br />
Haltung des Vaters wird für die Zwölfjährige Vorbild gewesen sein, <strong>zu</strong>mal<br />
s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> vor allem <strong>zu</strong> Beginn noch n<strong>ich</strong>t auf ihren Lebensalltag auswirkte.<br />
Dagegen konnte Anneliese Heidt, <strong>der</strong> bei den Jungmädeln <strong>der</strong> Glaube<br />
an die rassische Überlegenheit <strong>der</strong> Deutschen eingeimpft wurde, die Befürchtung<br />
ihrer Mutter, nun würden sie alles verlieren und alles werde „schief gehen",<br />
n<strong>ich</strong>t begreifen.<br />
Zunächst waren <strong>Krieg</strong> und Bombenalarm noch eine willkommene Abwechselung<br />
im Alltag <strong>der</strong> Schülerin. Anneliese sammelte Flak- und Granatsplitter<br />
in einer Zigarrenkiste, die sie dann gegen Zigarettenbil<strong>der</strong> eintauschte. An Tagen<br />
vor Klassenarbeiten hoffte sie, daß es Alarm geben würde, da<strong>mit</strong> am kommenden<br />
Tag die Arbeit ausfiele. Anneliese erlebte in dieser Zeit den <strong>Krieg</strong><br />
eher als Abenteuer. Sie erinnert s<strong>ich</strong> an den ersten Bombenalarm:<br />
„und wir <strong>hatte</strong>n gle<strong>ich</strong> die erste Nacht Alarm (1) die Sirenen da heulten ob da nun was, war o<strong>der</strong><br />
n<strong>ich</strong> weiß <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>=es war jedenfalls sehr aufregend (1) und uns war sehr mulmig <strong>zu</strong>mute" (1 / 31)<br />
In dieser ersten Zeit gab es keine Bombenangriffe, <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> war <strong>zu</strong>nächst<br />
nur durch bürokratische Eingriffe in den Alltag spürbar. So erzählt Frau Heidt<br />
von einem Verstoß gegen das Verdunkelungsgebot, weshalb ihre Familie von<br />
<strong>der</strong> Partei verdächtigt worden sei, Morseze<strong>ich</strong>en <strong>zu</strong> senden. Im Keller des elterl<strong>ich</strong>en<br />
Hauses wurde <strong>zu</strong>dem ein öffentl<strong>ich</strong>er Luftschutzraum einger<strong>ich</strong>tet,<br />
dem auch ihr Kin<strong>der</strong>zimmer geopfert werden mußte. Der <strong>Krieg</strong> erhielt einen<br />
Platz in <strong>der</strong> Alltags- und Spiel weit <strong>der</strong> Frühadoleszenten. Insgesamt evaluiert<br />
Frau Heidt diese erste Zeit heute:<br />
„und eigentl<strong>ich</strong> verlief diese erste Zeit einigermaßen normal=war kein großer Unterschied"<br />
(1/45)<br />
2.3.5 Der <strong>Krieg</strong> als Lebensbedrohung<br />
Die Grenzerfahrung <strong>mit</strong> dem Tod<br />
In den Jahren 1941 und 1942 jedoch nahmen die alliierten Luftangriffe auf<br />
deutsche Städte allmähl<strong>ich</strong> bedrohl<strong>ich</strong>e Ausmaße an, — immer häufiger waren<br />
ganze Straßenzüge betroffen. Ein erster großer Angriff wurde <strong>zu</strong> einem<br />
Schlüsselerlebnis fur die inzwischen dreizehnjährige Anneliese und prägte<br />
s<strong>ich</strong> ihr beson<strong>der</strong>s ein: In un<strong>mit</strong>telbarer Nähe ihres Elternhauses wurde ein<br />
Haus ausgebombt, das von alten Leuten bewohnt wurde, die n<strong>ich</strong>t im Luftschutzkeller<br />
Schutz suchten:<br />
„jedenfalls die Oma war oben geblieben, und als man dann <strong>der</strong>en Bettzeug da oben, in den,<br />
Baumen, flattern sah, also, da, war einem denn son bißchen, mulmig geworden" (4/25)<br />
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