"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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det, ob sie jetzt weiter über die „NS-Entwicklungen" (sie <strong>hatte</strong> gerade über<br />
ihre Zeit als JM-Führerin ber<strong>ich</strong>tet) o<strong>der</strong> weiter „chronologisch auf den <strong>Krieg</strong><br />
erstmal eingehen" solle. In <strong>der</strong> Falldarstellung wird diesem Nebeneinan<strong>der</strong><br />
dadurch Rechnung getragen werden, daß die Darstellung n<strong>ich</strong>t ausschließl<strong>ich</strong><br />
<strong>der</strong> Chronologie <strong>der</strong> Ereignisse folgen wird. Ich werde m<strong>ich</strong> statt dessen <strong>zu</strong>nächst<br />
schwerpunktmäßig <strong>mit</strong> <strong>der</strong> „Karriere" <strong>der</strong> Biographin in <strong>der</strong> <strong>Hitler</strong>jugend<br />
beschäftigen, um dann <strong>zu</strong>m <strong>Krieg</strong>serleben über<strong>zu</strong>gehen. Welche Bedeutung<br />
die Disjunktion dieser beiden Themen für Frau Heidt heute in ihrer Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng<br />
<strong>mit</strong> NS und Zweitem Weltkrieg hat, wird an späterer Stelle<br />
diskutiert.<br />
2.3.2 Die Kindheit als Tochter eines Berufssoldaten<br />
Anneliese Heidt wurde 1927 als Tochter eines Berufssoldaten in Dresden geboren.<br />
Ihr Vater <strong>hatte</strong> bereits im Ersten Weltkrieg als Offizier aktiv gedient;<br />
ihre Mutter war als Rotkreuzschwester noch im zaristischen Rußland im Einsatz<br />
gewesen. Es war die zweite Ehe ihres Vaters. Frau Heidt hat einen älteren<br />
Stiefbru<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> ersten Ehe ihres Vaters.<br />
Anneliese Heidt stammt aus einer Offiziersfamilie. Diese Auskunft sagt<br />
n<strong>ich</strong>t nur etwas über den Beruf ihres Vaters, son<strong>der</strong>n konturiert <strong>zu</strong>gle<strong>ich</strong> ein<br />
bestimmtes Herkunftsmilieu: Ein deutsch-nationales, konservatives Milieu,<br />
in dem Werte wie Pfl<strong>ich</strong>terfüllung und Loyalität eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielten.<br />
Dies wird deutl<strong>ich</strong>, als Frau Heidt auf die Frage nach <strong>der</strong> Reaktion ihres Vaters<br />
auf den <strong>Krieg</strong>sbeginn 1939 dessen Überzeugung schil<strong>der</strong>t:<br />
„er hat das als zieml<strong>ich</strong> —, naja, gut, es is eben und wir müssen eben das Beste draus machen<br />
auch unsem Teil da<strong>zu</strong> beitragen, unsere Pfl<strong>ich</strong>t erfüllen, alte preußische Grundsatz man, seine<br />
Pfl<strong>ich</strong>t tun war bei uns sehr groß geschrieben (2) das erschwert das Leben zieml<strong>ich</strong> ((lacht)) (6)<br />
und für ihn war sehr, er stand doch an erster Stelle er <strong>hatte</strong> einen Eid geschworn und einen Eid<br />
hält man (3)" (31/2)<br />
Frau Heidt beschreibt ihren Vater als einen von Staatsloyalität durchdrungenen<br />
Mann, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> durch seinen Eid gebunden fühlte, auch wenn er den <strong>Krieg</strong><br />
vielle<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t begrüßt <strong>hatte</strong>. Die Textstelle läßt erkennen, wie prägend diese<br />
Werte auch für das Erziehungsmilieu waren, in dem Anneliese aufwuchs.<br />
Die Zeit bis <strong>zu</strong> ihrem sechsten Lebensjahr verbrachte Anneliese Heidt gemeinsam<br />
<strong>mit</strong> Eltern und Bru<strong>der</strong> in Berlin. Aus dieser Zeit erscheinen ihr die<br />
politischen Unruhen im Berlin vor <strong>der</strong> Machtübernahme erwähnenswert:<br />
„das weiß <strong>ich</strong> noch <strong>ich</strong> weiß noch denn, hab <strong>ich</strong> erzählt ((den Eltern)) daß da, ganz schreckl<strong>ich</strong>e<br />
Männer rumliefen die <strong>mit</strong> Stuhlbeinen da so, fuchtelten, und da wurd <strong>ich</strong> ganz reinge/holt ((lachend)),<br />
und denn, weiß <strong>ich</strong> auch daß, äh, die, morgens, eines Morgens wachten, <strong>kam</strong>en wir raus<br />
und da war ne ganze Straße <strong>mit</strong> roter Farbe so irgendwelche Parolen geschmiert, so wie heute<br />
auch so, vielfach an Wänden steht o<strong>der</strong> sowas, un dann <strong>hatte</strong>n se die geschnappt und denn <strong>kam</strong>en<br />
die SA <strong>mit</strong> ihm, hier <strong>mit</strong> dem Stirnband da und, und Lastwagen da <strong>hatte</strong>n die alle drauf und denn<br />
mußten die das selber wie<strong>der</strong> runterschrubben" (68 /12)<br />
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