"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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Christiane<br />
Grote<br />
2.3 Anneliese Heidt: „Da hab <strong>ich</strong> endl<strong>ich</strong> dieses Gefühl gehabt\ jetzt<br />
kannst du deinen Beitrag leisten, den früher die Soldaten an <strong>der</strong><br />
Front gemacht haben"<br />
2.3.1 Die Gesprächssituation und <strong>der</strong> Interviewverlauf<br />
Das Gespräch <strong>mit</strong> Frau Heidt fand im Dezember 1986 in ihrer Wohnung statt<br />
und wurde von zwei Projekt<strong>mit</strong>arbeiterinnen geführt. Frau Heidt machte <strong>zu</strong><br />
Beginn des Gesprächs einen s<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> nervösen Eindruck; ihre Nervosität<br />
legte s<strong>ich</strong> aber bald.<br />
Gemäß <strong>der</strong> Eingangsfragestellung des Projekts, die es den Befragten anheimstellt,<br />
an welchem Zeitpunkt sie <strong>mit</strong> ihrer biographischen Rekonstruktion<br />
einsetzen wollen, läßt Frau Heidt ihre Erzählung <strong>mit</strong> jenem Datum beginnen,<br />
an dem sie <strong>zu</strong>m ersten Mal an einen mögl<strong>ich</strong>en <strong>Krieg</strong> dachte: dem<br />
<strong>Krieg</strong>sausbruch.<br />
Ihre ca. einstündige biographische Großerzählung ist geprägt von einem<br />
episch-erzählenden Sprachduktus: In ihre Darstellungen vom <strong>Krieg</strong>salltag<br />
fließen viele Beschreibungen ein, vor allem solche über die Bombardierung<br />
<strong>der</strong> Zivilbevölkerung und die Situation <strong>der</strong> medizinischen Versorgung. Der<br />
Chronologie <strong>der</strong> Ereignisse folgend, spannt sie den Bogen von ihrer JM-Zeit<br />
bis <strong>zu</strong>m Ende ihrer Ausbildung 1949 und evaluiert diese Zeit abschließend in<br />
ihrer Bedeutung für ihr weiteres Leben. Auch im Nachfrageteil des Interviews,<br />
<strong>der</strong> noch einmal ca. drei Stunden umfaßt, nehmen zwei Themen breiten<br />
Raum ein: die Bombardierungen und ihre Zeit als Schwester beim Roten<br />
Kreuz. Mit diesem eher beschreibenden Darstellungsmodus geht auch einher,<br />
daß Frau Heidt generell wenig über persönl<strong>ich</strong>e Beziehungen erzählt. Auf die<br />
frühen Kindheitsjahre und die Familienverhältnisse geht sie in ihrer Eingangserzählung<br />
und auch im Nachfrageteil n<strong>ich</strong>t ein. Erst gegen Ende des Interviews<br />
erfährt man vom frühen Tod <strong>der</strong> Mutter. Ebensowenig ber<strong>ich</strong>tet Frau<br />
Heidt über ihr Leben nach dem <strong>Krieg</strong>sende. Diese „Auslassungen" sind mögl<strong>ich</strong>erweise<br />
Ausdruck einer Beschränkung auf den thematischen Fokus des Interviews,<br />
das Erleben des <strong>Krieg</strong>es.<br />
Ein wesentl<strong>ich</strong>er Aspekt ihrer biographischen Rekonstruktion ist die Trennung<br />
<strong>der</strong> Themen „Nationalsozialismus" und „<strong>Krieg</strong>". Sie stehen für Frau<br />
Heidt n<strong>ich</strong>t in inhaltl<strong>ich</strong>em Zusammenhang etwa in dem Sinne, daß sie die nationalsozialistische<br />
Politik für den <strong>Krieg</strong> und die Bombenangriffe, unter denen<br />
sie selbst sehr gelitten hat, verantwortl<strong>ich</strong> macht. Beide Themen laufen in gewisser<br />
Weise nebeneinan<strong>der</strong> her. Dieses Nebeneinan<strong>der</strong> <strong>der</strong> Themenkomplexe<br />
verdeutl<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong> u.a. darin, daß Frau Heidt s<strong>ich</strong> nach etwa zehnminütiger<br />
Dauer <strong>der</strong> Eingangserzählung <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Frage an die Interviewerinnen wen-<br />
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