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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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erre<strong>ich</strong>t sie aber n<strong>ich</strong>t nur eine Verharmlosung ihres politischen Engagements,<br />

son<strong>der</strong>n vermeidet gle<strong>ich</strong>zeitig eine Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng <strong>mit</strong> <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />

Politik, für die sie s<strong>ich</strong> eingesetzt <strong>hatte</strong> und die letztendl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihrem<br />

Heimatverlust gefuhrt <strong>hatte</strong>.<br />

Bewußt wird ihr das teilweise nach <strong>der</strong> Flucht, als <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> verloren war und<br />

<strong>mit</strong> dem NS verbundene Zukunftsentwürfe sinnlos wurden. Neben <strong>der</strong> Trauer<br />

um ihre verlorenen Familienangehörigen erkannte sie offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>, daß <strong>der</strong>en<br />

persönl<strong>ich</strong>er Einsatz an <strong>der</strong> Front wie ihr eigenes Engagement letztl<strong>ich</strong> vergebl<strong>ich</strong><br />

gewesen waren. Sämtl<strong>ich</strong>e Zukunftsvorstellungen und Ideale, die sie <strong>mit</strong><br />

dem NS verbunden <strong>hatte</strong>, sah sie <strong>mit</strong> dem verlorenen <strong>Krieg</strong> als gescheitert an.<br />

Aus dieser Perspektive gab es für sie nach 1945 in ihrem Leben keine Zukunft<br />

<strong>mehr</strong>, für die es s<strong>ich</strong> ein<strong>zu</strong>setzen lohnte.<br />

Diese persönl<strong>ich</strong>e Krise führte jedoch n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> einer weitergehenden Auslegung<br />

<strong>der</strong> nationalsozialistischen Politik, so daß ihr eine Neuorientierung und<br />

Ablösung von den alten, überkommenden Wertvorstellungen n<strong>ich</strong>t gelang. Frau<br />

Borke bekennt s<strong>ich</strong> noch heute implizit <strong>zu</strong> diesem Kapitel deutscher Vergangenheit<br />

und hält an ihren deutschnationalen Interessen fest; ihre eigene Beteiligung<br />

durch die Übernahme politischer Aufgaben im Deutschen Re<strong>ich</strong> versucht sie dabei<br />

aus<strong>zu</strong>blenden und <strong>zu</strong> verharmlosen.<br />

Indem Frau Borke ihre Vergangenheit in politischer Hins<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t hinterfragte,<br />

konnte sie vermutl<strong>ich</strong> trotz ihrer persönl<strong>ich</strong>en Krise nach <strong>Krieg</strong>sende und<br />

insbeson<strong>der</strong>e nach dem Tod ihres Vaters weiterhin handlungsfähig bleiben. Eine<br />

auss<strong>ich</strong>tsre<strong>ich</strong>e und befriedigende Zukunft sah sie für s<strong>ich</strong> jedoch n<strong>ich</strong>t <strong>mehr</strong>, da<br />

sie in ihre Heimat Lettland n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>rückkehren konnte und es keine Ideale gab,<br />

für die es s<strong>ich</strong> ein<strong>zu</strong>setzen lohnte. Frau Borke war zwar weiterhin in ihrem Beruf<br />

als Chemielaborantin tätig, jedoch im berufl<strong>ich</strong>en wie privaten Leben n<strong>ich</strong>t sozial<br />

integriert. Sie bewegte s<strong>ich</strong> einzig in dem Kreis ihrer deutsch-baltischen<br />

Landsleute, <strong>mit</strong> denen sie ihre Erinnnerungen an Lettland teilen konnte. Da<strong>mit</strong><br />

lebt Frau Borke vor allem in <strong>der</strong> Vergangenheit, d.h. in <strong>der</strong> Zeit bis <strong>zu</strong>r Umsiedlung<br />

1939, die ihrem Leben eine entscheidende Wende gab.<br />

Frau Borkes Leben ist, wie abschließend fest<strong>zu</strong>halten ist, stets ein Leben in<br />

Fremdheit gewesen, denn in Lettland als Angehörige einer kleinen deutschen<br />

Min<strong>der</strong>heit galt sie ebenso wie nach <strong>der</strong> Umsiedlung ins Deutsche Re<strong>ich</strong> wie<br />

auch nach <strong>Krieg</strong>sende in <strong>der</strong> Bundesrepublik, wo die Baltendeutschen eine unbedeutende<br />

ethnische Min<strong>der</strong>heit darstellen, als Außenstehende. Sie selbst fühlte<br />

s<strong>ich</strong> zeitlebens fremd und konnte s<strong>ich</strong> wohl auch deswegen, weil sie an ihrer<br />

deutschnationalen Einstellung und politisch am „Erhalt des Deutschtums" festhielt,<br />

keine neue Zukunft in <strong>der</strong> bundesrepublikanischen Gesellschaft entwerfen.<br />

Anmerkung<br />

1 Der hier angegebene Quellennachweis Κ (=Kassette) bezieht s<strong>ich</strong> auf einen n<strong>ich</strong>t transkribierten<br />

Text, <strong>der</strong> jedoch auf Tonband <strong>zu</strong>r Verfugung steht.<br />

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