"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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„dann sachte er, ja sie haben wahrscheinl<strong>ich</strong> auch im Hotel <strong>mit</strong> einem Franzosen jetanzt (1) nein<br />
hab <strong>ich</strong> jesacht <strong>ich</strong> hab n<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> einem Franzosen jetanzt (1) ja aber das tun doch alle deutschen<br />
Mädchen na =ja=hab=<strong>ich</strong> = jesacht tun viele <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong> <strong>ich</strong> habs n<strong>ich</strong> jetan (2) und <strong>ich</strong> sach, wissen<br />
Se was <strong>ich</strong> werde ihnen sajen (1) Sie sind, Sie sind hier nach Deutschland einmarschiert, Sie sitzen<br />
jetz hier und bestimmen über uns, Sie sind unser Feind (I) und <strong>mit</strong> Feinden tanz <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong><br />
<strong>ich</strong>=sacht wenn die Zeit kommt das alles s<strong>ich</strong> beruhigt hat dann bin <strong>ich</strong> auch bereit wie<strong>der</strong> <strong>mit</strong><br />
einem Franzosen <strong>zu</strong> tanzen (2) und <strong>ich</strong> hah die Fensterscheiben jekr<strong>ich</strong>t" (35/16)<br />
Daß Frau Borke in dieser Zeit handlungs- und durchset<strong>zu</strong>ngsfähig blieb, gelang<br />
ihr m.E. vor allem auch deswegen, weil sie ihre vergangenen politischen<br />
Aktivitäten n<strong>ich</strong>t grundsätzl<strong>ich</strong> hinterfragte. Nach wie vor <strong>hatte</strong> sie ein Selbstwertgefühl<br />
als Deutsche, denn auch nach 1945 wurde die bereits in <strong>der</strong> Kindheit<br />
entstandene Orientierung am Deutschtum n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> einem ideologischen<br />
Problem.<br />
Nach <strong>Krieg</strong>sende erre<strong>ich</strong>te Frau Borke problemlos ihre Entnazifizierung:<br />
„da mußte man ja, also entnazifiziert werden (1) dann bin <strong>ich</strong> hinjegangen <strong>zu</strong>m Rathaus und hab<br />
mein Parteiabze<strong>ich</strong>en abjegeben und da harn sie gesacht wo is ihr Parteibuch hab=<strong>ich</strong> = jesacht<br />
hab <strong>ich</strong> nie gehabt (1) <strong>ich</strong> war nur Anwärter <strong>ich</strong> hab gar kein Papier jehabt 'drüber* <strong>ich</strong> hab auch<br />
n<strong>ich</strong> jehabt (1) ja da müssen Sie entnazifiziert werden, gut hab <strong>ich</strong> gesacht werd <strong>ich</strong> entnazifiziert<br />
(1).... dieses Papierchen hab <strong>ich</strong> noch heute, das <strong>ich</strong> entnazifiziert bin also mir is überhaupt n<strong>ich</strong>ts<br />
passiert" (86/5)<br />
Frau Borke wußte darüber hinaus auch, den tägl<strong>ich</strong>en Lebensunterhalt fur<br />
s<strong>ich</strong> und ihren Vater <strong>zu</strong> organisieren. Gle<strong>ich</strong> nach <strong>der</strong> Flucht habe sie wie<strong>der</strong><br />
als Chemielaborantin in einem Labor arbeiten können, jedoch sei die persönl<strong>ich</strong>e<br />
Beziehung <strong>zu</strong>m Chef außerordentl<strong>ich</strong> schlecht gewesen, und sie habe<br />
s<strong>ich</strong> gegen ihn durchsetzen müssen. <strong>Als</strong> er sie beschuldigte, Geld entwendet<br />
<strong>zu</strong> haben, re<strong>ich</strong>te sie beim Arbeitsger<strong>ich</strong>t Klage gegen ihn ein. Gle<strong>ich</strong>zeitig<br />
kündigte sie ihre Arbeit, da ihr die ungerechtfertigten Beschuldigungen und<br />
schlechten Arbeitsbeziehungen un<strong>zu</strong>mutbar erschienen. Anschließend r<strong>ich</strong>tete<br />
sie s<strong>ich</strong> eine Nähwerkstatt ein und finanzierte da<strong>mit</strong> den Lebensunterhalt.<br />
Bis 1947, als sie <strong>zu</strong>sammen <strong>mit</strong> ihrem Vater direkt nach Konstanz umzog, beschäftigte<br />
sie s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> Näharbeiten.<br />
2.2.7 Nachkriegszeit: „hier hat mein Leben aufgehört"<br />
Frau Borke lebte ab 1947 <strong>mit</strong> ihrem Vater <strong>zu</strong>sammen in Konstanz. Dort<br />
<strong>hatte</strong> <strong>der</strong> bereits 73jährige eine Anstellung als Pastor in einem psychiatrischen<br />
Landeskrankenhaus erhalten. Sie selbst war dort wie<strong>der</strong> als Chemielaborantin<br />
beschäftigt. Zunächst lebten sie in einem Flüchtlingslager, in dem auch die<br />
Frau eines ehemals hohen Parteifunktionärs, <strong>der</strong> 1945 Selbstmord begangen<br />
<strong>hatte</strong>, aufgenommen worden war. Frau Borke lernte diese Frau kennen und<br />
freundete s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> ihr an. Diese Freundschaft, durch die sie viel über die Nazis<br />
erfuhr, ist aber schließl<strong>ich</strong> durch folgende Begebenheit beendet worden:<br />
„meine Freundschaft <strong>mit</strong> ihr wenn mans Freundschaft nennen will ja (1) äh sie is unjerecht behandelt<br />
worden und äh ahm (1) jing auseinan<strong>der</strong>, als <strong>ich</strong> eines Tages bei ihr war, das war <strong>zu</strong> Weih-<br />
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