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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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vor diesem Hintergrund die Umsiedlung bzw. den Heimatverlust erlebte, werden<br />

wir im folgenden Abschnitt betrachten.<br />

2.2.4 Umsiedlung und Orientierungsphase im Deutschen Re<strong>ich</strong><br />

Seit März 1939 befand s<strong>ich</strong> Frau Borke, wie bereits erwähnt, in Berlin, wo sie<br />

ungefähr nach einem halben Jahr den <strong>Krieg</strong>sbeginn <strong>mit</strong>erlebte. Damals habe<br />

sie <strong>mit</strong> dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges überhaupt n<strong>ich</strong>t gerechnet:<br />

„gar n<strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong> das is so plötzl<strong>ich</strong> jekommen das se gar kein Jedanken fassen konnten daß:<br />

Kriech geben wird" (26/28)<br />

Kurz nach <strong>Krieg</strong>sbeginn wurde die Umsiedlung <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung<br />

Lettlands ins Deutsche Re<strong>ich</strong> vorbereitet, da nach Abschluß des deutschsowjetischen<br />

N<strong>ich</strong>tangriffspaktes und insbeson<strong>der</strong>e nach den sowjetischen<br />

Verträgen <strong>mit</strong> den baltischen Staaten über die Einräumung militärischer Stützpunkte<br />

die sowjetische Beset<strong>zu</strong>ng Lettlands erwartet werden konnte (vgl.<br />

Hehn 1982: 85). Frau Borke erzählt, daß sie von <strong>der</strong> Umsiedlung aus einer<br />

<strong>Hitler</strong>-Rede im Radio erfahren habe:<br />

„so haben wir eigentl<strong>ich</strong> erst erfahren daß wir von da wech müssen durch eine Rede die er<br />

((<strong>Hitler</strong>)) in Danz<strong>ich</strong> jehalten hat (1) wir warn zieml<strong>ich</strong>: äh also, sind alle zieml<strong>ich</strong> vor den Kopf<br />

geschlagen worden" (27/11)<br />

Die Nachr<strong>ich</strong>t von <strong>der</strong> Umsiedlung löste bei Frau Borke Bestür<strong>zu</strong>ng aus,<br />

bedeutete sie doch einen, wenn auch mögl<strong>ich</strong>erweise nur vorübergehenden,<br />

Heimatverlust. Darüber hinaus konnte sie s<strong>ich</strong> von Deutschland aus n<strong>ich</strong>t <strong>mit</strong><br />

ihren Angehörigen in Verbindung setzen, so daß sie n<strong>ich</strong>t in Erfahrung bringen<br />

konnte, ob und wann sie umgesiedelt würden.<br />

Frau Borke erzählt im Anschluß an die oben zitierte Textstelle relativ ausführl<strong>ich</strong><br />

von den enttäuschenden Erfahrungen ihrer Familie. Insbeson<strong>der</strong>e ihren<br />

Vater zitiert sie, indem sie aus seinen autobiographisch verfaßten Ber<strong>ich</strong>ten<br />

vorliest. Die Bedeutung dieser Erfahrungen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Umsiedlung, die Frau<br />

Borke selbst n<strong>ich</strong>t <strong>mit</strong>erlebte, wird aus <strong>der</strong> Gegenwartsperspektive noch dadurch<br />

verstärkt, daß ihr heute die Rückkehr nach Lettland verschlossen ist.<br />

Im folgenden werden vor diesem Hintergrund die schriftl<strong>ich</strong> fixierten Erfahrungen<br />

Herrn Borkes, auf die die Befragte immer wie<strong>der</strong> rekurriert, wie<strong>der</strong>gegeben,<br />

um ihre Deutungsmuster und Handlungsorientierungen, die s<strong>ich</strong><br />

an denen des Vaters ausr<strong>ich</strong>teten, auf<strong>zu</strong>zeigen.<br />

Ihre Familie <strong>hatte</strong> s<strong>ich</strong>, wohl n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>letzt durch die Erfahrungen <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />

russischen Revolution, für die Umsiedlung ins Deutsche Re<strong>ich</strong> entschieden<br />

und <strong>kam</strong> von Riga aus <strong>mit</strong> dem Schiff im Oktober 1939 nach Posen, das bereits<br />

von <strong>der</strong> deutschen Wehrmacht annektiert worden war und <strong>zu</strong>m Re<strong>ich</strong>sgau<br />

Wartheland gehörte. <strong>Als</strong> Angehörige <strong>der</strong> ehemals deutschen Obersch<strong>ich</strong>t<br />

Lettlands erfuhren sie jedoch im Deutschen Re<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t den erwarteten Re-<br />

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