"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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Öffentl<strong>ich</strong>keit als Spitzenorganisation und Wortfuhrerin des baltischen<br />
Deutschtums im Grunde (noch) völlig unbekannt" (Hehn 1982:14). Die<br />
„Deutsch-Baltische Volksgemeinschaft" ging 1928 aus <strong>der</strong> „Zentrale<br />
deutschbaltischer Arbeit" hervor und diente den Deutschen <strong>zu</strong>r „För<strong>der</strong>ung<br />
und Erhaltung ihres kulturellen Besitzstandes und ihrer sozialen Aufgaben"<br />
(Hehn 1982: 13). <strong>Als</strong> vordringl<strong>ich</strong>e Aufgaben galten <strong>der</strong> Erhalt des „Deutschtums",<br />
das s<strong>ich</strong> durch Abwan<strong>der</strong>ungen nach dem Ersten Weltkrieg erhebl<strong>ich</strong><br />
dezimiert <strong>hatte</strong>, die För<strong>der</strong>ung deutsch-baltischer Kulturarbeit und die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Berufsauss<strong>ich</strong>ten und Existenzmögl<strong>ich</strong>keiten <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung<br />
(vgl. Hehn 1982: 14). Frau Borke scheint s<strong>ich</strong> aktiv an <strong>der</strong> Verwirkl<strong>ich</strong>ung<br />
dieser Aufgaben beteiligt <strong>zu</strong> haben, denn auch ihre Berufswahl war<br />
<strong>mit</strong> einem politischen Interesse verbunden:<br />
„daher bin <strong>ich</strong> auch Chemielaborantin geworden, daß wir alle in handwerkl<strong>ich</strong>e Berufe <strong>zu</strong>rückjingen,<br />
weil wir sachten sonst haben (1) eine an<strong>der</strong>e Mögl<strong>ich</strong>keit besteht n<strong>ich</strong> das Deutschtum <strong>zu</strong><br />
erhalten wenn wir jetzt n<strong>ich</strong> hier einen Grundstock von Handwerkern werden und mein Bru<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> ging in die Goldschmiede (9) also das war eine ganze Umwäl<strong>zu</strong>ng gekommen 44 (82/7)<br />
Es ging Frau Borke anscheinend n<strong>ich</strong>t nur um die „Aufrechterhaltung des<br />
Deutschtums" in dem Sinne, daß sie s<strong>ich</strong> für gle<strong>ich</strong>berechtigte Chancen und<br />
berufl<strong>ich</strong>er Aufstiegsmögl<strong>ich</strong>keiten sowie für die Anerkennung deutscher<br />
Kultur einsetzte, son<strong>der</strong>n sie engagierte s<strong>ich</strong> darüber hinaus offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> für<br />
verän<strong>der</strong>te Machtverhältnisse und r<strong>ich</strong>tete ihr Leben durch eine bestimmte<br />
Berufswahl auf dieses Ziel aus. Sie spr<strong>ich</strong>t von einer „ganzen Umwäl<strong>zu</strong>ng",<br />
die s<strong>ich</strong> vermutl<strong>ich</strong> auf die staatl<strong>ich</strong>e Regierungsform und auf die bestehende<br />
Gesellschaftsstruktur Lettlands bezieht, und formuliert da<strong>mit</strong> implizit einen<br />
Führungsanspruch <strong>der</strong> Deutschen in Lettland.<br />
Inwiefern Frau Borke <strong>mit</strong> <strong>der</strong> nationalsozialistischen Ideologie übereinstimmte,<br />
läßt s<strong>ich</strong> an dieser Stelle s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t entscheiden. Sollte s<strong>ich</strong> jedoch<br />
die vorläufige Interpretation als triftig erweisen, daß sie in Lettland in <strong>der</strong><br />
Deutsch-baltischen Volksgemeinschaft organisiert war und aktiv an einer gesellschaftl<strong>ich</strong>en<br />
Umwäl<strong>zu</strong>ng <strong>mit</strong>wirkte, so orientierte sie s<strong>ich</strong> da<strong>mit</strong> <strong>zu</strong>mindest<br />
an <strong>der</strong> Idee vom „Großdeutschen Re<strong>ich</strong>". Ihren folgenden Äußerungen läßt s<strong>ich</strong><br />
entnehmen, daß sie damals an Deutschland und vermutl<strong>ich</strong> auch an <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />
Entwicklung außerordentl<strong>ich</strong> stark interessiert war:<br />
„<strong>ich</strong> war also vor, ja die Umsiedlung muß im, im Oktober gewesen, <strong>ich</strong> war im, ja im März 39<br />
schon nach Deutschland gegangen ... weil <strong>ich</strong> auch einmal ein Stück Deutschland erleben wollte 44<br />
(1/9)<br />
Mögl<strong>ich</strong>erweise versprach s<strong>ich</strong> Frau Borke, wie ihre deutschen Landsleute,<br />
von <strong>der</strong> rasch erstarkten Entwicklung des Nationalsozialismus auch eine Verbesserung<br />
ihrer eigenen Situation in Lettland. Unabhängig davon, welche<br />
Ziele sie konkret <strong>mit</strong> dem Nationalsozialismus verband und wie stark sie <strong>mit</strong><br />
seiner Ideologie übereinstimmte, können wir allgemein feststellen, daß sie<br />
ihre Hoffnungen und ihre Zukunft auf das Deutsche Re<strong>ich</strong> projizierte. Wie sie<br />
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