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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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schlaggebend gewesen sei. Betrachten wir nun im folgenden, inwiefern dieses<br />

„Russentrauma" ihren weiteren Werdegang beeinflußt hat.<br />

2.2.3 Das Leben in Lettland: Die Aufrechterhaltung des Deutschtums<br />

Während Frau Borke recht ausführl<strong>ich</strong> über ihre Kindheit bis <strong>zu</strong>m 8. Lebensjahr<br />

erzählt, erfahren wir über ihre weitere Zeit in Lettland bis <strong>zu</strong> ihrem 27.<br />

Lebensjahr 1939, als sie aus <strong>der</strong> Heimat vertrieben wurde, kaum etwas. Auffallend<br />

ist das auch insofern, als die Interviewerinnen <strong>mehr</strong>mals nach persönl<strong>ich</strong>en<br />

Erfahrungen während dieser Zeit fragen. Frau Borke antwortet auf<br />

diese Fragen jeweils sehr knapp und beschreibt allgemein das Leben in Riga<br />

aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> „Aufrechterhaltung des Deutschtums":<br />

,.ja das is neunzehn jewesen und dann harn wir eben noch bis 1939 Ruhe gehabt also meine ganzen<br />

Ahnen die sitzen da von sechzehnhun<strong>der</strong>teiniges n<strong>ich</strong> äh und darauf is <strong>der</strong> Balte überhaupt<br />

sehr stolz das wir uns deutsch erhalten haben und auch unsere deutschen Schulen jehabt haben<br />

und <strong>zu</strong> Hause deutsch jesprochen haben o<strong>der</strong> auch in völlig deutscher Jesellschaft hier leben jelebt<br />

haben" (14/18)<br />

Frau Borke geht auf Fragen nach ihrer Jugendzeit n<strong>ich</strong>t ein. Statt dessen<br />

schil<strong>der</strong>t sie ansatzweise die gesellschaftl<strong>ich</strong>e Situation, wie sie s<strong>ich</strong> vor allem<br />

für die deutsche Min<strong>der</strong>heit darstellte. Dabei erfahren wir ledigl<strong>ich</strong>, daß —<br />

vermutl<strong>ich</strong> nach dem Inkrafttreten <strong>der</strong> lettländischen „Ermächtigungsverordnung",<br />

die nach 1934 <strong>zu</strong>r Err<strong>ich</strong>tung <strong>der</strong> Diktatur in Lettland führte (vgl .Garleff<br />

1976: I860 — die deutsche Minorität stark in ihren Rechten eingeschränkt<br />

war. So wurde beispielsweise <strong>der</strong> deutsche Sprachgebrauch in <strong>der</strong> Öffentl<strong>ich</strong>keit<br />

verboten, und es wurde die Schulautonomie <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heiten endgültig<br />

aufgehoben (vgl. Garleff1976: 179). Die Auswirkungen <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten politischen<br />

Machtverhältnisse werden von Frau Borke jedoch nur angedeutet und<br />

n<strong>ich</strong>t weiter ausgeführt. Sie spr<strong>ich</strong>t von einem „wun<strong>der</strong>schönen Leben", das<br />

jedoch n<strong>ich</strong>t immer einfach gewesen sei:<br />

„und, wir harn an s<strong>ich</strong> ein wun<strong>der</strong>bares Leben jehabt ein sehr freies Leben jehabt also diese<br />

ganze Enge und dieser ganze Neid das kannte man n<strong>ich</strong>t es war kein einfaches Leben n<strong>ich</strong> weil<br />

Sie s<strong>ich</strong> ja überall durchsetzen mußten aber privat war das ein wun<strong>der</strong>schönes Leben <strong>mit</strong> sehr viel<br />

Jesellschaften" (17/5)<br />

Während sie im privaten Kreis <strong>der</strong> „deutschen Volksgemeinschaft" ein „wun<strong>der</strong>schönes"<br />

und „freies" Leben <strong>hatte</strong>, mußte sie s<strong>ich</strong> ansonsten in <strong>der</strong> Öffentl<strong>ich</strong>keit<br />

als baltische Deutsche durchsetzen. Mit <strong>der</strong> Orientierung an <strong>der</strong> Erhaltung<br />

o<strong>der</strong> mögl<strong>ich</strong>erweise sogar Ausweitung des „deutschen Volkstums" war<br />

gle<strong>ich</strong>zeitig eine starke Abgren<strong>zu</strong>ng gegen Angehörige an<strong>der</strong>er Gesellschaftsgruppen<br />

verbunden. Deutl<strong>ich</strong> wird das an Frau Borkes folgenden Äußerungen:<br />

„wenn Sie in einem Lokal warn ja Se können Essen gehen aber so wie hier tanzen o<strong>der</strong> sowas<br />

<strong>kam</strong> überhaupt n<strong>ich</strong> in Frage, <strong>mit</strong> einem Letten Russen o<strong>der</strong> Juden tanzten Se n<strong>ich</strong> das machte<br />

man einfach n<strong>ich</strong> nech" (17 /16)<br />

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