24.11.2013 Aufrufe

"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Auffallend an Frau Borkes Ausführungen ist insgesamt, daß sie uns über die<br />

politische Auffassung und Tätigkeit ihres Vaters im Unklaren läßt. Sie versucht,<br />

den Eindruck <strong>zu</strong> erwecken, ihr Vater sei allein wegen seiner Tätigkeit<br />

als Pastor und seiner Zugehörigkeit <strong>zu</strong>r deutschen Nationalität inhaftiert worden.<br />

Ledigl<strong>ich</strong> am Rande bemerkt sie, daß er <strong>zu</strong>mindest während des <strong>Krieg</strong>es<br />

Leiter <strong>der</strong> Stadtmission und des Offiziersheimes war. Inwieweit er in dieser<br />

Funktion gegen die sowjetische Besat<strong>zu</strong>ng gewirkt hat, erfahren wir n<strong>ich</strong>t.<br />

Die Tatsache, daß ihr Väter in <strong>der</strong> „Zitadelle 44<br />

inhaftiert war, wo die<br />

„schlimmsten Gefangenen 44<br />

saßen, läßt vermuten, daß er s<strong>ich</strong> <strong>mehr</strong> o<strong>der</strong> weniger<br />

für die Verteidigung des Landes gegen den als bedrohl<strong>ich</strong> wahrgenommenen<br />

Kommunismus engagierte. <strong>Als</strong> Leiter des Offiziersheimes wird ihm<br />

das von seiner Position her mögl<strong>ich</strong> gewesen sein. Daß Frau Borke s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

näher da<strong>zu</strong> äußert, <strong>zu</strong>mal sie ansonsten sehr ausfuhrl<strong>ich</strong> und detailliert erzählt,<br />

verweist darauf, daß sie seine vergangenen politischen Aktivitäten <strong>zu</strong><br />

verharmlosen und <strong>zu</strong> entpolitisieren versucht. So antwortet sie beispielsweise<br />

auf die Frage, ob ihr Vater politisch aktiv gewesen sei, sehr allgemein <strong>mit</strong> den<br />

Worten, „bis <strong>zu</strong> einem gewissen Grad ist je<strong>der</strong> Balte politisch 44 .<br />

Mit <strong>der</strong> Erzählung ihrer Kindheitserfahrungen versucht Frau Borke uns <strong>zu</strong><br />

verdeutl<strong>ich</strong>en, wie s<strong>ich</strong> ihre zeitlebens anhaltende Abneigung gegen den Kommunismus<br />

herausgebildet hat. Neben den bereits genannten Verhaftungen des<br />

Vaters und den Hausdurchsuchungen ist ihre Abneigung vor allem auch durch<br />

Besuche im Gefängnis bestätigt und verstärkt worden:<br />

„und links und rechts standen so zwei Bolschewikenkerle natürl<strong>ich</strong> auch wie<strong>der</strong> <strong>mit</strong> dem aufjepflanzten<br />

Bajonett (1) ja die warn ganz harmlos <strong>ich</strong> re<strong>ich</strong>te na so durch dieses Jitter da durch diese<br />

(Trauen) da durch meine Hand mein Vater nahm se n<strong>ich</strong> und sachte du darfst mir n<strong>ich</strong> die Hand<br />

jeben und im selben Moment <strong>hatte</strong> <strong>ich</strong> auch hier von links und rechts die Bajonette an meiner<br />

Taille n<strong>ich</strong> und da hab <strong>ich</strong> den groß angeguckt und den an<strong>der</strong>n groß angeguckt ja es fiel kein Wort<br />

und dann war als sie ja sahen das <strong>ich</strong> meine Hand <strong>zu</strong>rückzog passierte auch weiter n<strong>ich</strong>ts" (12 / 36)<br />

So furchtlos wie in dieser Situation sei sie jedoch n<strong>ich</strong>t immer gewesen,<br />

son<strong>der</strong>n sie habe auch oft große Angst empfunden. Frau Borke erzählt von einem<br />

Mann <strong>mit</strong> einem „wi<strong>der</strong>l<strong>ich</strong>en Jes<strong>ich</strong>t also Sie sahen dem Kerl schon an<br />

also, was für ein entsetzl<strong>ich</strong>er Typ das war vor dem <strong>hatte</strong> <strong>ich</strong> wahnsinnige Angst<br />

44 . Die Angst vor diesem Mann habe da<strong>zu</strong> geführt, daß sie ihn, nachdem<br />

Riga von deutsch-baltischen Truppen im Jahr 1919 besetzt und dadurch die sowjetische<br />

Besat<strong>zu</strong>ngsmacht abgelöst worden war, bestraft sehen wollte. So<br />

habe sie ihren Vater gle<strong>ich</strong>, als er aus <strong>der</strong> Haft entlassen worden war, gefragt,<br />

was <strong>mit</strong> diesem Mann geschehen sei: „da ist meine erste Frage jewesen hat<br />

man den Matrosen erschossen eh <strong>ich</strong> überhaupt juten lach sachte 4 \ Ihre damalige<br />

kindl<strong>ich</strong>e Reaktion beze<strong>ich</strong>net sie heute als empfindungslos, d.h. ihrer<br />

Meinung nach ist „man in dieser Zeit sehr roh 44<br />

geworden. Zu dieser Einschät<strong>zu</strong>ng<br />

gelangt sie auch, wenn sie s<strong>ich</strong> an ihre „Kin<strong>der</strong>spiele 44<br />

<strong>mit</strong> Le<strong>ich</strong>en<br />

während <strong>der</strong> revolutionären Phase in Riga erinnert:<br />

57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!