"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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Sigrid<br />
Matzick<br />
2.2 Ursula Borke: „Dein persönl<strong>ich</strong>es Leben ... das ist vorbei"<br />
2.2.1 Vorbemerkung<br />
Der Rekonstruktion <strong>der</strong> Biographie von Frau Borke sollen ein kurzer Lebenslauf<br />
sowie einige Erläuterungen <strong>zu</strong>r beson<strong>der</strong>en historischen Situation Lettlands<br />
vorangestellt werden. Sie sind für das Verständnis ihrer Lebensgesch<strong>ich</strong>te<br />
erfor<strong>der</strong>l<strong>ich</strong> und sollen den Leserinnen vorab eine Orientierung ermögl<strong>ich</strong>en.<br />
Frau Borke gehörte <strong>der</strong> ca 3,8 %igen Min<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung<br />
Lettlands an (vgl. Garleff\976: 163), die außerordentl<strong>ich</strong> stark um ihre kulturelle<br />
und nationale Eigenständigkeit bemüht war und n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>letzt durch ihre<br />
Position als ethnische Min<strong>der</strong>heit ein ausgeprägtes Nationalbewußtsein ausgebildet<br />
<strong>hatte</strong>. 1912 in <strong>der</strong> Nähe von Riga, <strong>der</strong> späteren Hauptstadt Lettlands, geboren,<br />
waren Kindheit und Jugend insbeson<strong>der</strong>e durch die Auswirkungen des<br />
Ersten Weltkrieges und <strong>der</strong> russischen Revolution geprägt. <strong>Als</strong> 1939 nach Abschluß<br />
des deutsch-sowjetischen N<strong>ich</strong>tangriffspaktes eine Beset<strong>zu</strong>ng Lettlands<br />
durch die Rote Armee bevorstand, verließ Frau Borke gle<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> ersten<br />
Umsiedlungsmaßnahme ihr Heimatland. Zunächst lebte sie in Breslau<br />
und anschließend in dem von den Deutschen okkupierten Posen. Anfang 1945<br />
flüchtete sie nach Süddeutschland und erlebte dort <strong>mit</strong> dem Einmarsch <strong>der</strong><br />
französischen Armee das <strong>Krieg</strong>sende.<br />
Bereits diese Kurzbiographie verdeutl<strong>ich</strong>t, daß Frau Borkes Lebenslauf<br />
maßgebl<strong>ich</strong> durch historisch relevante Ereignisse geprägt ist, die n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>letzt<br />
<strong>zu</strong> ihrem Heimatverlust geführt haben. Zum besseren Verständnis <strong>der</strong> Lebensgesch<strong>ich</strong>te<br />
sollen die folgenden Erläuterungen <strong>zu</strong>r Gesch<strong>ich</strong>te Rigas und Lettlands<br />
dienen. Riga, im 13. Jh. als deutsche Stadt gegründet, stellte eine kulturelle<br />
Metropole <strong>der</strong> Ostseeprovinzen dar. Seit dem 18. Jh. unterstand die Stadt<br />
dem zaristischen Rußland.<br />
Während des Ersten Weltkrieges besetzten deutsche Truppen 1915 Kurland,<br />
im Februar 1918 Livland und Riga. Im November 1918 proklamierten die an<br />
Eigenstaatl<strong>ich</strong>keit interessierten Letten die unabhängige demokratische Republik<br />
Lettland <strong>mit</strong> Riga als Hauptstadt. Die Unabhängigkeit wurde Lettland jedoch<br />
noch n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>gestanden, denn die sowjetische Armee besetzte das Land.<br />
Daraufhin bildete s<strong>ich</strong> in Lettland eine deutsch-baltische Landeswehr, die —<br />
unterstützt von deutschen Freicorps — Riga <strong>zu</strong>rückerobern konnte. 1920 <strong>kam</strong><br />
es dann erneut <strong>zu</strong>r Staatsgründung Lettlands, das aus Kurland und Livland gebildet<br />
wurde.<br />
Mit <strong>der</strong> demokratischen Regierungsform Lettlands stellten die baltischen<br />
Deutschen n<strong>ich</strong>t <strong>mehr</strong> traditionsgemäß die Führungssch<strong>ich</strong>t (vgl. Hehn 1982:<br />
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