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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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läßt, „erwischte* 4<br />

es die Schilds dann doch. In <strong>der</strong> nächsten Nacht blieb auch<br />

ihr Haus n<strong>ich</strong>t verschont, und sie verließen in Panik den Keller, in dem sie<br />

Schutz gesucht <strong>hatte</strong>n. Dabei verloren sie den Sohn, den sie im Durcheinan<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Flucht jener Nachbarin in den Arm gedrückt <strong>hatte</strong>n, die sie am Vortag aufgenommen<br />

<strong>hatte</strong>n. Wie dramatisch diese Situation war, zeigt das folgende Zitat:<br />

„und da gab er ((Egon Schild)) dieses- äh den Jungen <strong>der</strong> Frau Jelden und die rast an ihm vorbei<br />

raus aus dem Haus <strong>mit</strong> ihrer Familie n<strong>ich</strong>, <strong>zu</strong> fünfen <strong>hatte</strong>n wir die aufgenommen, und die war<br />

war weg, die harn wir auch im Leben nie wie<strong>der</strong> gesehen n<strong>ich</strong> und DIE <strong>hatte</strong>n unser Kind <strong>mit</strong> und<br />

wir wollten hinterherlaufen das ging aber n<strong>ich</strong> weil da fünf Luftminen runter<strong>kam</strong>en und die bei<br />

den draußen und da fiel son glühen<strong>der</strong> Dachbalken zwischen die und uns und da könnt <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

drunterhergrabbeln weil <strong>ich</strong> ja Elisabeth trug inzwischen war unser Haus schon bis <strong>zu</strong>r äh also<br />

<strong>der</strong> Keller die Decke brach schon und es brannte was=wir=ja=aber=n<strong>ich</strong>=wußten=bis=obenhin<br />

ne, es war fürchterl<strong>ich</strong> ... und dann sin wir in som- weggelaufen und <strong>ich</strong> hab immer gekuckt<br />

ob <strong>ich</strong> mein Kind n<strong>ich</strong> sah und es schien mir dahinten auch sowas <strong>zu</strong> liegen aber es ging n<strong>ich</strong>- <strong>ich</strong><br />

<strong>hatte</strong> das Elisabeth aufm Arm und mußte das= retten=das, ganz entsetzl<strong>ich</strong>" (4/12)<br />

Zunächst konnte s<strong>ich</strong> Frau Schild <strong>mit</strong> ihrem Mann und ihrer Tochter in ein<br />

an<strong>der</strong>es Mietshaus retten, das aber selbst bald den Bomben <strong>zu</strong>m Opfer fiel.<br />

Die Evakuierung <strong>der</strong> Hamburger Bevölkerung in die Vororte begann, und die<br />

Familie wurde in einer „hübschen kleinen Villa 44<br />

untergebracht. Von hier aus<br />

machte s<strong>ich</strong> Herr Schild auf die Suche nach dem verlorenen Sohn, den er<br />

schließl<strong>ich</strong> unter einer Eisenbahnbrücke bei jener Familie, die sie aufgenommen<br />

<strong>hatte</strong>n, wie<strong>der</strong>fand. Das Kind war zwar verstört, aber unverletzt. Die<br />

Freude darüber ließ die Familie den materiellen Verlust — das Haus <strong>mit</strong> ihrem<br />

gesamten Besitz war völlig zerstört — vergessen.<br />

In solch bedrohl<strong>ich</strong>en Situationen war Frau Schild emotional völlig<br />

blockiert:<br />

B: „i- i- <strong>ich</strong> bin total, also- äh geschockt dann n<strong>ich</strong> also <strong>ich</strong> kann n<strong>ich</strong>ts sagen <strong>ich</strong> kann dann<br />

auch n<strong>ich</strong>t sofort weinen <strong>ich</strong> kann erst (1) morgen<br />

I: Sie sind blockiert da<br />

B: ja total gescho- man ist auch fast betäubt, man = man schrei- <strong>ich</strong> jedenfalls man schreit<br />

n<strong>ich</strong>t, is einfach, <strong>ich</strong> jedenfalls un mein Mann auch bin ganz still un=un, so ohne (1) und<br />

denkt auch gar n<strong>ich</strong>t so an äußere Theatralik o<strong>der</strong> sowas" (24 / 36)<br />

Erika Schild befand s<strong>ich</strong> in einem Zustand des Schocks o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Betäubung<br />

und war ganz auf die Bewältigung <strong>der</strong> alltägl<strong>ich</strong>en Routinen konzentriert.<br />

Nur <strong>mit</strong> dem Notwendigsten bekleidet, verließ die Familie wenig später<br />

Hamburg. Nach <strong>mehr</strong>tägiger, umwegre<strong>ich</strong>er Fahrt in einem Eisenbahnwaggon<br />

erre<strong>ich</strong>te sie Weimar, wo sie bei den Schwiegereltern Aufnahme fand.<br />

Von dieser beschwerl<strong>ich</strong>en Fahrt ist <strong>der</strong> Erzählerin in beson<strong>der</strong>er Erinnerung,<br />

daß ihr auf dem Bahnhof von Braunschweig zwei Decken, in die sie ihren<br />

Sohn Martin gewickelt <strong>hatte</strong>, gestohlen wurden. Sie konnte den Dieb dann<br />

noch auf dem Bahnsteig stellen und griff ihn öffentl<strong>ich</strong> an, obwohl sie wußte,<br />

daß sie den Betreffenden da<strong>mit</strong> in Lebensgefahr bringen konnte. Noch heute<br />

ist aus ihrer Darstellung nur die Entrüstung heraus<strong>zu</strong>hören, die sie in dieser<br />

Situation empfunden haben muß:<br />

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