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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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wurden, „rechtzeitig, selber, von s<strong>ich</strong> aus" gegangen seien. Auf die späteren<br />

„Massentransporte" will Frau Schild allerdings trotz Intervention <strong>der</strong> Interviewerinnen<br />

n<strong>ich</strong>t eingehen: Sie lenkt das Thema wie<strong>der</strong> auf die „re<strong>ich</strong>en" Juden,<br />

die „rechtzeitig" emigrierten.<br />

Auch in ihren Ausfuhrungen <strong>zu</strong>m Novemberpogrom des Jahres 1938, <strong>der</strong><br />

sogenannten Re<strong>ich</strong>skristallnacht, zeigt sie wenig Empathie fur die Lage <strong>der</strong><br />

jüdischen Bevölkerung:<br />

„des war äh ne ganze Menge (1) des war schon ne dolle Sache damals (I) und<br />

wir=warn=aber=echt schockiert weil wir nie so äh politisch o<strong>der</strong> äh extrem, überhaupt n<strong>ich</strong>t nationalsozialistisch<br />

warn also daß so ne Synagoge des war ja immerhin ne Kultstätte" (2. Interview)<br />

Die Formulierung „des war schon ne dolle Sache damals" wirkt in diesem<br />

Zusammenhang befremdl<strong>ich</strong>, verwendet man sie doch meistens, wenn man<br />

von etwas Ungewöhnl<strong>ich</strong>em o<strong>der</strong> Überraschendem spr<strong>ich</strong>t. Frau Schild ist<br />

denn auch sehr bemüht, diesem Eindruck entgegen<strong>zu</strong>wirken, wenn sie beteuert:<br />

„und wir=warn=aber=echt schockiert". Ihren Schock anges<strong>ich</strong>ts <strong>der</strong> damaligen<br />

Vorgänge rechtfertigt Frau Schild <strong>mit</strong> ihrer und ihres Mannes unpolitischer<br />

Haltung, aus <strong>der</strong> heraus ihnen die Zerstörung einer Kultstätte unverständl<strong>ich</strong><br />

gewesen sei. Sie seien nie „so politisch" gewesen, wenigstens n<strong>ich</strong>t<br />

so „extrem", näml<strong>ich</strong> nationalsozialistisch. Zwar verurteilt Frau Schild den<br />

Synagogenbrand, doch deutet ihr Hinweis, daß es s<strong>ich</strong> „immerhin" um eine<br />

Kultstätte handelte, eher auf eine Bestür<strong>zu</strong>ng über die Entehrung eines Bauwerks<br />

<strong>mit</strong> hoher kultureller und religiöser Bedeutung hin als auf eine Bestür<strong>zu</strong>ng<br />

über die systematische Zerstörung jüdischen Lebens.<br />

2.1.4 Der <strong>Krieg</strong> als unerwartetes Naturereignis<br />

Den <strong>Krieg</strong>sausbruch im September 1939 erlebte Erika Schild in einer westfälischen<br />

Kleinstadt. Ihre persönl<strong>ich</strong>en Erinnerungen an den Beginn des <strong>Krieg</strong>es<br />

schil<strong>der</strong>t sie gle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Anfang des Interviews:<br />

„da war <strong>ich</strong> also grade verheiratet zwei Jahre und <strong>hatte</strong> ein Kind gekr<strong>ich</strong>t, die Elisabeth war,<br />

zehn Monante alt, und eines Morgens saß <strong>ich</strong> dann in <strong>der</strong> Küche-das wird wohl <strong>der</strong> erste o<strong>der</strong><br />

zweite September gewesen sein und da <strong>kam</strong> also durchs Radio daß <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> ausgebrochen war,<br />

am Nach<strong>mit</strong>tag <strong>zu</strong>vor, wir wohnten in Bünde in <strong>der</strong> Bahnhofsstraße ((holt Luft)) war mir aufgefallen<br />

daß hier immer<strong>zu</strong> Flugzeuge rü herkommen, das war stundenlang (1) da dachten wir naja was<br />

soll das bedeuten das is ja eigentüml<strong>ich</strong> Manöver gabs ja noch n<strong>ich</strong>t, und am nächsten Morgen<br />

<strong>kam</strong> durchs Radio <strong>ich</strong> futterte gerade mein Baby und da <strong>kam</strong> daß wir=in=l\>len einmarschiert<br />

waren und da begann <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong> da blieb einem vor Angst allerdings das Herz stecken=<strong>ich</strong> bin ja<br />

grade noch im Ersten Weltkrieg geboren und was wir von unsern Eltern wußten also Angst <strong>hatte</strong><br />

man schon obwohl damals n<strong>ich</strong> so die Zivilbevölkerung betroffen war" (1 /30)<br />

Obwohl Frau Schild, wie wir gesehen haben, <strong>mit</strong> nationalsozialistischer Politik<br />

hautnah in Berührung gekommen war, schil<strong>der</strong>t sie den Beginn des <strong>Krieg</strong>es<br />

wie ein für sie völlig unerwartetes Naturereignis, indem sie s<strong>ich</strong> ganz auf<br />

die Perspektive einer nur <strong>mit</strong> den alltägl<strong>ich</strong>en Routinen beschäftigten Haus-<br />

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