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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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ihres Mannes, <strong>der</strong> „eher ein Künstler" war, bleibt unklar. Herr Schild jedenfalls<br />

delegierte diese Beschäftigung, die ihm selbst unangenehm war, an seinen<br />

Freund. Keineswegs zog er s<strong>ich</strong> also, wie <strong>der</strong> Text <strong>zu</strong>nächst nahelegt, völlig<br />

aus diesem Tätigkeitsfeld <strong>zu</strong>rück.<br />

Frau Schilds Ausfuhrungen lassen auch erkennen, wie sie das von den Nationalsozialisten<br />

propagandistisch verwendete Bild vom „re<strong>ich</strong>en Juden" reproduziert.<br />

In ihren Augen verfugte die jüdische Bevölkerung über unermeßl<strong>ich</strong>en<br />

Luxus:<br />

„und dann ham die den Otto oft re<strong>ich</strong> beschenkt=des=warn also Juden die (1) wenn sie n<strong>ich</strong><br />

Juden gewesen wären, dann würden wir sagen aus ersten Familien stammten n<strong>ich</strong>, und die <strong>hatte</strong>n<br />

re<strong>ich</strong>e Sachen so <strong>ich</strong> weiß=<strong>ich</strong>=erinnere m<strong>ich</strong> dran er kriegte ein wun<strong>der</strong>bares Geschirr für<br />

zwölf Personen nur <strong>mit</strong> Fischservice je<strong>der</strong> Teller einzeln bemalt <strong>mit</strong> einem an<strong>der</strong>n Fisch o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>m<br />

Obst und sowas n<strong>ich</strong> un=und die wohnten hier am Graben, und das is en Patrizierhaus gewesen<br />

n<strong>ich</strong> und Sie können s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t vorstellen Tepp<strong>ich</strong>e lagen übereinan<strong>der</strong>" (22/25)<br />

In diesem Textausschnitt klingt Erika Schilds Bewun<strong>der</strong>ung für die „feine<br />

Gesellschaft" und <strong>der</strong>en Lebensstil an. Mit <strong>der</strong> Formulierung „wenn sie n<strong>ich</strong><br />

Juden gewesen wären, dann würden wir sagen (daß sie) aus ersten Familien<br />

stammten n<strong>ich</strong>" gibt sie aber gle<strong>ich</strong>zeitig <strong>zu</strong> erkennen, daß die gesellschaftl<strong>ich</strong>e<br />

Stellung dieser Menschen in ihren Augen durch ihr „Jüdisch-Sein" beeinträchtigt<br />

wurde.<br />

Mit <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Tätigkeit ihres Mannes steht das Thema <strong>der</strong> jüdischen<br />

Verfolgung zwar im Raum, doch Frau Schild vermeidet es, näher darauf<br />

ein<strong>zu</strong>gehen. So antwortet sie beispielsweise auf die Frage, ob sie das Schicksal<br />

ihrer ehemaligen Arbeitgeberin weiter verfolgt habe: „ja <strong>ich</strong> glaube die sind<br />

noch rechtzeitig rausgekommen". Wenig später jedoch korrigiert sie s<strong>ich</strong> und<br />

meint, daß sie n<strong>ich</strong>ts Genaues über das Schicksal dieser Frau sagen könne:<br />

„was aus dieser Frau geworden is weiß <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t aber sie sind alle ins KZ gekommen das weiß<br />

<strong>ich</strong> wohl aber wie sie überlebt hat und ob überhaupt, weiß <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>" (23 / 3)<br />

Erika Schild entzieht s<strong>ich</strong> einem Nachdenken darüber, ob auch diese Frau,<br />

<strong>zu</strong> <strong>der</strong> sie eine persönl<strong>ich</strong>e Beziehung <strong>hatte</strong>, im Konzentrationslager getötet<br />

worden ist. Sie beruhigt s<strong>ich</strong> statt dessen <strong>mit</strong> dem Gedanken an eine mögl<strong>ich</strong>e<br />

Emigration. Auch die oben zitierte Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Tätigkeit ihres Mannes<br />

dient n<strong>ich</strong>t einer kritischen Reflexion seiner o<strong>der</strong> ihrer eigenen Vergangenheit.<br />

Der Hinweis auf die Funktion ihres Mannes bei <strong>der</strong> Emigration jüdischer Bürger<br />

steht viel<strong>mehr</strong> im Kontext eines Entlastungsarguments, das <strong>mit</strong> dem Hinweis<br />

auf die Auswan<strong>der</strong>ungsmögl<strong>ich</strong>keit das Ausmaß des nationalsozialistischen<br />

Terrors ab<strong>zu</strong>schwächen sucht.<br />

Wir können resümieren, daß Erika Schild we<strong>der</strong> die Tätigkeit ihres Mannes<br />

reflektiert noch s<strong>ich</strong> in die Perspektive <strong>der</strong> verfolgten Menschen jüdischen<br />

Glaubens hineinversetzt. Die Emigration ist fur sie ohnehin kaum bedrückend,<br />

da sie behauptet, daß die Auswan<strong>der</strong>er im Gegensatz <strong>zu</strong> den Menschen,<br />

die später in „Massentransporten" in die Konzentrationslager gebracht<br />

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