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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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Auf die erste Nachfrage, ob sie s<strong>ich</strong> erinnere, was ihr ihre Eltern über den<br />

Ersten Weltkrieg erzählt hätten, antwortet Frau Schild:<br />

„nee vom Ersten Weltkrieg weiß <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong> viel mein Vater, wurde gle<strong>ich</strong> Soldat das weiß <strong>ich</strong> —<br />

denn <strong>ich</strong> nehme an <strong>ich</strong> bin Ende Dezember geboren daß er an Ostern Urlaub gekriegt hat ((lacht))<br />

und m<strong>ich</strong> gemacht hat ne und dann fuhr <strong>der</strong> ja wie<strong>der</strong> weg und <strong>kam</strong> auch so am letzten Tag wie<strong>der</strong>"<br />

(14/1)<br />

Dies ist die erste Stelle im Interview, an <strong>der</strong> <strong>der</strong> Vater erwähnt wird. Erika<br />

Schild führt ihn ledigl<strong>ich</strong> als <strong>Krieg</strong>steilnehmer ein, <strong>der</strong> sie während eines Heimaturlaubs<br />

zeugte. An <strong>Krieg</strong>serzählungen ihres Vaters erinnert sie s<strong>ich</strong> kaum<br />

— sie meint heute, ihr Vater habe seine Soldatenzeit wohl „n<strong>ich</strong>t mal so<br />

schlimm" erlebt. Im Gegensatz <strong>zu</strong>m Vater ist ihr ein ehemaliger Lehrer, Herr<br />

Sengewald, in lebhafter Erinnerung, wie die un<strong>mit</strong>telbar nachfolgende Stelle<br />

zeigt:<br />

B: „und <strong>kam</strong> auch so am letzten Tag wie<strong>der</strong> ((<strong>der</strong> Vater)) aber was = <strong>ich</strong> = Ihnen=da = noch =<br />

sagen = kann = <strong>ich</strong> = weiß = n<strong>ich</strong> = ob=das = von = Interesse = is = fur = Sie das weiß <strong>ich</strong> von<br />

Sengewald = is Ihnen Herr Sengewald ein Begriff das war <strong>der</strong> spätere Stadtrat hier ... und<br />

das war mein Lehrer<br />

I: mhm<br />

B: mein Volksschullehrer und <strong>der</strong> hat m<strong>ich</strong> so geför<strong>der</strong>t daß <strong>ich</strong> ihm also ewig <strong>zu</strong> Dank verpfl<strong>ich</strong>tet<br />

bin" (14/4)<br />

Im Vergle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> dem eher blaß dargestellten Vater spr<strong>ich</strong>t aus dieser wie<br />

vielen weiteren Schil<strong>der</strong>ungen des Lehrers, die interessanterweise meist <strong>mit</strong><br />

Ausfuhrungen über den Vater verknüpft sind, eine tiefe Bewun<strong>der</strong>ung, ja Verehrung.<br />

Mit ihm, dem Lehrer und ehemaligen Offizier, konnte s<strong>ich</strong> Erika<br />

Schild als Kind eher identifizieren als <strong>mit</strong> ihrem Vater, <strong>der</strong> nur einfacher Soldat<br />

war. Während sie für die politische Gesinnung des Vaters kein Verständnis<br />

<strong>hatte</strong>, auch wenig davon erzählt, bewun<strong>der</strong>te sie den Offizier, <strong>der</strong> nach seiner<br />

Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg in <strong>der</strong> SPD aktiv war.<br />

Wie sehr Erika Schild bis heute den Vater <strong>mit</strong> dem Lehrer vergle<strong>ich</strong>t bzw.<br />

den Lehrer anstelle des Vaters bewun<strong>der</strong>t, zeigt s<strong>ich</strong>, als sie — in <strong>der</strong> Abs<strong>ich</strong>t,<br />

über die antifaschistische Gesinnung des Vaters <strong>zu</strong> erzählen — erneut auf den<br />

Lehrer <strong>zu</strong> sprechen kommt. Es geht um einen Rathausbesuch des Vaters, bei<br />

dem er s<strong>ich</strong> weigerte, <strong>mit</strong> „Heil <strong>Hitler</strong>" <strong>zu</strong> grüßen:<br />

„ja heute würde <strong>ich</strong> meinen Vater bewun<strong>der</strong>n, denn = eingeschoben mal = eben = mein = Väter<br />

mußte, im <strong>Krieg</strong> mal aufs Rathaus kommen und es war ja übl<strong>ich</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> deutsche Gruß hieß<br />

ja Heil <strong>Hitler</strong> n<strong>ich</strong> und <strong>der</strong> <strong>kam</strong> dahin und sachte Guten Morgen, und dann machte man ihn darauf<br />

aufmerksam, daß das Heil <strong>Hitler</strong> hieß und mein Vater hat s<strong>ich</strong> geweigert, das <strong>zu</strong> sagen er is<br />

auch davongekommen er is n<strong>ich</strong> etwa, wie Herr Sengewald <strong>der</strong> dann oft ins Gefängnis <strong>kam</strong> o<strong>der</strong><br />

in Schutzhaft wie sie es auch nennen wollten n<strong>ich</strong> und so ne, mein Vater ist es n<strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t,<br />

schien er ihnen einfach n<strong>ich</strong>t w<strong>ich</strong>tig genug o<strong>der</strong> <strong>zu</strong> alt dafür das weiß <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong> aber andre sind<br />

auch in Schutzhaft hieß das damals ja genommen worden un ab ins KZ o<strong>der</strong> ins Gefängnis und<br />

Herr Sengewald war ein paarmal da ne, <strong>der</strong> aber auch immer Rückgrat bewiesen hat n<strong>ich</strong>t ein<br />

einziges Mal nachgegeben hat ne, na = ja = und = so mein Vater auch wollt <strong>ich</strong> grade sagen"<br />

(17/38)<br />

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